Urlaub mit den Eltern? Wie Ferienwünsche den Familienurlaub mit Teenagern retten können

© Foto: Coenen-Brinkert

Urlaub mit den Eltern? Wie Ferienwünsche den Familienurlaub mit Teenagern retten können

rnGemeinsame Ferien

Wenn der gemeinsame Familienurlaub gelingen soll, müssen oftmals Kompromisse geschlossen werden. Die Familie Coenen-Brinkert hat dafür ein besonderes Erfolgsrezept.

Haltern

, 27.11.2018, 10:54 Uhr / Lesedauer: 7 min

All-Inclusive-Urlaub im Fünfsterne-Hotel mit großer Poolanlage wäre nichts für Andrea Coenen-Brinkert und Andreas Brinkert. Viel lieber bucht das Paar gemeinsam mit Tochter Jule ein Ferienhaus in den Wäldern von Schweden.

Ein, zwei Wochen Natur pur gepaart mit ein wenig Sightseeing und entspannter Auszeit - so könnte ein perfekter Urlaub für die Familie aussehen. Dass Tochter Jule mit ihren zwölf Jahren noch mit in den Urlaub fährt, ist nicht selbstverständlich, sagt Diplom-Familienpsychologin Hildegard Schindler.

Sie ist die Leiterin der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche bei der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes Marl und sitzt in den Räumen der Joseph-Hennewig-Schule in Haltern. Denn ab diesem Alter könne es bereits schwierig werden, alle Interessen auf einen Nenner zu bringen. „Manchmal gelingt der Familienurlaub dann trotzdem und manchmal gelingt es nicht.“

„Die gemeinsame Urlaubszeit ist uns sehr wertvoll“

„Für uns ist der Familienurlaub noch heute die schönste Zeit im Jahr“, sagt Andrea Coenen-Brinkert. „Wir sind beide voll berufstätig und auch Jule hat oft lange Schule und viele Hobbys nebenbei. Die gemeinsame Urlaubszeit, wenn mal nichts drängt, ist uns sehr wertvoll. Darauf wollen wir nicht verzichten. Trotzdem merken wir, dass es immer schwieriger wird, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. Die Kinder wünschen sich mit den Jahren doch mehr Action und andere Action als wir Erwachsene.“

Laut einer Studie der Stiftung für Zukunftsfragen möchte mehr als jeder zweite Reisende im Urlaub vor allem viel erleben. Insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene gilt: Je mehr Erlebnisse, desto besser.

Das kann Stephanie Sissmann vom Reisebüro Haltern bestätigen. „Aus diesem Grund setzen viele Hotels heute auf Teensprogramme und den Teensclub, um auch die Jugendlichen im Urlaub miteinzubeziehen. Das genaue Programm wird dann meistens mit den Jugendlichen vor Ort geplant“, sagt die Reiseverkehrskauffrau.

Stephanie Sissmann hat schon viele Urlaube für Familien mit Teenagern gebucht. „Ich muss sagen, da hat sich so einiges verändert die letzten Jahre. Früher war es so, dass die Eltern den Urlaub geplant haben und die Kinder sind ungefragt mitgekommen. Heute sitzen die Teenager mit im Reisebüro und entscheiden, wo es hingeht - und wehe am Urlaubsort gibt es kein Wlan. Dann ist das geplante Reiseziel gleich vom Tisch.“

Mit Kreuzfahrten die Interessen einer Familie vereinen

Was momentan ganz gut für Familien mit Teenagern funktionieren würde, seien Kreuzfahrten. „Die Eltern können tagsüber Ausflüge machen und die Jugendlichen können, wenn sie wollen, an Bord bleiben. Dort kommen sie dann auch relativ schnell mit anderen Gleichaltrigen in Kontakt und sie müssen nicht den ganzen Urlaub nur mit der Familie verbringen.“

Auch bei der Familie Coenen-Brinkert driften die Interessen immer mehr auseinander: „Ich schaue mir im Urlaub einfach lieber die Städte an und meine Eltern gehen lieber in den Wald und schauen, ob sie dort Bären oder Elche finden“, erklärt Tochter Jule. „Und was machst du dann am liebsten in den Städten?“, fragt Mutter Andrea. „Shoppen gehen“, sagt Jule und lacht. „Ihr schaut euch dann nur irgendwelche Häuser an, wo irgendwer gelebt hat, der eh schon tot ist.“

Auch wenn die Familie immer noch sehr gerne zusammen Urlaub verbringt, gibt es immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten darüber, was im nächsten Urlaub unternommen wird.

