Die deutsche Döner-Evolution: Wird aus „Hähnchen oder Lamm“ bald „Ente oder Rind“?
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Der Ursprung des Döner-Kebabs liegt in der Türkei, aber in Deutschland gibt es eigene Rezepturen. Dazu gehören zum Beispiel Kreationen mit Entenfleisch, Rindersteak oder Hähnchenkeule.

Frisches Brot, gutes Fleisch, knackiger Salat – mehr braucht ein guter Döner Kebab nicht. © picture alliance / dpa
Für Ali Güngörmüs ist die Sache klar: Ein Döner kommt ihm nur ohne Schnickschnack in die Tüte. „Kein Krautsalat, keine Soße, ich will das Fleisch schmecken“, sagt der Fernseh- und Spitzenkoch. Wenn er zwei- bis dreimal im Jahr den Weg zu einer Dönerbude in seiner Wahlheimatstadt München sucht, besteht er auf Tomaten und Zwiebeln, Petersilie, die die Zwiebeln mildert, sowie auf einen Hauch Chili. Dessen Schärfe macht das gehaltvolle Fleisch bekömmlicher.
„Fleisch vom Spieß, mit Holzkohle gegrillt, dazu Kartoffeln oder Reis und Lavash-Fladen – das ist für mich der Geschmack meiner Kindheit“, schwärmt Güngörmüs. Wenn er in Istanbul sei, besuche er bestimmte Lokale, um genau das zu bekommen. Von einem Döner Kebab (übersetzt „drehendes Grillfleisch“) in der Brottasche hat der 44-Jährige in der Türkei bisher die Finger gelassen, auch wenn es diese Variante dort durchaus gibt. Das beliebte Imbissgericht ist nämlich keine deutsche Erfindung, wie es oft fälschlicherweise heißt.
Die Soßen auf dem Döner sind eine Eigenheit der Deutschen
Schon im 19. Jahrhundert wurden in der Türkei Stücke von gegrilltem Lamm- oder Hammelfleisch in Brottaschen serviert. Beim Original-Döner-Kebab soll allerdings Fleisch auf Brotwürfeln serviert worden sein, dazu Tomatensoße, Joghurt und Butter – ähnlich dem deutschen Dönerteller.
Viele Soßenvariationen (Barbecue-, Cocktail- oder Knoblauchsoße) oder die Masse an Rohkost (Rotkohl, Weißkraut, Gurken) sind in der Türkei hingegen nicht populär, das ist eher eine deutsche Eigenheit, die sich ab den Siebzigerjahren entwickelt hat, als türkischstämmige Gastarbeiter den Döner hier einbürgerten. In den folgenden Jahrzehnten avancierte das Gericht zum mitunter beliebtesten Schnellimbiss, neben Bratwurst, Pizza und Burgern.
Das Fleisch im Döner ist das A und O: Qualität zeigt sich schon am Spieß
Nicht ohne Grund gibt es heute Abertausende Dönerlokale im ganzen Land. „Natürlich ist Döner Kebab vorwiegend Fast Food, aber das Gericht ist alles andere als ungesund“, meint Ali Güngörmüs und ergänzt: „Abgesehen vom Weizenmehl im Brot hat Döner gesunde Zutaten: frisches Gemüse, Joghurt und Fleisch, sei es nun Lamm, Pute, Hühnchen oder Rind.“ In der Türkei würden viele Wirte nur Kalbfleisch aus dem Hals oder dem Bauch nehmen, berichtet Güngörmüs.
Das sei toll, aber kostspielig. Fleisch vom Drehhackspieß, mit denen hierzulande oftmals Dönertaschen gefüllt werden, findet Güngörmüs „fürchterlich“. Diese Spieße werden meist industriell gefertigt mit Hackfleisch, das mit allerhand Zusatzstoffen um den Spieß drapiert wird, dazu gehören Wasser und Fett, Paniermehl, Emulgatoren oder Geschmacksverstärker.
