Elfriede Jelinek hat 2013 „Die Schutzbefohlenen“ als Kritik an der Flüchtlingspolitik geschrieben. 2024 folgt als Reaktion auf das „Geheimtreffen“ Rechtsextremer in Potsdam die Weiterführung mit dem Text „Die Schutzbefohlenen – was danach geschah (2024)“. Die Uraufführung hat die Literaturnobelpreisträgerin dem Schauspielhaus Bochum und Intendant Johan Simons überlassen.
„Es ist eine Arbeit, die uns sehr am Herzen liegt“, sagt Johan Simons, der sich bei der Uraufführung am Sonntag offensichtlich sehr über die vielen Zuschauer auf dem Vorplatz des Schauspielhauses freute. Ganz bewusst spielen die 15 Akteure draußen auf den Stufen vor dem Haus, bei freiem Eintritt. „Es ist eine Intervention in die Stadt“, so Simons, und das gezielt vor der Europawahl.
„Wir leben! Wir leben“ steht auf den T-Shirts: auf Deutsch, Polnisch, Ukrainisch, Arabisch, Spanisch. „Hauptsache, wir leben, und viel ist es auch nicht als leben nach Verlassen der heiligen Heimat“, so beginnen 50 intensive Minuten.

Aus vielen Nationen kommen die Schauspieler aus dem Ensemble und weitere Akteure, unter anderem aus der Theatergruppe „We Are Here“ von Yazan Abo Hassou. Es ist mehr szenische Lesung als Theater. Das wichtigste Element: die Vielsprachigkeit. Die Sprechchöre hallen in Polnisch, Arabisch, Ukrainisch über den Platz.
„Wo ist der Dolmetsch, der uns versprochen wurde“: Jelineks Worte gelten auch für die Zuschauer, die diese Texte nicht verstehen können.
Pläne zur Remigration
Viele Sätze werden oft wiederholt, im Chor, fordernd, wütend, verzweifelt, anklagend. Die Akteure, manche hörbar noch nicht lange in Deutschland, andere längst integriert, stehen für verschiedenen Realitäten. Die von Correctiv enthüllten Remigrations-Pläne treffen alle.
Die Mühlen der Bürokratie, die menschenverachtenden Pläne zur Vertreibung, – nach Afrika, ins Niemandsland –, aber auch zur Veränderung unserer Rechtslage kommt auf Elfriede Jelineks eigene kunstvolle Art zur Sprache. Ruhepausen bringen Lieder. Kurt Weills Chanson „Yukali“ wird gefolgt von Liedern aus Syrien oder der Ukraine. Am Ende gibt es viel Beifall für dieses klare Statement gegen Rechtsextremismus.
Termine: 4./ 9.,/26.6., 19.30 Uhr; 9.6., 11 Uhr, Vorplatz des Schauspielhauses, Eintritt frei, wenige Sitzgelegenheiten. www.schauspielhausbochum.de
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