Die Reiseverkehrskauffrau Stephanie Sissmann kennt viele Hotels, die mittlerweile auf sogenannte Teens-Programme für Jugendliche setzen.

Die Reiseverkehrskauffrau Stephanie Sissmann kennt viele Hotels, die mittlerweile auf sogenannte Teens-Programme für Jugendliche setzen. © Foto: Alina Meyer

„Natürlich gibt es Konflikte, unterschiedliche Vorstellung von Urlaub, vielleicht auch unterschiedliche Wünsche an die Dinge, die man dann im Urlaub machen will“, erklärt die Familienpsychologin Hildegard Schindler. „Und vielleicht auch, wohin man fahren will.“ Hier gelte es, im Vorfeld die Erwartungen der Familienmitglieder zu besprechen.

Bei der Urlausplanung kommt es auf Kompromisse an

Ähnliches gelte dann auch im Urlaub selbst, sagt Familienpsychologin Schindler: „Wenn man zwei Kinder hat, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass die beiden das Gleiche wollen, sondern vielleicht auch etwas ganz Unterschiedliches. Und die Eltern haben möglicherweise auch wieder ganz unterschiedliche Interessen. Die Schnittmenge ist mal größer, mal kleiner.“ Und da komme es eben auf Kompromisse an. „Jeder darf einen Wunsch äußern, der dann auch umgesetzt wird, egal ob es dem Rest gefällt oder nicht. Oder es darf vielleicht auch mal sein, dass Eltern was alleine machen, dass der Teenager was alleine macht, wenn es irgendwie überschaubar und abgrenzbar ist.“

So hält es auch Familie Coenen-Brinkert. Das Geheimrezept der Familie: die Ferienwünsche. „Das bedeutet, jeder darf einen Wunsch äußern, was im Urlaub gemacht werden soll und dieser Wunsch wird dann auch erfüllt“, sagt Jule. „Genau, das heißt, wenn der Familienrat zustimmt“, sagt Andrea Coenen-Brinkert und lacht. „Das war damals ein Vorschlag vom Papa, als Jule so sechs Jahre alt war, weil wir uns schon damals nicht einigen konnten. Seitdem gibt es die Ferienwünsche und das klappt bisher ganz gut.“

Es gab aber auch schon mal Mutter-Tochter oder Vater-Tochter-Urlaube. „Mit Mama ging es mal für viereinhalb Wochen nach Irland und Schweden. Da haben wir dann viel Sightseeing gemacht. Mit Papa bin ich mal nach Bayern gefahren. Da sind wir geklettert und Sommerrodelbahn gefahren. Der Urlaub war ein wenig actionreicher“, erzählt Jule.

Auch in den diesjährigen Sommerferien kam jedes Familienmitglied auf seine Kosten. Es ging wieder nach Schweden, genauer gesagt nach Örebro, etwa zwei Stunden von Stockholm entfernt. „Jule wünschte sich einen Shoppingtag, Papa einen Besuch in einem Angelladen und ich wollte gerne das Schloss Kalmar sehen“, sagt die Mutter.

