Es ist fraglich, ob man den Vierakter der französischen Komponistin Augusta Holmès nach der deutschen Erstaufführung am Samstag im Dortmunder Opernhaus an einem anderen Haus wiedersehen wird. Wahrscheinlich nicht; in Dortmund haben Werk und Inszenierung Schwächen. Nur musikalisch glänzt die Produktion: Solch eine Sängerbesetzung ist ein seltenes Ereignis.
Es hakt an anderen Stellen. Erster Knackpunkt: die Folklore. „Der schwarze Berg“, der sich nicht auf einen Berg, sondern auf Montenegro bezieht, das sich im Krieg mit den Türken befindet, spielt Mitte des 17. Jahrhunderts. Aber will man Folklore auf der Bühne noch sehen?
Shootingstar Emily Hehl
Die erst 23 Jahre junge Regisseurin Emily Hehl (ein Shootingstar der Opernregie; zu Saisonbeginn hat Hehl im Aalto Theater Essen Verdis „Macbeth“ inszeniert) zeigt Folklore auf Kostümen (Emma Gaudiano), mit Teppichen, die die Frauen zum Gebet über die Bühne schleppen, als putzigen Esel und mit einer Gusla-Spielerin (Bojana Peković), die sicher entbehrlich ist. Aber alles, was Hehl in ihrer braven Inszenierung an Folklore bietet, wirkt halbherzig.
Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann, ein grauer Kasten, bricht die Folklore. Aber was soll denn das Auto im dritten Akt in der abstrakten Szenerie, in der das Liebespaar auf der Flucht auf einem Drehpodest ausgestellt wird?
Längen in Kauf nehmen
Zweiter Knackpunkt: die Länge. Mit gut drei Stunden Spieldauer hat die 1895 uraufgeführte Oper Wagner-Länge. Aber die trägt das „Lyrische Drama“ nicht, dazu hat es zu wenig ariose Höhepunkte.
Aber wenn ein Theater eine vergessene Oper wiederentdeckt (und im letzten Bild sogar eine bei der Uraufführung gegen den Willen der Komponistin gestrichene Szene erstmals zeigt), dann muss man diese Oper ungekürzt zeigen. Und Längen in Kauf nehmen.
Monumentale Musik
Dritter Knackpunkt: die Handlung. Die ist ein Heldenepos, aber zum Teil aberwitzig: Da bringt der eine Bruder den anderen um, aber eine kurze Reue-Arie später ist der Erschlagene wieder lebendig. Da zweifelt man an Holmès Schluss, bei dem beide Brüder tot sind.
Vierter Knackpunkt: die monumentale Musik. Die ist toll; ein bisschen Verdi und etwas Berlioz ist auch dabei. Und in erster Linie ist diese Musik aber triumphal. Das zeigt Motonori Kobayashi im Graben der Dortmunder Philharmoniker.
Großartiges Ensemble
Holmès hat prächtige Musik geschrieben, die es lohnt, anzuhören, aber sie lässt die Musik wenig atmen und zur Ruhe kommen. Das Dauer-Forte fordert Höchstleistungen von den Sängern.
Dortmund hat ein großartiges Ensemble, das die wahnsinnig hohen Gesangs- Anforderungen mit Bravour meistert – allen voran die drei starken Frauen. Aude Extrémo singt die Yamina mit wunderbar erdigem Dunkel-Mezzo; Alisa Kolosova gibt Mutter Dara mit ebenso kraftvollem Mezzo Gewicht. Yaminas Gegenspielerin um Freund Mirko ist Héléna, von Anna Sohn mit viel Gespür für Dramatik gesungen.
Anschauen lohnt sich
Mirko ist eine kräftezehrende Wagner-Heldentenor-Partie, die Sergey Radchenko vor allem in den beiden ersten Akten sehr gut meistert. Ebenfalls stark: Bariton Mandla Mndebele als Mirkos Blutsbruder Aslan.
Gesehen haben sollte man den „Schwarzen Berg“, bevor er wieder in der Vergessenheit versinkt. Der Oper Dortmund gebührt Anerkennung, das Werk noch einmal auf die Bühne gebracht zu haben.
Termine: 19. / 24. 1., 17. 2., 11. 4., 10. 5.2024; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oder www.theaterdo.de
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