Die Zeit für einige Dortmunder Pflegeheime wird knapp: Ein Viertel der stationären Pflegeeinrichtungen erfüllt aktuell eine neue gesetzliche Vorgabe für Einzelzimmer nicht. Und das nach 15 Jahren Übergangszeit. Ab dem 1. August müssen Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen 80 Prozent Einzelzimmer anbieten. Auch die Bäder müssen in vielen Fällen umgerüstet werden. Stand Ende Juni erfüllen aber nur 46 der 61 stationären Einrichtungen in Dortmund die gesetzlichen Vorgaben, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Den übrigen drohen Maßnahmen der Heimaufsicht bis zu Wiederbelegungssperren für diese Zimmer. 109 Pflegeplätze könnten dadurch in Dortmund wegfallen.
Klar ist aber: Kein Bewohner muss ein Zimmer verlassen. Nur im Falle einer Wiederbelegung könnte das Zimmer gesperrt werden, die Wartelisten könnten etwas länger werden.
Doppelzimmer sollen die Ausnahme werden
Worum geht es eigentlich? Bis Ende Juli dürfen die Pflegeeinrichtungen in NRW nur noch 20 Prozent Doppelzimmer haben, 80 Prozent müssen Einzelzimmer sein. Zudem muss es auch ausreichend Sanitärräume in Form von Einzel- oder zumindest Tandembädern geben. Tandembäder sind mit zwei Zimmern verbunden. Bei Neubauten sind Einzelbäder verpflichtend. Einrichtungen, die dagegen verstoßen, droht ein Wiederbelegungsverbot der Zimmer.
Welche Heime sind betroffen?
Welche Heime die Vorgaben nicht einhalten, teilen aus Datenschutzgründen weder Stadt noch Land mit. Auf Nachfrage sehen sich die großen Betreiber in der Stadt eher nicht betroffen.
Der Caritasverband teilt mit, die Vorgaben bis zum 1. August in allen Einrichtungen umgesetzt zu haben. Das beteuert auch Alloheim. Derzeit liefen an einem der Standorte in der Region Umbauarbeiten. Der private Pflegekonzern betreibt in Dortmund sechs Pflegeheime, wobei die Senioren-Residenz in Körne derzeit grundsaniert wird.
Der Dortmunder Betreiber Comunita, eine Tochter des französischen Pflegekonzerns Orpea, fühlt sich mit seinen drei Häusern in der Stadt gut aufgestellt: „In fast allen Comunita-Häusern liegt die Einzelzimmerquote bei 100 Prozent und in keinem unter 80 Prozent.“

Nach den Plänen von Sozialminister Laumann sollen Heime ihre überzähligen Doppelzimmer für Kurzzeitpflegeplätze nutzen. © picture alliance / dpa
Die fünf Seniorenzentren der AWO Westliches Westfalen in Dortmund schaffen nach eigenen Angaben die Vorgaben allesamt, die Seniorenzentren in Kirchlinde und Erna-David im Süden aber auch nur punktgenau mit genau 80 Prozent Einzelzimmern.
Die Städtischen Seniorenheime werden die Quote auch im August nicht erreicht haben, brauchen aber keine Konsequenzen zu fürchten. An den Standorten Schützenstraße und Luisenglück in Hombruch werden aktuell zwei Ersatzneubauten errichtet, um die 80-prozentige Einzelzimmerquote zu erfüllen. Die Gebäude werden zwar nicht zum Stichtag fertig, erfüllen durch die erfolgte Baugenehmigung aber einen Ausnahmetatbestand.
Wie steht es um die Pflege?
Alt werden – das wollen alle. Aber wie? Der Pflegenotstand beherrscht die Schlagzeilen. Wie steht es aber um die Pflege in der Region? Ein Blick auf die aktuelle Situation und in die Zukunft:- Pflegequalität: Wer kontrolliert die Pflegeheime?
