Die Wirtschaftsbetriebe, die Stadtverwaltung, die Politiker, die Pächterfamilie Kuchnia und der Verein „Unna braucht Eis“ – sie alle haben schon viel gesagt zu dem großen Thema des Sommers. Doch was denken eigentlich die, für die die Eissporthalle mehr als nur ein Ort zum Eislaufen war? Unnas Jugend meldet sich zu Wort – und zeigt, dass es sich lohnt, auf sie zu hören.

Unna

, 10.08.2018, 05:00 Uhr / Lesedauer: 6 min

Vier Tage. Nur vier Tage, nachdem das Aus für die Eissporthalle offiziell bekannt gegeben wurde, trudelte im Rathaus ein Brief ein.

Der Inhalt: ein Plädoyer für den Erhalt der Eissporthalle inklusive detaillierter Vorschläge zur Verbesserung der Einnahmesituation. Die Verfasserinnen: Hannah Dunker und Sina Kopf, 16 und 14 Jahre alt und Schülerinnen aus Unna. Eloquent und zielstrebig brachten sie auf den Punkt, was die Eissporthalle für sie bedeutet – und forderten ein persönliches Gespräch mit dem Bürgermeister.

Genauso wie die große Beteiligung von Jugendlichen an den entscheidenden Sportausschuss- und Ratssitzungen zur Eissporthalle im Juni zeigt Hannahs und Sinas Brief, dass das plötzliche Aus für die Eissporthalle in Unnas Jugend etwas angestoßen hat: Die jungen Bürger wollen es nicht einfach hinnehmen, dass ihre Treffpunkte in der Stadt wegbrechen. Sie wollen gehört werden, wollen ihre Sicht der Dinge schildern.

Lange bevor die Bürgerinitiative sich gründete, waren es Unnas Jugendliche, die Unterschriften für den Erhalt der Eissporthalle sammelten; es waren junge Menschen, die spontan vor dem Rathaus zu einer Demo zusammen kamen und es waren so viele junge Bürger wie lange nicht mehr im Ratssaal anwesend, als über das Schicksal der Eissporthalle beraten und entschieden wurde.

Das ist nicht verwunderlich: Mit der Eissporthalle erlebt eine Generation junger Menschen in Unna bereits das zweite Mal, dass eine Anlaufstelle für sie wegbricht. 2009 war es das Freizeitbad Massen, das geschlossen wurde. Heute ist es die Eissporthalle.

Wo gehen Unnas Jugendliche hin, wenn sie sich treffen wollen? Was tut die Stadtverwaltung, was die Politiker, um Unna für junge Menschen attraktiv zu gestalten?

Es sind diese Fragen, die hinter der Diskussion um die Eissporthalle stecken – und die daher weit mehr ist als „nur“ die Frage, ob eine in die Jahre gekommene Eishalle noch weiterbetrieben werden soll. Vielmehr geht es um die Frage, ob Unna seine Jugend ernst nimmt.

Dass sie ernst genommen werden sollte, zeigt nicht zuletzt der Brief von Hannah und Sina. So detailliert und überlegt, wie die beiden Schülerinnen sich darin zu der Eissporthalle äußern, hat dies zu diesem Zeitpunkt kein Politiker getan. Höchste Zeit also, auf die zu hören, denen die Zukunft dieser Stadt gehört.

Dabei geht es längst nicht mehr „nur“ um die Eissporthalle. Die Eissporthalle könnte vielmehr der Anlass für Politik und Verwaltung sein, auf Unnas Jugend zuzugehen, sie anzuhören und vor allem ernst zu nehmen.

Dabei kann Unna nur gewinnen.

Sina Kopf (links) und Hannah Dunker.

Sina Kopf (links) und Hannah Dunker. © UDO HENNES

Sina Kopf (14 Jahre) und Hannah Dunker (16 Jahre), Schülerinnen aus Unna

  • ...über das plötzliche Aus für die Eissporthalle:

Hannah: Wir waren davon ausgegangen, dass die Eishalle bis 2020 stehen bleibt. Und dann hieß es plötzlich: Sie macht dieses Jahr nicht mehr auf. Wir konnten uns nicht wirklich verabschieden.

Sina: Wir sind im Frühjahr davon ausgegangen, dass wir am 15. Juli wieder in die Eishalle können. Und dann kam die Nachricht, dass sie abgerissen werden soll - innerhalb eines Monats. Das war sehr plötzlich.

  • ... über die Bedeutung der Eissporthalle für sie:

Sina: Wir waren immer das ganze Wochenende in der Halle. Ich weiß nicht, wo ich jetzt hingehen soll. Nach Bergkamen oder Hamm müsste ich ja erst mal hinkommen. Die Eishalle war so zentral, da waren so viele Leute, die wir kannten. Das wäre woanders einfach komplett anders.