Die Astrid-Lindgren-Welt hat die ganze Familie begeistert

Es gibt aber auch Ausflüge, auf die sich alle Familienmitglieder gleichermaßen freuen. Bei der Familie Coenen-Brinkert war das die Astrid-Lindgren-Welt in der schwedischen Ortschaft Vimmerby, die sie schon zweimal besucht haben. In dem Freizeitpark werden die Geschichten der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren thematisiert. „Für mich als Bibliothekarin war das natürlich super, aber auch Jule hat der Freizeitpark mit den vielen Fahrgeschäften gut gefallen. Sogar mein Mann war begeistert. Er spricht gut schwedisch und war von den schwedischen Märchen ganz angetan.“

Und was ist, wenn sich der eine komplett gegen eine Idee sträubt? „Dann sagen wir schon mal ‚Komm‘, dann macht ihr zwei das und ich mache in der Zeit etwas anderes‘“, sagt Andrea Coenen-Brinkert.

Also kommt es beim gemeinsamen Urlaub nur auf die Spanne der Kompromissbereitschaft an? „Wenn man kompromissbereit ist, ist ein gemeinsamer Urlaub sicherlich immer möglich. Ich kenne wiederum auch Familien, da sieht dann die Woche Mallorca so aus, dass Vater und Jugendliche im Hotel an ihrem Laptop sitzen und spielen. Wenn alle damit zufrieden sind, kann man vielleicht nicht viel von der Insel sehen, aber es ist alles in Ordnung. Nur wenn man dann anfängt darüber zu streiten, dann wird es schwierig. Dann kann das natürlich sein, dass der Urlaub in die Hose geht“, sagt Hildegard Schindler.

Diplom-Familienpychologin Hildegard Schindler rät, Kompromisse zu schließen, damit der Urlaub gelingen kann.

Diplom-Familienpychologin Hildegard Schindler rät, Kompromisse zu schließen, damit der Urlaub gelingen kann. © Foto: Alina Meyer

Wegen Streitigkeiten ist bei der Familie Coenen-Brinkert noch kein einziger Urlaub komplett ins Wasser gefallen. Die Familie weiß auch mit Uneinigkeit umzugehen: „So wichtig Familienzeit auch ist, genauso wichtig ist es, sich im Urlaub auch mal eine Auszeit von der Familie zu gönnen“, sagt die Andrea Coenen-Brinkert. Dann gehe sie auch mal gerne alleine durch den Wald spazieren. „Bei einem dieser Spaziergänge habe ich sogar mal ein Elchgeweih gefunden. Das war dann natürlich der Renner, besonders bei meinem Mann.“

In den Herbstferien schaut sich die Familie deutsche Städte an

Schweden ist das liebste Reiseziel der Familie. Auf dem zweiten Platz folgt die Ostsee. Dort zieht es die Familie im Herbst oft hin, immer an den kleinen Ort Schönhagen bei Kappeln. Selbst Jule war mit ihren zwölf Jahren bestimmt schon fünfzehn Mal dort. Dieses Jahr fährt die Familie zum ersten Mal über Silvester an die Ostsee. „In den Kurzurlauben in den Herbstferien schauen wir uns gerne die deutschen Städte an“, sagt Andrea Coenen-Brinkert.

Der Stiftung für Zukunftsfragen zufolge reisten die Deutschen und auch die Gruppe der Jugendlichen im vergangenen Jahr am liebsten nach Spanien (13,7 Prozent/13,1 Prozent). Die skandinavischen Länder liegen im Vergleich nur auf Platz 7 (3 Prozent). Jugendliche reisten in Deutschland am liebsten nach Bayern, gefolgt von der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern auf Platz 2.

Im vergangenen Jahr war Jule auch schon ohne ihre Eltern im Urlaub. Es ging mit einer Ferienfreizeit ebenfalls an die Ostsee, in einen kleinen Ort in der Nähe von Wismar. „Das war eine schöne Zeit. Eine Woche Urlaub ohne Mama und Papa ist okay, aber den Rest der Ferien möchte ich dann doch zu Hause sein und etwas mit meinen Freunden unternehmen. Und auf den Familienurlaub möchte ich auch nicht verzichten“, sagt die Zwölfjährige.

