
© Meike Holz
Regina Böckenhoff erzählt den Menschen, wie das Landleben wirklich ist
Landwirtschaft
Landwirtin, Mutter von vier Kindern und Ehrenamt: Für die neue Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes kommt viel zusammen. Auf Instagram gibt sie Einblicke in ihren Alltag.
Als auf dem Bauernhof der Familie Böckenhoff mal so etwas wie Ruhe und Beschaulichkeit einkehren will, hat Hundedame Ella ganz andere Pläne. Acht Welpen hat sie in diesen Tagen zur Welt gebracht. Und die Aufregung ist natürlich groß - vor allem bei Laurenz (13), Justus (12), Flora (9) und Carla (8). Das sind die vier Kinder von Regina und Paul Böckenhoff. Das Ehepaar führt in Dorsten-Lembeck einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Sauen- und Weiderinderhaltung. Für die 39-jährige Mutter wird der Alltag jetzt noch ein bisschen stressiger: Seit Februar ist Regina Böckenhoff Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Recklinghausen. Nun muss sie nicht nur das Wohl ihres eigenen Hofes, sondern die Interessen von 922 Betrieben im Kreis Recklinghausen sowie in Bottrop und Gelsenkirchen im Blick haben.
Die erste Frau an der Spitze des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes
Betrieb, Familie und jetzt auch noch zahlreiche Verpflichtungen als Verbandsrepräsentantin: Wie bringt die Mutter von vier schulpflichtigen Kindern dieses breite Spektrum an unterschiedlichen Aufgaben unter einen Hut?
„Ich habe lange überlegt, ob ich mich für dieses sehr umfangreiche Ehrenamt bewerben soll“, sagt die 39-Jährige. Zumal die Fußstapfen ihres Vorgängers Friedrich Steinmann (67), der 25 Jahre lang den Kreisverband geführt hat, ja auch recht groß seien. Jetzt ist Regina Böckenhoff die erste Frau, die an die Spitze des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes gewählt worden ist.

Tiere gehören zum Leben von Regina Böckenhoff einfach dazu. Hundedame Ella hat auf dem Hof kürzlich für Aufregung gesorgt. © Meike Holz
Der Tag im Hause Böckenhoff beginnt um 6 Uhr morgens. Die Kinder machen sich fertig für den Schulbesuch, müssen teilweise dorthin gefahren werden. Denn im Tal des Midlicher Mühlenbaches, wo der Hof Böckenhoff liegt, gibt es keine Bushaltestelle vor der Haustür. Und während Ehemann Paul (53) sich zunächst einmal um die Versorgung der Tiere kümmert, erledigt Regina Böckenhoff die notwendigen Büroarbeiten.
An Bürokratie, sagt sie, mangelt es in der Landwirtschaft nicht. Neben Aufgaben in Haushalt und Garten lässt es sich die Landwirtin aber auch nicht nehmen, bei den Geburten der Ferkel zu assistieren. Der abendliche Rundgang durch den Stall ist zudem längst zu einem liebgewonnenen Ritual geworden.
14 Mitarbeiter und die Schwiegermutter: „Wie eine Großfamilie“
14 Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten, darunter fünf Teilzeitkräfte, helfen den Böckenhoffs bei den vielfältigen Arbeiten. „Wir sind wie eine Großfamilie“, sagt Regina Böckenhoff. Nicht nur die Schwiegermutter, auch ein Teil der Beschäftigten wohnt auf dem Hof, der seit kurzem zusätzlich noch eine Familie aus der Ukraine beherbergt. „Auf diese Weise haben unsere Kinder immer jemanden, den sie ansprechen können“, betont die Hausherrin, „auch wenn wir Eltern mal nicht zur Verfügung stehen.“
Eine typische Landjugend-Geschichte...
Regina Böckenhoff ist als ältestes unter vier Geschwisterkindern auf einem Milchviehbetrieb in Gelsenkirchen-Resse aufgewachsen. Klar war, dass der Bruder eines Tages den elterlichen Hof übernehmen wird. Doch als Jugendliche half Regina beim Melken, machte einen Treckerführerschein und fand immer mehr Freude an der Landwirtschaft.
So reifte der Entschluss, nach dem Abitur selbst eine landwirtschaftliche Ausbildung zu machen und später Agrarwirtschaft zu studieren. Ihren späteren Ehemann lernte sie während der Ausbildung kennen, die sie teilweise auf einem Betrieb in Lembeck absolvierte. Eine typische Landjugend-Geschichte mit (zufälligen) Begegnungen im Schweinestall und auf Schützenfesten...
Doch fernab der Dorf-Romantik ist Landwirtschaft längst ein Wirtschaftszweig, in dem es für viele Betriebe ums wirtschaftliche Überleben geht. Die Preiskämpfe mit Lebensmitteldiscountern und Molkereien, Exporteinbrüche wegen der in Deutschland aufgetretenen Afrikanischen Schweinepest, Diskussionen um Tierwohl und Grundwasserschutz - das alles zehrt an Nerven und Kräften der Betriebsinhaber. Und jetzt auch noch die Kostenexplosion bei Energie, Futter und Dünger wegen des Ukraine-Kriegs. „Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen sind im Moment noch gar nicht absehbar“, betont Paul Böckenhoff.

Carla Böckenhoff (8) kümmert sich liebevoll um die Hundewelpen. © Meike Holz
Zu zeigen, wie es in der Landwirtschaft wirklich zugeht, das ist ein Herzensanliegen von Regina Böckenhoff. Schon in der Schule in Gelsenkirchen wurde ihr diese Rolle zuteil. Als einzige Schülerin vom Bauernhof war sie in der Klasse bei landwirtschaftlichen Themen eine gefragte Person. „Und auch die Klassenfeten fanden immer bei uns auf dem Hof statt.“
„Tour de Buur“: Ein besonderes Format der Öffentlichkeitsarbeit
Heute betreibt die 39-Jährige einen eigenen Instagram-Kanal (@farmconfetti), auf dem sie über das bunte Landleben berichtet. Mit dem Projekt „Tour der Buur“ hat sie zudem mit Berufskollegen und im Namen des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes ein ganz besonderes Format der Öffentlichkeitsarbeit geschaffen: Etwa 30 geführte Touren im Jahr zu neun verschiedenen landwirtschaftlichen Themen können von interessierten Bürgern, aber auch von Schulklassen oder Vereinen gebucht werden. Per Fahrrad geht es dann für die Teilnehmer durch den ländlichen Norden Dorstens.
„Die Leute sind dankbar für authentische Eindrücke“
„Wir haben eine vielfältige und spannende Landwirtschaft im Kreis Recklinghausen“, sagt Regina Böckenhoff. Ein Großteil der Verbraucher kenne jedoch nichts anderes als die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln im Supermarkt. „Meine Erfahrung ist: Die Leute, die wir dann über unsere Höfe führen, sind dankbar für authentische Einblicke“, berichtet die Kreisverbandsvorsitzende. Auf der anderen Seite sieht sie ihren Berufsstand aber auch in der Pflicht, sein Tun und Handeln immer wieder kritisch zu hinterfragen. „Wir müssen die Distanz zwischen Landwirten und Verbrauchern verringern. Das halte ich für ganz wichtig.“
Geboren 1960 in Haltern am See, aufgewachsen in Marl und jetzt wohnhaft in Dorsten: Ein Mensch, der tief verwurzelt ist im Kreis Recklinghausen und dort auch seit mehreren Jahrzehnten seine journalistische Heimat gefunden hat. Schwerpunkte sind die Kommunal- und Regionalpolitik sowie Wirtschafts- und Verbraucherthemen.