Hannah: Eigentlich ist immer jemand da. Man kann hingehen, ohne sich zu verabreden, man trifft immer jemanden. Ich mache jetzt mit dem Eiskunstlauf wahrscheinlich nicht weiter. Es ist irgendwie was anderes, wenn man der KSV ist und in Königsborn trainiert oder ob man in Bergkamen mit ganz vielen Fremden trainiert. Die haben ja vielleicht auch nicht so viel Lust darauf, dass wir kommen.

  • ... über alternative Anlaufstellen für Jugendliche in Unna:

Sina: Wir gehen eher nach außerhalb, zum Phönixsee nach Dortmund, Inliner fahren. Hier in Unna direkt gibt es ja nichts.

Hannah: Wir haben uns jetzt mal abends ins Extrablatt gesetzt. Aber das ist ja auch nichts, was man jetzt jeden Abend unbedingt als Beschäftigung machen möchte. Vielleicht noch ins Kino gehen. Sonst gibt es hier ja nichts für uns.

Sina: Gut, es gibt noch die Schwimmhalle am Bergenkamp. Aber die Öffnungszeiten sind auch nicht gut. Und das ist auch nicht so der Ort, wo man sich als Clique trifft.

  • ...über ihren Brief an Bürgermeister Werner Kolter:

Hannah: Die Idee kam von uns selbst, nachdem wir bei der Demo und in der Ausschusssitzung waren. Da wurde ganz viel von den Politikern gesagt, aber sobald von hinten aus dem Publikum etwas kam, wurde sofort gesagt: Lasst uns erst mal ausreden. Aber dann haben sie uns gar nicht ausreden lassen. Wir haben angefangen, Ideen zu sammeln und uns umgeschaut, wie beispielsweise in Hamm die Eishalle betrieben wird. Durch den Brief haben wir das Angebot bekommen, einen Termin beim Bürgermeister machen zu können, um ihm unsere Ideen vorzustellen.

  • ... über das, was sie sich für Unna wünschen:

Hannah: Ein Jugendtreff wie in Frömern wäre toll. Das gibt es ja sogar in kleinen Dörfern. Da frage ich mich, warum Unna so etwas nicht hat? Und eine offene Diskussion über die Zukunft der Eissporthalle würde ich mir wünschen. Eine Diskussion, bei der die Bevölkerung nicht nur hinten sitzt und zuhört, wenn nur die Politiker sagen, was sie denken. Es wäre gut, wenn mal alle sagen könnten, was sie denken. Das würde wahrscheinlich sehr lange dauern, aber das wäre wichtig. Es wird an anderen stellen viel Geld in Unna ausgegeben. Diese Sache mit der Rathaustreppe: Da frage ich mich, wieso man in so eine kleine Sache so viel Geld stecken will, wenn gleichzeitig so etwas Großes wie die Eishalle, was viele betrifft, einfach so fallengelassen wird.

  • ... über ihre Einschätzung, ob die Eissporthalle Bestand haben wird:

Hannah: Wir hoffen natürlich noch, dass ein Wunder geschieht, aber ich kann es mir gerade nicht wirklich vorstellen.

Sina: Wir probieren weiterhin, etwas zu erreichen. Wir wollen auch die Bürgerinitiative auf dem Stadtfest unterstützen.

Hannah: Wir haben auch vor der Ratssitzung ganz viele Unterschriften in der Stadt gesammelt, für die Online-Petition. Aber da hatte ich manchmal auch das Gefühl, dass viele dort nur aus Nettigkeit unterschrieben haben und nicht unbedingt, weil ihnen die Eishalle wirklich wichtig ist.

Sebastian Otto.

Sebastian Otto. © UDO HENNES

Sebastian Otto (27 Jahre), Bezirksschülersprecher

  • ... über Anlaufstellen für Jugendliche:

Ein Jugendlicher heute geht nicht mehr unbedingt in ein Jugendzentrum. Ich glaube, das hat sich sehr, sehr stark verändert. Das Problem der Politik ist aus meiner Sicht, dass sie nicht fragt: Was will die Jugend heute? Sondern dass sie automatisch davon ausgeht, dass sie weiß, was die Jugend will, nämlich das Gleiche wie vor 20 Jahren.

  • ... über das Vorgehen der Politik in Sachen Eishalle:

Ich finde, die Politik sollte nicht einfach sagen: Wir reißen die Eishalle ab, weil nicht genügend Geld da ist und eh nicht so viele Besucher kommen. Man sollte viel mehr überlegen, wie man diesen Standort attraktiver machen kann. Wie kann man mit Investitionen - auf privater oder staatlicher Seite - so attraktiv gestalten, dass er nicht nur für die interessant ist, die dort im Verein aktiv sind. Aber der Weg ist doch der Falsche, jetzt einfach zu sagen: Es geht nicht mehr, also reißen wir es ab. Man muss doch erst mal gucken, was man investieren kann, was möglich wäre. Wieso sucht man sich nicht einen größeren Kooperationspartner? Wieso investiert man da nicht einfach mehr Zeit? Zeit, in der man sich den Rat von denjenigen holen kann, die es betrifft. Stattdessen sitzen diejenigen da, die es zu entscheiden haben und interessieren sich nicht für die, die es betrifft. Sie nehmen die Bedenken der Bevölkerung nicht ernst. Das ist falsch. Da hätte ich mir einfach mehr Kommunikation gewünscht.

