Fehlzeiten im Job: Deshalb brauchen Eltern kein schlechtes Gewissen zu haben

Home Office und Kinder

Homeschooling und ein Job außerhalb der Wohnung – das bringt Eltern oft an ihre Grenzen. Da böten Kinderkrankentage durchaus eine erholsame Perspektive. Doch viele scheuen die Option.

Kreis Unna

, 11.03.2021, 11:35 Uhr / Lesedauer: 2 min
Viele Eltern scheuen davor zurück, sich Kinderkranktage zu nehmen.

Viele Eltern scheuen davor zurück, sich Kinderkranktage zu nehmen. © Kelly Sikkema/Unsplash

Es würde vieles leichter machen, trotzdem hat Sarah* in diesem Jahr noch keinen Tag im Job gefehlt. Drei Kinder, Homeschooling, Homeoffice – seit Monaten läuft alles parallel. Die Kinderkrankentage könnten helfen, Job und Kinderbetreuung während der Corona-Pandemie besser zu vereinbaren. Für Eltern wie Sarah aber sind sie aus zweierlei Gründen kaum eine Option.

Zum einen liegt es an der Art, wie wir Arbeit heute denken und ausführen. „Wenn ich auf der Arbeit fehle, fällt es mir am Ende wieder auf die Füße“, sagt Sarah und beschreibt damit ein Problem, das viele Erwerbstätige haben. Hätte uns die Corona-Pandemie vor 30 Jahren getroffen, wäre es zumindest in Westdeutschland in Sachen Kinderbetreuung einfacher gewesen. Da waren viele Mütter zu Hause und haben vermeintlich nebenbei Waden gewickelt oder eben das Einmaleins geübt.

Deutliche Arbeitsverdichtung

Heute sind meist beide Elternteile berufstätig – und spüren den Druck der Arbeitswelt. „Und wir sehen eine deutliche Arbeitsverdichtung“, berichtet Professorin Sonja Drobnic von der Uni Bremen. „Bei der Art, wie wir heute arbeiten, ist Abwesenheit ein Problem. Es gibt Deadlines, Projekte, die nicht delegiert werden können. Werden die Kinder krank, stapelt sich die Arbeit.“ Wie bei Sarah, die drei kleine Kinder zu Hause und eine Stabsstelle im Gesundheitswesen hat. Arbeit abnehmen kann ihr niemand. Wie Eltern im Krankheits- oder Abwesenheitsfall agieren können, hänge daher sehr von der Organisationskultur eines Unternehmens ab, sagt Professorin Drobnic.

Und damit kommen wir zum zweiten Punkt, weshalb viele Eltern bei Kinderkrankenscheinen zögern: die Angst davor, abgestempelt zu werden. „Ich will mich nicht angreifbar machen, weil ich wegen der Kinder zu oft fehle“, sagt Sarah. Es ist nicht nur vorauseilender Gehorsam, es ist auch die Erfahrung, die aus ihr spricht. „Bei meinem alten Arbeitgeber hatte ich ganz klar den Muttistempel. Damit waren Karrierewege verbaut. Seither versuche ich, Job und Privates zu gut es geht zu trennen.“

Berufstätige Eltern über 40 sind seltener krank als Kinderlose

Dabei häufen Eltern im Vergleich zu ihren kinderlosen Kollegen gar nicht unbedingt mehr Krankentage an, wie die Techniker-Krankenkasse 2016 herausfand. Berufstätige Eltern über 40 Jahre fehlten sogar seltener als Mitarbeiter ohne Kinder. Mütter und Väter unter 40 sind im Schnitt nur zwei bis drei Tage häufiger krank als Kinderlose. Auch weil Eltern sich im Krankheitsfall der Kinder oder bei fehlender Kinderbetreuung wie jetzt in der Corona-Pandemie anderweitig behelfen.

Wie viele Kinderkrankentage Eltern während der Pandemie nehmen, ist noch nicht klar. Zahlen der AOK bis Oktober 2020 zeigen, dass Eltern sogar seltener Kinderkrankentage angemeldet haben als im Jahr zuvor. Im Jahr 2018 lag laut AOK die durchschnittliche AU-Dauer bei Kinderkrankengeldfällen lediglich bei 2,3 Tagen – also weit entfernt von der damaligen Höchstanspruchsdauer von zehn Tagen pro Kind und Elternteil.

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Guten Gewissens im Job zu fehlen ist aber nicht nur eine Frage des Zahlenspiels, es kommt auch auf das Selbstbild an. „Ich bin erstaunt, dass Eltern gar nicht realisieren, dass Familie der Ort ist, an dem sie viele wichtige Skills für den Job lernen“, sagt Diplom-Psychologe Joachim Lask. Fähigkeiten, die für den Erfolg von Unternehmen zukunftsweisend sind, wie Kommunikation, Selbstorganisation und Kooperation. Ein Umstand, der zugegeben auch noch nicht bei allen Führungskräften angekommen sei.

Falsches Bild von Führungskräften?

Ein Problem sind aber auch die eigenen Erwartungen, was mein Gegenüber von mir fordert. Sind Unternehmen oder Vorgesetzte tatsächlich so elternfeindlich oder gehen wir nur davon aus? Auch dazu macht Psychologe Lask Untersuchungen. „Zum Beispiel glauben 45 Prozent der Eltern, dass ihre Führungskraft meint, man solle den Job vor die Familie stellen“, sagt Lask. „Fragen wir dann aber die Führungskräfte, ist es gerade mal ein Prozent, das dieser Aussage wirklich zustimmt.“

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