"Einmalzahlungen wird es sicher nicht geben"

Thema Staatsleistungen

Etwa 480 Millionen Euro zahlen die Bundesländer den beiden großen Kirchen jährlich als Ausgleich für Enteignungen im 19. Jahrhundert. Selbst einige hochrangige Kirchenleute plädieren hier für neue Lösungen. Der Druck dafür steigt, sagt der Kirchenrechtler Prof. Thomas Schüller aus Münster im Interview.

MÜNSTER

, 10.02.2015, 17:53 Uhr / Lesedauer: 3 min
Der Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller vom Institut für Kanonisches Recht an der Universität Münster.

Der Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller vom Institut für Kanonisches Recht an der Universität Münster.

Der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff hat sich vor einiger Zeit für einen eigenen Vorschlag der katholischen Kirche zur Ablösung der sogenannten Staatsleistungen ausgesprochen. Es sei an der Zeit, „mit neuen, kreativen Vorschlägen auf die Länder zuzugehen“. Wie könnten diese "kreativen Vorschläge" aus Ihrer Sicht aussehen?

In der Vergangenheit hat es schon erste Modellversuche zu Ablösungen in einzelnen Bundesländern wie Bayern und Hessen gegeben. Diese bezogen sich auf die sogenannten Baudotationen, das heißt in der Regel auf die Verpflichtung der Bundesländer, aber auch oft der Kommunen, für den Bauunterhalt von Kirchen und Klöstern oder auch Wohnungen von leitenden Klerikern aufzukommen. Hier könnte man, wie in Bayern geschehen, zum Beispiel die vom Freistaat gestellten Wohnungen für Domkapitulare im wechselseitigen Einvernehmen zwischen Bistum und Freistaat grundsanieren und dann in den Besitz der Kirche zurückgeben. Ab diesem Zeitpunkt hätte diese dann den Bauunterhalt als Eigentümerin der Wohnungen zu tragen.

Damit wird aber ein Grundproblem deutlich: In der Öffentlichkeit werden zumeist die sogenannten "Personaldotationen" der Länder diskutiert, über die zum Beispiel die Bischofsgehälter mitfinanziert werden. Dabei dürften die Baudotationen der viel bedeutendere Punkt sein, der Länder und Kommunen gleichermaßen betrifft. Dabei geht es zumeist um bedeutende Kirchen, deren Bauunterhalt erhebliche Mittel bindet. Hier zu Ablösungen zu kommen, ist ein komplexer Prozess, der einzelfallbezogene Lösungen erfordert. Zudem können die Länder hier nicht allein als Verhandlungspartner agieren, weil viele Kommunen als Baulastpflichtige ins Spiel kommen. Und deren finanzieller Handlungsrahmen ist ja nicht selten sehr angespannt.

 

Wäre nicht eine Ratenzahlung der Länder möglich, also ein "Abstottern" über einen jährlich zu zahlenden Betrag? In der Verfassung ist ja nirgendwo festgelegt, dass die Ablösung der Staatsleistungen über eine Einmalzahlung erfolgen muss.

Zunächst müssten sich beide Seiten über den Ist-Stand verständigen, bevor eine Zahlungsweise vereinbart wird: Welches Kirchengut wurde von staatlicher Seite enteignet, welche Leistungen wurden bisher aufgebracht, wie sieht es um die erfolgten Wertsteigerungen aus und welche Kompensationen ergeben sich daraus noch für die Zukunft - oder eben nicht mehr? Dies erfordert erhebliche Untersuchungen, bei denen historischer, juristischer und ökonomischer Sachverstand auf beiden Seiten des Verhandlungstisches gefordert ist. Mit populistischen Rufen nach Abschaffung der Dotationen ohne weitere Entschädigung der Kirchen ist hier nichts gewonnen.

Ist dieser Prozess abgeschlossen, ist sicher eine zeitlich länger gestreckte Zahlung von einzelnen Raten der wahrscheinliche Weg, damit die Haushalte der Länder und der Kommunen nicht zu sehr belastet werden. Vor allem bei den Personaldotationen wäre dies ein geeigneter Weg. Bisher zeichnet sich bei den Verhandlungen, die bereits gelaufen sind, der Trend ab, solche Zahlungen über einen Zeitraum von 25 Jahren zu vereinbaren.

 

Für den Fall einer Einmalzahlung der Bundesländer: Wie hoch müsste die Summe zur Ablösung ungefähr ausfallen?

Einmalzahlungen wird es sicher nicht geben, weil dies die Neuverschuldung der Bundesländer in nicht verantwortliche Höhen schrauben würde. Es macht angesichts der Komplexität des Themas auch keinen Sinn, über Summen zu spekulieren.

 

Ist es denkbar, dass die Kirche bei diesem Thema den ersten Schritt macht? Oder muss das zwingend der Staat tun?

Vom Grundgesetz aus betrachtet müsste zunächst der Bundestag in einem Gesetz die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen festlegen. Bisher ist dies nicht geschehen. Der Druck auf beide Kirchen auf diesem Feld zu einer Lösung mit den Ländern und Kommunen zu kommen, ist durch die Finanzskandale in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Mein Eindruck ist, dass vor allem in der katholischen Kirche die Bereitschaft da ist, darüber in Verhandlungen einzutreten.

Allerdings gibt es ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle. Während die staatlichen Dotationen in den nord- und westdeutschen Bundesländern eher gering ausfallen, stellen sie in den süddeutschen Diözesen schon signifikante Einnahmen der Bistümer und Landeskirchen dar, auf die nicht einfach verzichtet werden kann. Von daher ist das wahrscheinlichste Szenario, dass auch ohne ein entsprechendes Ablösungsgesetz des Bundestages zumindest in den nord- und westdeutschen Bistümern mit den entsprechenden Bundesländern Verhandlungen aufgenommen werden, um zumindest über die Personaldotationen zu verhandeln.

Die Bistümer sind es leid, permanent mit dem undifferenzierten "Mantra" konfrontiert zu werden, dass Bischöfe und Domkapitulare direkt von den Ländern bezahlt würden. Die Bistümer können ihre Bischöfe, Domkapitulare und auch Pfarrer gut aus eigenen Kirchensteuermitteln entlohnen.

 

Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass sich bei dem Thema -  trotz der dauerhaften finanziellen Belastung für die Bundesländer - bislang so wenig getan hat?

Es liegt zum einen an der Komplexität des Themas. Zum anderen war die bisherige Vorgehensweise mit regelmäßig im Landeshaushalt eingestellten Steuermitteln ein kalkulierbarer Weg für die Finanzministerien, mit diesem Thema umzugehen. Außerdem spielen sicher auch wahltaktische Überlegungen eine Rolle, weil viele Mitglieder der beiden großen Kirchen solche Verhandlungen sorgfältig beobachten. Und: Die Dotationen sind ein Rechtstitel, auf den die Kirchen nicht einfach verzichten können, da langfristig nicht klar sein dürfte, wie sie ihren Bedarf finanzieren werden.

Derzeit laufen intensive Gespräche zwischen Ländern und Bistümern, um zu einer gemeinsamen Linie zu kommen. Aber das sind Verhandlungen ohne Einbeziehung der Öffentlichkeit. Die Verhandlungen zur Aufteilung des Münsterschen Studienfonds liefen beispielsweise über fast zwei Jahrzehnte, ohne dass irgendwer das mitbekommen hätte.