  • ..über das, was für die Eissporthalle möglich wäre:

Utopisch wäre es zu fordern, dass dort ein riesiger Eishallen-Neubau für 30 Millionen entsteht. Aber kleine Dinge, die kann man umsetzen - mit Hilfe derer, die daran interessiert sind, Dinge wirklich umzusetzen.

Tobias Koch.

Tobias Koch. © UDO HENNES

Tobias Koch (24 Jahre), Musiker

  • ...über die Eissporthalle als Treffpunkt für Jugendliche in Unna:

Ich selbst war als Kind zuletzt da, aber ich weiß, dass es bei uns in der Jahrgangsstufe viele Leute gab, die dort ihr ganzes Wochenende verbracht haben.

  • ... über andere Anlaufstellen für junge Leute in Unna:

Mit 14, 15, da waren wir oft im Freizeitbad Massen. Das hätte ein Treffpunkt werden können, aber sie haben es dicht gemacht, bevor es sich dazu entwickeln konnte. Ich habe früh angefangen, in bands Musik zu machen, da war der Proberaum der Treffpunkt. Wir hatten das große Glück, dass wir dafür den Keller im Elternhaus eines Kumpels nutzen konnten.

  • ... über junge Musiker in Unna:

Wer keinen privaten Proberaum hat, für den wird es echt schwierig. Viele kommen über die Jugendkunstschule zur Musik, aber sobald die Betreuung dort endet, steht man als Musiker da und muss sehen, wo man bleibt. Wir bekommen von der Stadt vier Probenräume in der Lindenbrauerei zur Verfügung gestellt – das ist wirklich klasse. Aber die sind auch voll ausgelastet. Ich bekomme ständig Anfragen von jungen Bands, die Räume suchen.

  • ... über die Wahrnehmung der Nachwuchsmusiker in der Öffentlichkeit:

Manchmal habe ich den Eindruck, dass man denkt: „Die kommen schon klar.“ Aber „klarkommen“ reicht nicht. Wir wollen uns ja auch aktiv einbringen. Wenn jetzt ein Kulturentwicklungsplan aufgestellt wird, dann wollen wir dabei sein. Wir haben Ideen und Leute, die Bock auf Musik und Kultur haben. Und wenn du mit deiner Band probst, dann hast du keine Zeit, im Kurpark etwas kaputt zu machen.

Max Rybarski.

Max Rybarski. © UDO HENNES

Max Rybarski (19 Jahre), Pfadfinder

  • ...über die Bedeutung der Eissporthalle:

Als Kind bin ich öfter mal in der Eissporthalle gewesen. Jetzt spricht mich das nicht mehr so an, in meinem Freundeskreis ist das ähnlich. Ich glaube aber, dass vielen Kindern etwas fehlt, wenn die Halle wirklich schließen sollte.

  • ...über Geschäfte und Treffpunkte für Jugendliche:

Ich würde mir in Unna mehr Geschäfte für junge Leute wünschen. Klamotten kaufe ich grundsätzlich in Dortmund. Unna braucht auch mehr Elektronikläden für Filme, Musik und Games. Es gab ja mal einen Berlet, der ist aber schon lange geschlossen. Ansonsten haben wir hier nur noch den Gamestop. Das reicht einfach nicht. Wenn ich etwas mit meinen Freunden unternehme, zieht es uns auch meistens nach Dortmund - in Unna gibt es einfach zu wenig Treffpunkte. Das Bornekamp-Bad hat im Sommer einfach zu wenig Platz.

  • ...über die Situation der Pfadfinder:

Es gibt im Kreis Unna nicht genug Räumlichkeiten für Vereine, das merke ich auch bei uns Pfadfindern. Das Bürgerhaus in Kamen, in dem wir uns sonst immer als Pfadfinder getroffen haben, wird gerade brandschutzsaniert. Deshalb mussten wir auf das Pfarrhaus ausweichen, das für uns aber viel zu klein ist und keinen Lagerplatz hat.

  • ... über junge Musiker in Unna:

Ich bin seit einiger Zeit mit meiner Trash-Metal-Band „Futurephobia“ Mitglied im „Ton e. V.“ Die Lindenbrauerei stellt uns vier Proberäume zur Verfügung. Die reichen aber leider nicht, um alle Bands zu betreuen - mittlerweile sind das an die fünfzehn. Ich finde es aber andererseits super, dass die Stadt unserem Verein auf dem Stadtfest eine eigene Bühne zur Verfügung stellt.

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