Die Rasierklinge aus Köln
Carolin Kebekus in Münster
Ledermontur, Käppi, Sonnenbrille, Turnschuhe: Als Lady in Black stürzt Carolin Kebekus auf die Bühne, und der ausverkaufte Congress-Saal tobt wie auf Kommando.

Carolin Kebekus rappt sich durch die Peinlichkeiten, Absurditäten und Animositäten der Welt.
Ihr eigentliches Revier ist die Unterwelt der großen Welt. Die Freakshow der Peinlichkeiten, Absurditäten und Animositäten sind ihre Spezialität. Kebekus stürzt sich auf die Fußball-WM: „Jeder war Weltmeister, sogar der Bäcker und der Metzger.“ Schließlich wundert sie sich über Typen, die unbekleidet mit der Deutschland-Fahne durch die Straßen hüpfen. Seitenhiebe auf die allmächtigen Bayern und Ulli Hoeneß („Sitzt im Knast – und die WM kommt im Fernsehen!“) sind obligatorisch. Schlager-Queen Helene Fischer erledigt die Entertainerin mit einem einzigen gequäkten „Atemlos“-Schrei: drei Silben als Penetranz und Banalität. Sie wechselt Tonlagen und Dialekte, rotzt frech als Bunke herum, synchronisiert die schlesische Oma („Aber wenn du Sinde mochst, der Jeesus wird krank“) und quietscht wie Silikon-Barbies. Die „bösen Wörter“, die jeder kennt und sagt, die aber jede mediale Öffentlichkeit panisch meidet, wirken bei Kebekus wie Los-Nieten. Wenn sie die zweifelhafte Ästhetik des männlichen Geschlechts bespricht, als sei es ein Passepartout weiblichen Begehrens, spiegelt das befreite Lachen des Publikums die entzauberte Realität.
Der Medienhype, der auch Kebekus befeuert, gebiert zugleich die Fata Morgana der Wunschträume, gegen die Kebekus zu Felde zieht: „Lebe endlich!“, scheint sie allen zuzurufen, die ihr Leben ohne Mausklick und Touchscreen nicht mehr navigieren wollen. Denn nur das selbstreflektierte Leben lebt. Siehe Kebekus! Am Ende rasende Ovationen.