Für Jules Mutter war die Zeit, in der ihre Tochter das erste Mal allein weg war, alles andere als leicht. „Man ist nun mal Mutter und kann nicht aus seiner Haut. Natürlich macht man sich da Sorgen, weil man die Kontrolle abgeben muss und gerade dann möchte man sein Kind ja nicht nerven mit der ganzen Litanei, dass sie auf dieses und jenes achten soll.“ Jule erwidert: „Ja, wenn sie dann wieder vor der Fahrt mit ihren Vorträgen um die Ecke kommt, nervt das schon. Vor allem, weil ich das ja alles schon mal gehört habe.“

Hier empfiehlt Hildegard Schindler, sich vorab mit den Kindern zu beraten. „Für das Alleine-in-den-Urlaub-Fahren gilt letztendlich ähnliches wie für den gemeinsamen Familienurlaub: Man muss sich zusammensetzen, man muss vorher überlegen, wer hat welche Erwartungen, welche Vorstellungen haben die Eltern von dieser Reise, die dann das Kind alleine unternehmen möchte oder mit einem Freund oder einer Freundin, welche Vorstellungen und Erwartungen hat der oder die Jugendliche. Man muss über die Finanzen sprechen, über Transportmittel, über das Budget. Und vielleicht auch über Risiken.“

Auch ‚Nein‘ zu sagen ist für Eltern eine Option

Und wenn Eltern und Kinder keinen gemeinsamen Nenner finden, dann könne das auch schon mal bedeuten, dass der Urlaub gar nicht stattfindet. Schindler: „Wenn ich als Elternteil denke, nein, das will ich auf gar keinen Fall, das ist mein Alptraum, das traue ich meinem Kind nicht zu, dann muss ich sagen: ‚Nein, dieser Urlaub auf diese Weise, wie du dir das vorstellst, klappt nicht. Funktioniert nicht. Dann musst du dir was anderes überlegen.‘“

Jule ist Einzelkind und war im Urlaub bisher immer von Erwachsenen umgeben. Auch zwei gute Freunde von Andrea-Coenen-Brinkert, die wie Tante und Onkel für Jule sind, waren schon desöfteren mit dabei. Deshalb durfte Jule auch schon mal eine Freundin mit in den Ostsee-Urlaub nehmen.

„Mit dieser Entscheidung haben wir uns aber tatsächlich etwas schwer getan“, sagt Andrea Coenen-Brinkert. „Das ist schon ein anderes Gefühl, wenn man im Haupturlaub im Sommer noch jemanden mitnimmt, der nicht zur Familie gehört. Für die Familie bedeutet Urlaub auch mal mit dem Bademantel morgens beim Frühstück zu sitzen. „Wir haben uns dann schon gefragt, ob wir das dann noch machen können.“ Am Ende hat der gemeinsame Urlaub dann doch gut funktioniert. „Papa steht selbst im Urlaub immer so früh auf, da war das kein Problem“, erzählt Jule.

Wann das Kind allein zu Hause bleiben darf, ist gesetzlich nicht geregelt

Ganz allein zu Hause, während ihre Eltern im Urlaub waren, war Jule mit ihren zwölf Jahren noch nicht. Laut Stadtjugendpfleger Boris Waschkowitz ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, ab welchem Alter das möglich ist. „Das müssen die Eltern selbst entscheiden. Allgemein wird empfohlen, das Kind nicht unter einem Alter von 16 Jahren allein zu Hause zu lassen.“

Wichtig: Selbst wenn das Kind allein zu Hause bleibt, bleibt die Aufsichtspflicht für die Eltern bestehen. Diese könne man aber auch an die Nachbarn, die Oma oder die Tante deligieren. „Die Voraussetzung dafür, dass das Kind allein zu Hause bleibt, ist, dass es geistig und körperlich soweit ist, dass es sich selbst versorgen kann“, so Waschkowitz.

Im nächsten Jahr möchte sich Jule wieder einer Jugendgruppe anschließen. „Dann wollen wir gemeinsam nach Paris und uns das Disneyland anschauen.“ Vorher soll es aber nochmal mit der Familie nach Berlin gehen.