Allein diese Tatsache ist lebensmittelrechtlich in Ordnung. Eine Metzgerwurst kann durchaus ähnliche Zutaten enthalten. Auch der Zusatz von bis zu 20 Prozent Fett in die Grundmasse ist unbedenklich.
Versteckte Schlachtabfälle in der Vergangenheit
Das Problem ist, wie die Gammelfleischskandale der letzten Jahre bewiesen haben, dass durch die extreme Zerkleinerung des Fleischs im Fleischwolf und die starke Würzung auch Schlachtabfälle und verdorbenes Fleisch in der Masse versteckt werden können. Reporter des SWR fanden 2018 überdies heraus, dass elf von 13 Dönerproben aus Stuttgart künstliche Phosphate als Bindemittel für Wasser enthielten, ein Stoff, der auch in Käse, Salami oder allerhand Fertiggerichten genutzt wird, aber als gesundheitsbedenklich eingestuft wird.
Doch wie lassen sich Hackspieße zweifelsfrei von ordentlichen Fleischspießen unterscheiden? Hackspieße sind an ihrer feinen, recht homogenen Körnung zu erkennen. Aber wie ein Schnitzel, das nicht aus Kalbfleisch besteht und auf der Speisekarte dann als „Schnitzel nach Wiener Art“ deklariert werden muss, darf sich ein solcher Döner nur „Drehspieß nach Döner-Kebab-Art“ nennen.
Viele Kebabverkäufer mit eigenem Rezept
Wer Dönerfleisch ohne Zusätze erwartet und wünscht, der kann außerdem darauf achten, ob der Wirt seine Spieße selbst steckt, aus reinem oder gewürztem (gern gut durchwachsenem) Scheibenfleisch, oft mit etwas Hackfleisch dazwischen, zur besseren Bindung.
Engagierte Kebabverkäufer schwören dabei auf ihr eigenes Rezept. Das ist auch ein Qualitätskriterium für Ali Güngörmüs, der es außerdem schätzt, wenn der Brotfladen hausgebacken wird, mit leicht krosser Kruste.
Mit Entenfleisch, Rindersteak oder Hähnchenkeule: De-luxe-Versionen der Dönertasche
In einem Fernsehauftritt hat Güngörmüs schon mal einen Döner de luxe zubereitet: mit Entenfleisch, Tomaten, Salat und Zwiebeln. Überhaupt scheint Döner (in diversen Abwandlungen) auch viele Freunde in der gehobenen Gastronomie zu haben: Im Wiener Weinbistro Mast wurden während der Lockdownphasen Döner mit geschmorter Hähnchenkeule, eingelegten Zwiebeln, Erdnüssen, Joghurt und Koriandermayonnaise verkauft.
Auch Spitzenkoch Sören Herzig, gebürtiger Cuxhavener mit eigenem Restaurant in Wien, hat darüber nachgedacht, eine Dönerversion zum Mitnehmen anzubieten: „Mit hausgebackenem Brot, hauchdünn gebratenem Rindersteak, dazu Zwiebeln, Tomate, selbst eingelegte Gurken und Meerrettichsoße. Wichtig wäre mir nur, dass meine Version aus dem Rahmen fällt, denn das Original gibt es ja schließlich zur Genüge“, sagt Herzig.
Bei seiner Lieblingsdönerbude in der österreichischen Hauptstadt stellt er sich gern mal in die Schlange. Die starke Frequentierung des Lokals hat aus seiner Sicht vor allem den Vorteil, dass das Gemüse immer nachgeschnitten wird und nicht stundenlang in der Vitrine liegt. Herzig isst seinen Kebab übrigens am liebsten mit viel frischem Krautsalat und viel Soße. Also ganz im klassischen Imbissbudenstil.
Der Artikel "Die deutsche Döner-Evolution: Wird aus „Hähnchen oder Lamm“ bald „Ente oder Rind“?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.