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Eine der ältesten Kettenschmieden Fröndenbergs durch Zufall entdeckt
Ruine zu verkaufen
Ihre Geschichte reicht bis tief ins 19. Jahrhundert: Eine Bauruine samt Einfamilienhaus steht in Fröndenberg zum Verkauf. Der Stadtarchivar macht bei ersten Recherchen ein verborgenes Zeitzeugnis aus.
Dem Laien mag die historische Bedeutung auf den ersten Blick nicht auffallen: Mitten in Fröndenberg kann eine Bauruine als einer der frühesten Standorte von Kettenschmieden in der Stadt gelten. Blicke fallen ohnehin schwer: Das Grundstück liegt zentral, ist aber dennoch verborgen.
Vordergründig scheint hier nur ein Einfamilienhaus verkauft zu werden. Doch schon der Preis macht stutzig: Ganze 85.000 Euro werden dafür aufgerufen. Eine von der Immobilienmaklerin selbst so benannte Bauruine gibt es obendrauf.
Ist das der Pferdefuß? „Man braucht jemanden, der viel Geld hat“, räumt Marion Kappenstein ein. Das 950 Quadratmeter große Grundstück ist steil in den Hang bebaut worden: An der Straßenseite steht das Wohngebäude, im Hinterland ein knapp hundert Quadratmeter großer Ziegelbau.

Wohnen oder arbeiten im historischen Gemäuer: Einer der ältesten Standorte des Kettenschmiedehandwerks wird in Fröndenberg im Kreis Unna veräußert. Zu der alten Handwerkshalle, die mittlerweile Bauruine ist, gehört ein Wohnhaus aus demselben Baujahr: 1860. © privat
Der hat schon kein Dach mehr „und in dem offenen Gebäude hat sich die Natur breit gemacht“, weiß Kappenstein. Wohnhaus und Ruine an der Bergstraße sind im Jahr 1860 errichtet worden. Wer die Hanglage künftig ausnutzen wolle, müsse schon „mit schwerem Gerät“, so Kappenstein, durch das nicht gerade einfach zugängliche Gelände roden. Für das Vorderhaus müsse man empfehlen: abreißen oder umbauen. Neu bauen dürfte man wiederum nur auf dem hinteren Teil des Grundstücks, wo jetzt noch das alte Werksgemäuer steht – die heutigen Abstandsgebote im Baurecht ließen an der Straße zu wenig Platz für einen Neubau übrig.

In steiler Hanglage hat man die Kettenschmiede 1860 einst errichtet; womöglich weil man Wasser eines Bachlaufs für den Antrieb der Gesenke nutzen wollte. © privat
Doch was für eine Ruine, aus der schon Bäumchen aus den Sprossenfenstern sprießen, steht zum Hang hin eigentlich? „Eine alte Kettenschmiede“, weiß Kappenstein, die ein Vorfahr des früheren Fröndenberger Bürgermeisters Friedhelm Westermann betrieben haben soll.
Während die Geschäftsfrau eher an einer Nachnutzung interessiert ist, wird Stadtarchivar Jochen von Nathusius hellhörig, als unsere Redaktion ihn mit Kappensteins Informationen konfrontiert.
Nathusius blättert in dieser Woche in alten Stadtplänen, Straßenverzeichnissen und selbst Telefonbüchern von Fröndenberg und ist sich am Ende ziemlich sicher: „Als Standort von Kettenproduktion dürfte es einer der ältesten Standorte in Fröndenberg sein“, so der Diplom-Archivar.

Viel Geld müsse schon investieren, wer hier etwas Schönes entwickeln will, räumt die Immobilienmaklerin ein. © privat
Ulmke, Seuthe und Köhle, die sogenannte „Firma“ an der Ardeyer Straße von 1866, wird in der Literatur stets als einer der ältesten Kettenstandorte Fröndenbergs genannt. Und natürlich die Ur-Kettenschmiede von Prünte senior, der schon 1858 auf dem Sodenkamp ein Schmiedefeuer anzündete, Keimzelle für die großen Betriebe seiner Söhne Wilhelm, Heinrich und Friedrich.

Vom geplanten Umbau der Fabrikhalle an der Bergstraße existiert noch dieser Plan aus dem Jahr 1949, der von dem bekannten Architekten Josef Kulczak aus Fröndenberg entworfen worden war. © privat
Fröndenberger Ziegel
- Die alte Kettenschmiede an der Bergstraße ist laut Marion Kappenstein aus „Fröndenberger Ziegel“ erbaut worden.
- Die frühere Ziegelei im heutigen Industriegebiet Atlantik stellte einst Ziegel für Mauerungen im Bergbau her.
- Bruchmaterial, das zu lange in den Öfen, damit zu hart und für die Zwecke des Bergbaus nicht mehr formbar war, verkaufte die Ziegelei verbilligt an Fröndenberger Häuslebauer.
- Allenfalls mit dem Diamantbohrer, so Jochen von Nathusius, ließen sich diese harten Ziegelsteine bearbeiten. Das Verbauen der Steine beim Hausbau sei problemlos möglich gewesen, ein Bild aufzuhängen werde in solchen Häuser, die vor 1945 entstanden sind, allerdings zum Problem.
Der Standort Bergstraße, Baujahr 1860, aber ist auch von Nathusius neu. Er entdeckt noch mehr, allerdings sind es offenbar bereits Nachfolger der ursprünglichen vermuteten Heimkettenschmiede.
Am 7. November 1924 ist von Wilhelm Westermann die Westfälische Gleitschutzkettenfabrik unter dieser Adresse eingetragen worden. Offenbar ist er der Vater des nachmaligen Fröndenberger Bürgermeisters, Jahrgang 1924.
Die Produktion wird nach dem Tod von Wilhelm Westermann, der 1972 stirbt, im selben Jahr eingestellt, der Betrieb im Herbst 1973 ganz aufgegeben.
In Röttgermanns bekanntem Band „Die Geschichte der Industrie des Wirtschaftsraums Menden-Fröndenberg“ findet Nathusius schließlich auch die Westermannsche Fabrik: Sie zähle unter den kleinen Kettenschmieden in Fröndenberg immerhin „zu den bedeutenden“.
Zahlreiche Relikte, ähnlich verborgen wie die Bauruine an der Bergstraße, zeugten im Fröndenberger Stadtgebiet noch von der großen Zeit der Heimkettenschmieden, weiß Nathusius – die alte Westermannsche Fabrik wartet nun schon seit einiger Zeit darauf, dass Neues an ihrer Stelle entsteht.
Geboren 1972 in Schwerte. Leidenschaftlicher Ruhrtaler. Mag die bodenständigen Westfalen. Jurist mit vielen Interessen. Seit mehr als 25 Jahren begeistert an lokalen Themen.
