Fühlt sich Zwerg Alberich hässlich? Und ist die Walküre Brünnhilde glücklich mit ihrer Rolle als taffe Frau? Und was denkt Wotan über seine Rolle als Übergott? Der 35-jährige Autor Necati Öziri (ein gebürtiger Dattelner) lässt die Figuren aus Wagners Tetralogie dies in seinem Theaterstück „Der Ring des Nibelungen“ hinterfragen. Ein Jahr nach der Uraufführung in Zürich hat das Dortmunder Schauspiel am Samstagabend im fast voll besetzten Schauspielhaus die deutsche Erstaufführung herausgebracht.
Öziri stand 2023 mit seinem Roman „Vatermal“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis; auch sein „Ring des Nibelungen“ ist toll – so gut, dass man ihn auch inszenieren könnte. Denn genau das tut die Dortmunder Schauspielintendantin Julia Wissert als Regisseurin nicht.
Halbszenische Rezitationen
Regisseurin Wissert hat eine ärmliche Hütte hinten auf die Bühne gestellt, die die Burg Walhall darstellen soll, aber mehr an Hundings Hütte erinnert. Davor liegt ein Ast der Weltesche, weiter vorne steht ein Haufen Würfel (Bühne: Jana Wasson, schlichte Kostüme: Nicola Gördes). Auf den Würfeln sitzen und stehen die Figuren auf Abruf.
Wissert vertraut ihren (bis auf eine Ausnahme) durchweg guten Schauspielern, dass sie etwas machen aus den etwa jeweils zehnminütigen Monologen, in denen sie von ihrem Schicksal erzählen und über die Welt philosophieren. Das tun sie auch, aber es erinnert mehr an halbszenische Rezitationen als an Schau-Spiel.
Tiefkühlpizza?
In der Oper würde man diese Monologe Arien nennen, aber dort wären sie mit Handlung verbunden. Bei Öziri sind diese Revolten der verkannten Seelenbilder, die berühren und die Wagner-Kennern eine andere Seite der Figuren zeigen.
Man muss die vier Opern nicht kennen, aber das Stück ist interessanter, wenn man vertraut mit ihnen ist. Öziri hat eine Prologszene vorangestellt, in der Arda, ein Opern-Nicht-Kenner, der Wagner für einen Tiefkühlpizza-Hersteller hält, seinem imaginären Onkel im Publikum den „Ring in zehn Minuten“ erklärt. Leider sprach Tamer Tahan als Arda keinen Satz ohne Versprecher.

Da waren die anderen acht Rollen sowie die Rheintöchter / Nornen (Sprechchor) und drei Live-Musiker besser besetzt. Viel Präsenz gab Sarah Quarshie der Erda, und sie lieh auch dem bei Wagner stummen Waldvogel am Schluss ihre Stimme. Adi Hrustemovic zeigte sehr schön die verletzliche und mitleiderregende Seite von Alberich, wenn er den Zwerg fragen ließ „Was ist attraktiv?“. Berührend ließen Maike Küster und Isabella Pabst die Kinder der Riesen sprechen: Der Bau der Burg Walhall hat ihnen Eltern und Jugend geraubt – ein Gastarbeiterkinder-Schicksal.
Nikla Miskovic war eine rebellische, sehr kraftvolle Brünnhilde im feministisch-lilafarbenen Reiterdress; ihren Vater Wotan spielt Alexander Darkow etwas sehr cholerisch überdreht. Ehefrau Fricka erinnert in Julia Wisserts Regie an die Venus von Botticelli – und Antje Prust ist wirklich im ganzen Stück splitterfasernackt und eine sehr verletzliche und verletzte Frau.
Gut gekürzte Fassung
Sehenswert ist Öziris „Ring“ – auch für Opernfreunde als Ergänzung zu Wagners „Ring“ nebenan im Opernhaus. Man nimmt in beiden Produktionen die Figuren sehr unterschiedlich wahr, aber widersprüchlich ist das nicht. Und ein großes Verdienst von Julia Wissert ist, dass sie aus Öziris Epos, das bei der Uraufführung vier Stunden Spieldauer hatte, auf zwei pausenlose und kurzweilige Stunden gekürzt hat und das Stück damit in eine gut aufführbare Spielfassung gebracht hat.
Termine: 27. 1., 10. / 18. / 21. 2., 15. 3.2024; Karten: Tel. (0231) 5027 22 oder www.theaterdo.de
Wiederentdeckte Oper „La Montagne Noire“ hat einige Schwächen: Premiere in Dortmund
„Queens“ nach Schillers „Maria Stuart“ feierte Premiere im Studio : Job-Sharing ist für Königinnen e
„Orpheus in der Unterwelt“ ist in Dortmund ein Comic-Spaß: Habjan inszeniert Offenbach