Einstieg in Altschuldenlösung Land NRW verschiebt Pläne für 2024

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Die Landesregierung verschiebt den Einstieg in eine Altschulden-Regelung für die nordrhein-westfälischen Kommunen auf 2025. Das hat das Landeskabinett am Dienstag in Düsseldorf beschlossen. Der ursprünglich vorgesehene Startzeitpunkt Mitte 2024 lasse sich wegen diverser ungeklärter Fragen nicht halten, erklärte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU). Solange unklar sei, ob der Bund sich an der geplanten Übernahme kommunaler Altschulden beteilige, könne kein Landesgesetz dazu solide aufgesetzt werden.

„Diese Landesregierung kann es einfach nicht“, kommentierte Oppositionsführer Jochen Ott die Verschiebung. Die schwarz-grüne „Rückzieher-Regierung“ breche ihren eigenen Koalitionsvertrag, der eine Altschulden-Lösung eigentlich schon für dieses Jahr in Aussicht gestellt habe.

Die kommunalen Spitzenverbände und der Bund der Steuerzahler befürworteten den Schritt hingegen. Die Kommunalvertreter forderten aber auch, Spielräume für eine echte Landesbeteiligung an den Altschulden im Landeshaushalt 2025 zu schaffen. Der bisher angekündigte Anteil über die Grunderwerbsteuer reiche nicht aus. Eine nachhaltige Lösung sei „nur mit maßgeblicher Beteiligung von Land und Bund realisierbar“, teilten sie mit.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich im Juni dazu ablehnend geäußert. Laut Scharrenbach ist ein weiteres Gespräch mit dem Bund für September in Aussicht gestellt worden. Die Bundesregierung bleibe weiterhin gefordert, sich an ihre in der Vergangenheit getätigte Zusage zu halten, sich hälftig an einer Entschuldung der Kommunen zu beteiligen, betonte sie.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verwies darauf, dass für eine Beteiligung des Bundes an einer Altschuldentilgung auch eine Verfassungsänderung notwendig sei. Diese könne die Ampel-Regierung in Berlin nicht allein auf den Weg bringen, sondern brauche dafür die Unterstützung der Union, sagte Buschmann nach einem Besuch der FDP-Landtagsfraktion in Düsseldorf. „Ohne diese Grundlage können wir das Problem nicht lösen.“

Liquiditätskredite untersuchen

Scharrenbach will auch die Höhe der Liquiditätskredite noch einmal unter die Lupe nehmen lassen. In die beim Statistischen Landesamt gelisteten rund 21 Milliarden Euro seien Beträge eingeflossen, die nicht den tatsächlichen Verbindlichkeiten entsprächen, sagte die Ministerin.

So habe eine Kommune berichtet, statt der bei IT.NRW verbuchten 22 Millionen Euro an Verbindlichkeiten zur Liquiditätssicherung seien es in Wirklichkeit nur 400.000 Euro. Bei der Millionen-Rechnung seien auch Finanzmittel aus dem Landesförderprogramm „Gute Schule“ und nicht verausgabte Investitionspauschalen aus der Gemeindefinanzierung veranschlagt worden. Nötig sei nun ein belastbare und kommunenscharfe Übersicht, sagte Scharrenbach. Das Land werde keine Schulden übernehmen, die nicht als Liquiditätskredite gelten könnten.

FDP-Landtagsfraktionschef Henning Höne forderte eine Altschulden-Lösung mit kommunaler Schuldenbremse. Der „Schnellschuss“ von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sei „eine schwere Blamage“ gewesen. Der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes, Rik Steinheuer, mahnte, die notwendige Überarbeitung der bisher vorgelegten Eckpunkte dürfe „nicht vom Zaun gebrochen werden“.

„Was die Kommunen jetzt dringender benötigen denn je, ist frisches Geld“

Das Kabinett beschloss außerdem, die kommunalen Haushalte mit rund 15,3 Milliarden Euro in der Gemeindefinanzierung 2024 zu stärken. Gegenüber dem Vorjahr ist das nach Regierungsangaben ein Plus von fast 139 Millionen Euro.

Mit Blick auf die zunehmende Eintrübung der Konjunktur und sinkende Steuereinnahmen bei steigenden Kosten in vielen Bereichen - auch infolge des kommunalen Tarifabschlusses - sei absehbar, dass sich die Perspektiven für die Kommunalhaushalte deutlich verschlechtern. Das Kabinett habe entschieden, einige ursprünglich vorgesehene Vorwegabzüge zulasten der Kommunen in der Gemeindefinanzierung 2024 nicht umzusetzen.

Erstmals seit Jahren werde es in der Gemeindefinanzierung eine Verschiebung der Mittel vom kreisfreien in den kreisangehörigen Raum geben, berichtete Scharrenbach. Während die Steuerkraft im kreisfreien Raum 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 560 Millionen Euro zugenommen habe, seien es im kreisangehörigen Raum nur 73 Millionen gewesen. Gleichzeitig sei die Zahl der Gemeinschaften mit Sozialhilfebedarf bei Letzteren um 7,7 Prozent gestiegen - im kreisfreien Raum hingegen nur um 2,3 Prozent.

„Was die Kommunen jetzt dringender benötigen denn je, ist frisches Geld“, betonte SPD-Fraktionschef Ott. Dazu müsse der Anteil, den das Land aus seinem Steueraufkommen für die Kommunen zur Verfügung stelle, von derzeit 23 Prozent auf perspektivisch 25 Prozent erhöht werden. Nötig sei zudem eine Neuauflage des Förderprogramms „Stärkungspakt Stadtfinanzen“.

dpa

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