Die 14-jährige Emily wird sterben, ahnt es aber nicht. Als ein katholischer Priester zur Todkranken will, verweigert die behandelnde Professorin ihm den Zugang. Die Ärztin hat Gründe, sie will die Patientin schonen. Die stirbt, ohne die priesterlichen Sterbe-Sakramente zu erhalten.
Bald steht „Die Ärztin“ im Stück von Robert Icke im Kreuzfeuer. Emilys Vater geht auf die Barrikaden, andere Mediziner auf Distanz.
Rassismusvorwürfe
Die Presse berichtet, Rassismusvorwürfe stehen im Raum, im Internet zieht ein Shitstorm auf. Der Priester ist schwarz, die Ärztin jüdisch, Emily war katholisch.
Bei den Ruhrfestspielen brachte das Schauspiel Hannover am Samstag ein Psychodrama auf die Bühne.
Ausgehend von Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ seziert das Stück die hoch emotionalen Mechanismen einer Debattierkultur, die sich an Identität, Status, „Wokeness“ festmacht. Argumente zählen wenig, wo verfestigte Meinung und Ideologien miteinander im Clinch liegen.
Moral schlägt Kompetenz
Parallelen zu Todd Fields‘ Filmdrama „Tar“ tun sich auf. Auch dort wird eine Autorität zur Zielscheibe. Kompetenz ist zweitrangig, wenn die moralische Integrität einer Fachfrau akribisch durchleuchtet wird.
Eine intelligente Arbeit am Puls der Zeit. Komplexes Thema und pointierte Dialoge, die in Stefan Puchers Inszenierung nicht zum trockenen akademischen Diskurs geraten, sondern Verve, Feuer, Furor versprühen.
Spannendes Theater
Dank des gut aufgelegten Ensembles um die herausragende Johanna Bantzer als Ärztin mit jüdischen Wurzeln. Ihre Ruth ist Gründerin und Leiterin einer Klinik, die sich nun einem Tribunal gegenübersieht. Hat sie einen Schwarzen rassisch diskriminiert? Aus einer Position elitärer jüdischer Arroganz heraus?
Im TV-Talk regieren Lagerdenken und Kampfbegriffe: Antisemitismus, struktureller Rassismus. Die Politik interveniert, Ruth nimmt ihren Hut. Spannendes Theater über die Hitzewallungen einer Zeit, die die Konfrontation sucht und nur noch Freund oder Feind kennt.
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