Doppelschau zeigt Wandel an der Ruhr

Fallende Schornsteine, wütende Arbeiter und Zechenhäuser mit vernagelten Fenstern - diese Bilder produziert das innere Auge beim Stichwort «Strukturwandel Ruhrgebiet».

Essen (dpa)

von Von Rolf Schraa, dpa

, 23.09.2010, 16:40 Uhr / Lesedauer: 2 min

Dicht an dicht hängen die Fotos in der Ausstellung «Alles wieder anders. Fotografien aus der Zeit des Strukturwandels».

Dicht an dicht hängen die Fotos in der Ausstellung «Alles wieder anders. Fotografien aus der Zeit des Strukturwandels».

Doch die Realität war komplizierter: Mit dem Zechen- und Hochofensterben siedelten sich zugleich völlig neue Betriebe an - etwa der Logistik - es gab reihenweise Hochschulgründungen und eine neue Freizeitkultur, die auch Arbeit schuf.

Heute lebt die Region - bei weiterhin überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit - zu 70 Prozent von Dienstleistungsjobs. Zum Kulturhauptstadtjahr zeichnet das Ruhr Museum den Prozess in der bislang umfangreichsten Foto-Doppelausstellung zum Thema nach. Dabei ist der Standort im einstigen Kokskohlebunker der 1986 geschlossenen Essener Zeche Zollverein selbst das größte Ausstellungsstück.

Über 400 Fotografien aus dem gewaltigen Bildarchiv des Ruhr Museums zeigen unter dem Motto «Alles wieder anders. Fotografien aus der Zeit des Strukturwandels» die Zeit der 70er bis 90er Jahre im Revier. Es war die Zeit der Stahlkrise, die etwa in Duisburg-Rheinhausen an der legendären «Brücke der Solidarität» 1988 Zehntausende Demonstranten auf die Beine brachte. «Wer hat uns verraten», sprayten damals wütende Arbeiter auf die Steinplatten vor dem Düsseldorfer Landtag, wie ein Bild zeigt. Arbeitslose mussten Maschinenteile auf dem verwaisten Krupp-Gelände in Duisburg ausschlachten - doch danach ging es dort weiter mit einem Logistik-Center.

Neuanfang auch bei Peter Hülsender aus Oberhausen, der 1975 das erste Fitnessstudio im Revier gründete, wie die Ausstellung zeigt: Wo immer weniger Menschen bis zur körperlichen Erschöpfung arbeiteten und Zehntausende zwangsweise tagsüber freihatten, blühte in der Region eine neue Massen-Freizeitkultur - zum Beispiel in zahlreichen neu geschaffenen Revierparks und Schwimmbädern oder in den Theatern und Konzerthäusern, die vom Staat vielfach gefördert dem Substanzverlust der Region etwas entgegensetzen sollten.

Die Ausstellung in den dicken, rußgeschwärzten Wänden des Kohlebunkers ist geschickt aufgebaut: Ein breiter Mittelgang mit großformatigen Foto-Abzügen quer zur Laufrichtung an der Decke lockt den Besucher in die Fotostrecken rechts und links. Kein einziger Nagel wurde eingeschlagen - das Gebäude ist denkmalgeschützt - alles hängt an mit Klemmen gesicherten Stahlkonstruktionen.

Den Kontrapunkt zur Schau der jüngsten Vergangenheit, an die sich viele Besucher noch persönlich erinnern werden, bildet die zweite Fotoausstellung «Schwarzes Revier». Sie umfasst 127 Schwarzweißbilder des Journalisten und späteren «Stern»-Chefredakteurs Heinrich Hauser (1901-1955) aus den späten 20er Jahren. Damals war der «Pott» als Zentrum der Stahl- und Kohleindustrie wirklich noch schwarz.

Der Katalog enthält einen Nachdruck der legendär gewordenen Reisebeschreibung aus dem Revier, die Hauser Ende der 20er verfasste und mit eigenen Bildern illustrierte. Die Doppelschau läuft vom 27.9.2010 bis zum 16.2.2011.

www.ruhrmuseum.de