- Pflegekräfte fehlen: Pflegende Hände dringend gesucht
- Heime und Investoren: Heim-Qualität hängt nicht vom Träger ab
- Digitalisierung in der Pflege: Mehr als der Pflegeroboter
- Interview mit NRW-Gesundheits- und Sozialminister Laumann: „Pflegenoten führen in die Irre“
- Einzelzimmer statt Doppelzimmer: Die Quote kommt
In Dortmund hat sich schon viel getan
Auch wenn noch 15 Pflegeheime die 20-Prozent-Einzelzimmer-Quote nicht erfüllen: In den vergangenen Jahren hat sich in Dortmund viel getan. Noch vor zwei Jahren war fast ein Drittel der Pflegeplätze im Doppelzimmer. Wenn nun 109 Pflegeplätze durch eine Wiederbelegungssperre bedroht sind, sind das nur 1,9 Prozent der 5886 stationären Pflegeplätze, die im letzten Pflegebericht aufgelistet werden. Damit liegen die Dortmunder Seniorenheime knapp unter dem Landesdurchschnitt. „Nach einer Abfrage gehen wir derzeit davon aus, dass durch gegebenenfalls erforderliche Wiederbelegungssperren maximal 1,6 Prozent der in Nordrhein-Westfalen vorhandenen Pflegeplätze betroffen sein könnten“, sagt NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) dieser Zeitung. Ende Juli wisse man mehr. Vor wenigen Wochen hatte sogar ein Verlust von vier Prozent der Pflegeplätze im Raum gestanden.
Teile der Pflegebranche hatten sich zuletzt gegen diese Reform des Wohn- und-Teilhabe-Gesetzes (WTG) gewehrt. Zum Ärger von NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU): „Die Heime hatten 15 Jahre Zeit und haben nichts gemacht. Jetzt soll ich für die die Frist verlängern? Was soll ich denn bitte denjenigen sagen, die sich rechtzeitig auf den Weg gemacht haben?“
Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die NRW-Regelung aus dem Jahr 2002 noch weich geraten. Die verpflichtende Einzelzimmer-Quote ab August liegt bei 80 Prozent, in Bundesländern wie Baden-Württemberg dagegen bei 100 Prozent. Doppelzimmer in Pflegeeinrichtungen sind damit verboten. Allerdings war es hier bei der Einführung nach Medienberichten zu Engpässen und längeren Wartelisten gekommen.
Zusätzliche Plätze für Kurzzeitpflege
Wer bis jetzt nicht reagiert hat, für den wird die Zeit bis Ende Juli äußerst knapp. Pflegeheimbetreiber können eine Wiederbelegungssperre nur vermeiden, wenn sie wie die Städtischen Seniorenheime schon eine Baumaßnahme begonnen haben oder wenn sie bis 2023 auf die Förderung durch Pflegewohngeld verzichten. Eine dritte Option ist deutlich spannender – besonders für Pflegebedürftige. Die Heime dürfen in einer Übergangszeit bis Juli 2021 ihre überzähligen Doppelzimmer für Kurzzeitpflege anbieten. In Dortmund werden vier Heime diese Möglichkeiten nutzen. Zwei Betreiber hätten dies für vier Einrichtungen angemeldet, teilt die Stadt mit. Welche Heime das sind, teilt sie nicht mit. In insgesamt 28 Doppelzimmern würden dann Kurzzeitpflegeplätze entstehen.
„Im Krankenhaus ist das Mehrbettzimmer auch Standard“
Was Betroffene freut, ist bei Betreibern wegen der Kosten nicht geschätzt. Und auch die Dortmunder Stiftung Patientenschutz übt Kritik an dieser Ausweichmöglichkeit für Heimbetreiber. „Natürlich gibt es einen großen Bedarf an weiteren Kurzzeitpflegeplätzen“, sagt Stiftungsvorstand Eugen Brysch: „Es ist aber absurd, auf diese Weise Heimbetreiber zu belohnen, die 15 Jahre verschlafen haben, einen gesetzlichen Auftrag umzusetzen.“
Sozialminister Laumann sieht das gelassen. „Da bin ich Pragmatiker“, sagt er dieser Zeitung: „Uns fehlen die Kurzzeitpflegeplätze. Es ist ja schon ein Unterschied, ob ich das Zimmer die letzten drei Jahre meines Lebens mit jemandem teilen muss oder ich mal für drei Wochen in Kurzzeitpflege bin. Im Krankenhaus ist das Mehrbettzimmer auch Standard. Deshalb finde ich das vor meinem Gewissen vertretbar.“