Die zehn Sternstunden im Harenberg-Haus
Rückblick auf eine Ära
Alle waren da: Loriot ebenso wie Günther Grass, David Garrett und Will Quadflieg. Mehr als 5000 Gäste haben in über 2000 Veranstaltungen im Dortmunder Harenberg-Haus fasziniert, zum Lächeln oder Staunen gebracht. Das HCC war eine Landmarke für die Kultur in der ganzen Region. Jetzt endet diese Ära nach 21 Jahren: Viele der 2000 Abende im Dortmunder Harenberg-Haus wird das Publikum nie vergessen. Dies sind unsere Top-Ten:
- Will Quadflieg rezitierte 1998 im März mit 83 Jahren (!) den kompletten "Faust 1" von Goethe. Auswendig. Pausenlose, fesselnde zwei Stunden lang. Acht Monate später kam er zurück und sprach "Faust 2" auswendig.
- "Hier soll ich singen?" - Hermann Prey konnte es nicht fassen, dass die große Halle die Bühne für Schuberts "Winterreise" sein sollte. Der Bariton ließ sich überreden und gab dann eines der letzten Konzerte vor seinem Tod. Ein großer Abend.
- "55 vor 12" hieß von 1994 bis 1999 das Silversterfest am Mittag. Jürgen Uter stolperte als Butler in "Dinner for one" über das Fell; noch mal 2004, zum Zehnjährigen des HCC. Überhaupt Uter: Seine "Nachtlichter" waren immer ein tolles Überraschungsbonbon.
- Ein Gipfeltreffen des Humors bescherten Dieter Hildebrandt und Peter Ustinow. Es war das erste Treffen der beiden Satiriker, und das Publikum schaute noch von den Treppen zur vierten Etage zu.
- Loriot ließ sich zwei Jahre lang immer wieder bitten. Dann kam er und las in der Halle das "Eisenbahnunglück" von Thomas Mann. Sein Wunsch vorher war bescheiden: "Ein glattes Glas mit stillem Wasser". Angerührt hat er es nicht.
- Die Lesungen von Harry Rowohlt endeten erst dann, wenn die Whisky-Flasche auf dem Tisch leer war. Im längsten Fall war das nach fünfeinviertel Stunden.
- Da stimmt doch was nicht: Maria Schell war volltrunken, als sie auf die Bühne kam. Bodo Harenberg rettete den Abend, ging auf die Bühne und begann eine Plauderstunde mit Maria Schell.
- Den Titel "König der Vorleser" trug Gert Westphal. Seine Abende waren Sternstunden. Für die Kinder waren das die Auftritte von Rufus Beck, dem "Mann der 1000 Stimmen". Wie der "Harry Potter" las, war magisch.
- Das galt auch für die Lesungen vom großen Otto Sander: Sein "Ringelnatz"-Abend 2004 war legendär.
- Alle großen Geigerinnen der jungen Generation waren da - von Julia Fischer bis Arabella Steinbacher. Mit David Garrett hatte das Publikum 2007 Mitleid. Er reiste mit so viel Jet-Lag an, dass ihm beim Künstlergespräch fast die Augen zufielen. Damals war er noch ein Geheimtipp, kein Superstar.
Umbau zu Büro-Räumen
Das Harenberg City-Center wird jetzt zum reinen Büro-Haus. Bistro und Küche verschwinden, auch die 18. Etage mit den beiden Sälen wird vermietet. Und sogar für den Amphisaal gibt es solche Pläne. Aber Architekt Eckhard Gerber legt dagegen, dort eine Zwischendecke einzuziehen und Büros unterzubringen, Veto ein und macht sein Urheberrecht geltend.
Das wird nichts daran ändern, dass das HCC keine Heimat mehr für die Kultur ist. Als Johannes Rau als Ministerpräsident das Haus am 13. April 1994 eröffnet hat, ahnte keiner, wie wichtig der Amphisaal, die 18. Etage, die Halle und das persönliche Engagement von Bodo Harenberg für die Kultur in der Region werden würden.
Kishon war der erste Gast
Satire wurde dem Haus in die Wiege gelegt: Kishon war im April 1994 der erste Gast. Fünf Musikfestivals mit allen Schubert-Liedern (1997), den 100 berühmtesten Streichquartetten (1998/99) und drei Runden „Next Generation“ (2001-2007) haben Maßstäbe gesetzt und waren ein guter Nährboden für das Konzerthaus.