Eine Folk-Ikone, die von Zeitlosigkeit lebt

Joan Baez in Bonn

Beim ausverkauften Konzert von Joan Baez auf dem Bonner Kunst!Rasen herrschte die entspannte Atmosphäre eines Wohnzimmer-Konzerts. Mit ihrer Sopranstimme, die klar wie eh und je klingt, verführte die US-amerikanische Folk-Ikone das Publikum zum intensiven Zuhören.

Bonn

08.07.2015, 22:53 Uhr / Lesedauer: 1 min
Ein Becher, ein Glas und Joan Baez. Foto: Estela Silva

Ein Becher, ein Glas und Joan Baez. Foto: Estela Silva

Dass es etwas zugig ist, stört niemanden, mancher Alt-68er mag in seiner jugendlichen Protestphase auf Demos widrigere Witterungsverhältnisse erlebt haben.

Als Joan Baez den Song "Silver Dagger" von ihrem Debütalbum anstimmt, meint sie, das müsse vor 100 Jahren passiert sein. In Wahrheit sind es aber "nur" 50, und wie viele Songs ihres Repertoires lebt auch dieser von einer Zeitlosigkeit, die maßgeblich von der Authentizität der Interpretin genährt wird.

Feine Akzente

Begleitet von Dirk Powell, einem Multiinstrumentalisten der feinen Akzente, sowie ihrem Sohn Gabriel Earl Harris an der Perkussion, stimmt sie "It`s All Over Now, Baby Blue", einen Klassiker von Bob Dylan, an. Mit ihm war die heute 74-Jährige in den Sechzigern liiert und beide galten als so etwas wie das Traumpaar der amerikanischen Bürgerrechts- und Protestbewegung.

Zum Songende stimmt ein sichtlich berührtes Publikum in den Refrain ein. Im Repertoire sind zahlreiche Klassiker wie ihr "Joe Hill", das sie damals hochschwanger auf dem Woodsttock-Festival gesungen hat. Sie singt auch weitere Cover, darunter Kris Kristoffersons "Me And Bobby McGhee", "The House of the Rising Sun" und mit "Don`t Think Twice, It`s Alright" einen weiteren Dylan-Klassiker.

Besonderer Zauber

Man hat diese Songs bereits 1000fach gehört, aber wenn Joan Baez sie singt, dann verströmt ihre Stimme einen besonderen Zauber und es ist, als würde man die Folk-Gassenhauer zum ersten Mal hören. Ein komplette Überraschung gelingt ihr, als sie das Lied "Wenn unsere Brüder kommen", ein Plädoyer für gelebten Pazifismus von Konstantin Wecker, mit Hilfe eines Lautschrift-Spickzettels intoniert und dafür mit reichlich Applaus belohnt wird.

"Gracias a la vida" lautet der Titel eines weiteren umjubelten Baez-Klassikers, während der frenetische Applaus zu Konzertende eher ein "Danke für dieses Konzert" zum Ausdruck bringt.