Drittes Entlastungspaket: Das sind die neuen Maßnahmen im Detail

Energiekrise

Die Ampel-Koalition hat sich auf ein drittes Entlastungspaket geeinigt. Von der Strompreisbremse bis zum 9-Euro-Ticket-Nachfolger - die Beschlüsse im Überblick.

Berlin

05.09.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die Ampel-Koalition von Kanzler Olaf Scholz (SPD) will Bürgerinnen und Bürger angesichts steigender Preise mit einem dritten Unterstützungspaket in Höhe von mehr als 65 Milliarden Euro entlasten.

„Deutschland steht zusammen in einer schwierigen Zeit. Wir werden als Land durch diese schwierige Zeit kommen“, sagte Scholz in Berlin bei der Vorstellung der Ergebnisse der Beratungen des Koalitionsausschusses. Die ersten beiden Entlastungspakete hatten zusammen einen Umfang von 30 Milliarden Euro.

Das Paket umfasst folgende Maßnahmen:

  • Neues bundesweites Nahverkehrsticket: Die Ampel-Koalition will ein neues bundesweit gültiges Nahverkehrsticket schaffen. Ziel sei eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat, heißt es im Beschlusspapier des Koalitionsausschusses von SPD, Grünen und FDP, das am Sonntag in Berlin veröffentlicht wurde. Die Länder müssen der Finanzierung noch zustimmen.
  • Energiepauschale für Rentner und Studierende: Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Studierende und Auszubildende sollen einmalig 200 Euro erhalten. Für Berufstätige war bereits eine Energiepreispauschale von 300 Euro auf den Weg gebracht worden.
  • Strompreis für Basisverbrauch soll vergünstigt werden: Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt.
  • CO2-Preis: Die am 1. Januar anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr auf 2024 verschoben, auch die Folgeschritte sollen sich verschieben. Heute liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne.
  • Regelsatzerhöhung für Bedürftige: Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres wollen SPD, Grüne und FDP die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöhen. Heute erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat.
  • Kindergelderhöhung um 18 Euro: Die Ampelkoalition will Familien spürbar entlasten. So soll das Kindergeld deutlich steigen. Es soll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen. „Das ist für viele eine große Verbesserung“, sagte Scholz in der Pressekonferenz. „Gerade wenn mehrere Kinder im Haus sind.“
  • Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger: Ein weiterer Heizkostenzuschuss soll im Herbst an die Wohngeldbeziehenden gehen. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt. Im Zuge der für Jahresbeginn geplanten Wohngeldreform soll er dann zur dauerhaften Komponente des Wohngelds werden. Zudem soll der Kreis der Wohngeldberechtigten auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden. Ende 2020 hatten laut Statistik-Amt 618.200 Haushalte Wohngeld bezogen.
  • Bürgergeld: Bedürftige sollen mit der für 1. Januar geplanten Weiterentwicklung des heutigen Hartz-IV-Systems zu einem Bürgergeld um 50 Euro höhere Regelsätze erhalten - etwa 500 Euro monatlich. Dies soll durch einen „Paradigmenwechsel“ (Bundeskanzler Olaf Scholz) geschehen: Bei der Berechnung der Sätze soll künftig schon die zu erwartende Inflation im Jahr der Anpassung berücksichtigt werden - bisher wurden nur zurückliegende Werte angesetzt.
  • Midi-Jobs: Beschäftigung knapp über der Mini-Job-Schwelle mit geringeren Sozialbeiträgen soll erleichtert werden. Die sogenannten Midi-Jobs sollen künftig monatlich bei bis zu einem Verdienst von 2000 Euro liegen können.
  • Steuerentlastung: 48 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Steuer entlasten werden. Dazu soll an Stellschrauben des Einkommensteuertarifs gedreht werden. Steuererhöhungen infolge der Inflation sollen verhindert werden. Denn durch die sogenannte kalte Progression droht vielen Menschen unter anderem, dass ihre Kaufkraft sinkt.
  • Steuerfreie Prämie: Der Bund bietet Arbeitgebern und Beschäftigten an, dass er auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn Unternehmen zusätzliche Zahlungen an ihre Beschäftigten bis zu 3000 Euro leisten.
  • Weitere Steuerschritte: Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können; Renten sollen künftig in der Auszahlungsphase besteuert werden. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober auf 7 Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale soll entfristet und verbessert werden.
  • Kurzarbeit, Gastronomie, Mieter: Ein wegen des Corona-Abschwungs eingeführter erleichterter Zugang zur Kurzarbeit soll verlängert werden - ebenso die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent. Mieterinnen und Mieter sollen gegebenenfalls vor einer Überforderung durch steigende Nebenkostenvorauszahlungen geschützt werden. Strom- und Gassperren sollen vermieden werden.
  • Unternehmenshilfen: Energieintensive Unternehmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, sollen mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hoher Energiepreise die Produktion temporär einstellen müssen.

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten etwa 18 Stunden lang bis zum Sonntagmorgen über Details verhandelt. Neben Scholz nahmen unter anderem Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Beratungen teil. Auch weitere Minister sowie die Spitzen der drei Bundestagsfraktionen und Parteien waren im Kanzleramt versammelt.

Scholz betonte, mit den ersten beiden früher im Jahr beschlossenen Paketen komme man nun auf insgesamt 95 Milliarden Euro. Es gehe um sehr viel Geld, aber die Ausgaben seien notwendig. Zum Ziel der Entlastungen sagte er: „Es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen.“ Viele Menschen machten sich derzeit Sorgen. „Wir nehmen alle diese Sorgen sehr, sehr ernst.“ Erneut betonte Scholz: „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen.“

„Zufallsgewinne“ sollen genutzt werden

Der Kanzler kündigte an, dass übermäßige Gewinne am Strommarkt abgeschöpft werden sollen. Er sprach von einer „großen und dramatischen Entlastung“ auf dem Strommarkt. „Die erste Aufgabe ist also, solche Zufallsgewinne zu nutzen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.“

Im Beschlusspapier steht dazu: „Zudem werden auf europäischer Ebene Möglichkeiten der Abschöpfung von Zufallsgewinnen von Energieunternehmen diskutiert, die in der aktuellen Marktlage aufgrund des europäischen Strommarktdesigns deutlich über die üblichen Renditen hinausgehen. Dazu gehören insbesondere Erlös- bzw. Preisobergrenzen für besonders profitable Stromerzeuger.“

Scholz machte den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen dessen Angriffskriegs auf die Ukraine für die schwierige Lage auch in Deutschland verantwortlich. Der Krieg habe Folgen auch für Engpässe bei der Energieversorgung: „Putins Russland ist vertragsbrüchig geworden“, es erfülle seine Lieferverträge schon lange nicht mehr. Scholz ergänzte: „Russland ist kein zuverlässiger Energielieferant mehr.“ Der Kanzler äußerte sich zugleich zuversichtlich, dass man die schwierige Zeit überstehen werde: „Wir werden durch diesen Winter kommen“, sagte er.

Was bisher zur Entlastung beschlossen wurde

Bisher wurde bereits der Strompreiszuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) abgeschafft, es gibt eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Beschäftigten und eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, das Kindergeld wurde einmalig um 100 Euro pro Kind aufgestockt, drei Monate lang bis August wurde der Spritpreis gestützt, und es gab für die Monate Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.

dpa

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