Die Hölle von Charkiw: Putins blutrünstiger Schlag gegen die Zivilbevölkerung

Krieg in der Ukraine

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist die Großstadt Charkiw unter heftigem Beschuss. Russlands Präsident Putin scheint es gezielt auf Zivilisten abgesehen zu haben.

Charkiw/Hannover

von Fabian Wenck

, 02.03.2022, 20:42 Uhr / Lesedauer: 3 min
Ukrainische Rettungskräfte tragen den Körper eines Opfers aus dem beschädigten Gebäude des Rathauses nach einem Beschuss.

Ukrainische Rettungskräfte tragen den Körper eines Opfers aus dem beschädigten Gebäude des Rathauses nach einem Beschuss. © picture alliance/dpa/AP

Die verstörenden Bilder der Zerstörung, von Leid und Tod aus der ostukrainischen Stadt Charkiw wollen nicht enden. Putin hat in seinem Krieg gegen die Ukraine die Millionenstadt an der Grenze zu Russland ins Fadenkreuz genommen.

Vor allem in den Sozialen Medien, bei Twitter und Telegram, teilen die Opfer der blutrünstigen Attacken das Leid und Chaos, das Bomben und Krieg in ihrer Heimatstadt hinterlassen haben. Am Mittwoch wurde die örtliche Zentrale der Polizei und des Geheimdienstes teilweise zerstört. Wieder kommen Zivilisten ums Leben.

Russland-Experte: Beschuss soll Moral schwächen

Gezielt scheint es Putin jetzt auf Zivilisten abgesehen zu haben. „In diesem Krieg befinden wir uns in der harten Phase, wo Russland versucht, dank seiner Feuerkraft jetzt die Städte einzunehmen, die es vorher mit schnellen Operationen nicht hat einnehmen können“, sagt Russland-Experte Gustav Gressel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Jetzt wolle Russland mit „gezielten Beschuss von Wohnsiedlungen, die Moral der der Bevölkerung und der darin liegenden Truppen schwächen“. Für Gressel, der sich in seiner Arbeit Militärstrategien, internationalen Beziehungen, Russland und Osteuropa widmet, wiederholt sich in Charkiw aktuell das, was die Welt vor Jahren auch im syrischen Aleppo beobachten musste: schwere militärische Schläge gegen zivile Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser.

Charkiw zählte 1,5 Millionen Einwohner

In Charkiw lebten bis vor wenigen Tagen noch 1,5 Millionen Menschen. Diejenigen, die da geblieben sind, verschanzen sich derweil zum Schutz vor den russischen Artilleriegeschossen und Bomben. So wie Elena. Mit ihren Kinder flieht sie Nacht für Nacht in den provisorisch hergerichteten Kellerraum ihres Hauses.

Dort ein paar Vorräte, eine Toilette, Decken und Matratzen für den wenigen Schlaf, den Mutter und Kinder in diesen Nächten in Charkiw bekommen. „Jetzt ist es bei es bei uns 22.25 Uhr, über Charkow fliegen die Flugzeuge und werfen die Bomben ab“, sagt Mutter Elena in die Kamera. Sie strahlt Ruhe aus, ihre Kinder haben das Lächeln noch nicht verloren.

Zhanna ist mit ihrem Mann in Charkiw geblieben, Mutter, Schwiegermutter und ihre beiden Kinder sind vor wenigen Tagen geflohen. Im Zug, schnell weg aus dem Kriegsgebiet. In einem Video, dass sie an das RND schickt, hört man Donnergrollen. Das seinen keine Flugzeuge, versichert sie im Video, das was man höre, seien Raketen. „Nun kommen sie geflogen.“

„Nexta“ teilt Informationen aus Kampfgebieten

Vor allem der Twitter- und Telegramauftritt von „Nexta“ teilt Informationen aus den stark umkämpften Gebieten der Ukraine. Unter Nexta versammeln sich gleich mehrere Medien. 2015 startete der Pole Szjapan Puzila Nexta auf YouTube, ursprünglich als Musikkanal. Damals war er 17 Jahre alt. Schon von Beginn an gilt die Plattform als oppositionell. Mittlerweile beschäftigt Nexta ein mehrköpfiges Redaktionsteam in Warschau. Viele Namen der Redaktionsmitarbeiter sind aus Sicherheitsgründen nicht bekannt.

Die Bilder und Videos, die „Nexta“ am Mittwochmorgen aus Charkiw verbreitete, zeigten zerstörte Gebäude, Rettungsaktionen durch die Feuerwehr, Menschenmassen auf der Flucht. Und auch in den nächsten Tagen wird sich daran nichts ändern. Nur der Ort der Zerstörung wird, nachdem Charkiw vollends zerstört ist, ein anderer sein. Das was Charkiw in den letzten Tagen durch Putins Armee aus Russland widerfährt wird „leider die ganze Ukraine erwarten“, sagt Experte Gressel.

2000 zivile Opfer und 677.000 Flüchtlinge

Auch an anderen Fronten ging der russische Angriff weiter, unter anderem in Odessa und Mariupol. Mariupol werde ohne Unterlass beschossen, sagt Bürgermeister Wadym Boytschenko der Nachrichtenagentur Interfax. „Wir können nicht einmal die Verwundeten von den Straßen holen, aus den Häusern und Wohnungen.“ In Tschernihiw im Norden sei ein Krankenhaus von zwei Raketen getroffen worden, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian. Ein mehr als 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi rückte zudem langsam weiter auf die Hauptstadt Kiew vor.

Nach UN-Angaben sind mittlerweile 677.000 Menschen aus der Ukraine geflohen. Am Mittwoch meldet der staatliche Notfalldienst der Ukraine, dass inzwischen mehr als 2000 Zivilisten seit Beginn des Angriffskrieges getötet worden seien. Bis zu 5000 russische Soldaten sind nach Angaben der Ukraine inhaftiert oder gefallen.

RND

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