Erst Schimmel, nun Feuer Steven spricht nicht mehr, Mama Jeanette sucht neue Wohnung in Datteln

Verzweifelte Mutter: Angst nach dem Brand und Schimmel an den Wänden
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Jeanette-Gabriele Schulz steht in ihrer Wohnung an der Lukaskreuzung in Datteln und weint. Sie ist verzweifelt. Rund eineinhalb Wochen ist es her, dass es im Stockwerk über ihr gebrannt hat. Seitdem ist ihr zwölfjähriger Sohn traumatisiert.

„Er hat Angst, hierzubleiben, dass wieder was passiert. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe ja keine andere Bleibe“, erzählt die 56-Jährige. Ihr Sohn Steven und sie haben zudem noch ein ganz anderes Problem mit der Wohnung – und das heißt Schimmel.

Die beiden sind nach dem Feuer am 24. Januar vorübergehend bei Schulz‘ Schwester und Schwager untergekommen. Dort teilen sie sich ein kleines Zimmer. Eine Dauerlösung ist das nicht. In ihrer Wohnung an der Dortmunder Straße riecht es auch noch mehr als eine Woche später nach dem Brand. „Da sind wohl auch Giftstoffe enthalten. Die gesamte Kleidung, Decken, Matratze, alles muss entsorgt werden“, sagt Schulz. Das Löschwasser hat in der Wohnung im zweiten Stock überraschenderweise keinen Schaden angerichtet. Gerade erst war ein Gutachter da, den die Hausverwaltung bestellt hatte. Allerdings musste die Heizung repariert werden, die nach dem Feuer zehn Tage lang aus war.

„Wir dachten, die Katze verbrennt“

„Mein Sohn Steven kam von der Schule und sagte zu mir, Mama, hier ist so ein Geräusch und hier riecht es komisch im Treppenhaus“, so erinnert die Dattelnerin sich an den Tag des Feuers. Sie sei dann selbst vor die Tür gegangen und habe gesagt: „Hier riecht es, als wenn es brennt.“ Dann sei auch schon ein Mann, sie vermutet von der Feuerwehr, durchs Haus gelaufen und habe „raus, raus, alle raus“ gerufen.

Die beiden verließen das Haus, wie auch die anderen Bewohner der insgesamt acht Wohnungen. „Und dann sagt mein Sohn zu mir: Mama, wir haben Elsie vergessen, unsere Katze. Er fing an zu weinen und zu schreien.“ Sie habe versucht, noch einmal ins Haus zu gehen, aber der Rauch war zu stark. „Mein Sohn war für Stunden nicht mehr zu beruhigen, weil wir echt dachten, die Katze verbrennt.“ Irgendwann durften sie wieder in die Wohnung und holten Elsie raus, die glücklicherweise überlebt hatte.

Die Feuerwehr beim Einsatz bei einem Dachstuhlbrand.
Am 24. Januar brannte es in dem Stockwerk über der Wohnung von Jeanette-Gabriele Schulz und ihrem Sohn Steven. Deswegen müssen sie ihre ganze Kleidung entsorgen. © Helmut Kaczmarek

„Seitdem sagt mein Sohn nichts mehr.“ Der 56-Jährigen kommen die Tränen. „Wissen Sie, wir haben so viel hinter uns“, sagt sie und erzählt ihre Geschichte. Vor der Geburt ihres Sohnes hatte sie Brustkrebs. Als Steven zwei Jahre alt war, bekam sie Knochenkrebs. Die Ehe mit seinem Vater ging in die Brüche.

Schon vor dem Feuer hatte es die Familie nicht leicht

Bei einem Besuch in Hagen versuchte ein Fremder, den damals vierjährigen Steven auf die Gleise zu schubsen – aus rassistischen Gründen, vermutet Schulz. Steven ist halb nigerianisch. Der Vorfall hat ihn traumatisiert. Er hat von seiner Mutter ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom) geerbt, besucht eine Förderschule. Dort ist er Klassenbester. „Das Feuer hat ihn jetzt aber zurückgeworfen“, sagt sie besorgt. Die Situation geht ihr merklich nah.

Jeanette-Gabriele Schulz ist erwerbsunfähig. Eigentlich ist sie Fachkraft für Lager und Logistik. Nach dem ersten Krebs machte sie eine neue Ausbildung zur Bürokauffrau. Als sie nach Stevens Geburt wieder arbeiten wollte, kam der zweite Krebs. „Ich glaube, ich bin nicht so der Glücksvogel. Wissen Sie, es trifft immer uns irgendwie“, sagt die Dattelnerin nachdenklich. Die Miete zahlt sie zum Teil aus ihrer Rente, den anderen Teil übernimmt das Jobcenter. Eine Hausratversicherung kann sie sich nicht leisten. Gut zu Fuß ist sie auch nicht, der Krebs hat eine Gehbehinderung und Arthrose verursacht.

Überall in der Wohnung schimmelt es

Draußen hat es nur knapp über null Grad, als die alleinerziehende Mutter drinnen steht und leicht zittert. Es ist kalt, an den Fensterscheiben bildet sich Feuchtigkeit. Zum Zeitpunkt des Treffens ist die Heizung noch aus. Schon vor dem Brand wollte Jeanette-Gabriele Schulz aus der 68 Quadratmeter großen Wohnung ausziehen. Sie läuft durch die drei Zimmer und die Küche und deutet auf den Schimmel.

Schimmel an der Wand, darüber ein Superman-Bild.
Im Zimmer des zwölfjährigen Steven ist viel Schimmel zu sehen. Zum Beispiel an der Wand am Kopfende seines Betts. Die Behandlung mit Anti-Schimmel-Sprays hilft da nicht, sagt seine Mutter. © Lara Teschers

Rund um Stevens Bett ist die Tapete verfärbt. Morgens seien seine Kissen nass, berichtet sie. Aber die Zimmer tauschen will ihr Sohn nicht – doch das würde auch nicht viel helfen: Auch in den Zimmerecken ist schwarzer, nicht zu übersehender Schimmel, hinter dem Sofa im Wohnzimmer, am Fliesenspiegel in der Küche und unter dem Fenster, um ein paar Beispiele zu nennen. Vom Schimmel bekomme sie Schnupfen und Kopfschmerzen. Tabletten würden helfen. „Aber diese Tabletten darf ich nicht nehmen, weil ich von der Chemotherapie herzkrank bin.“

Jeanette-Gabriele Schulz sagt, der Vermieter gebe ihr die Schuld. Sie heize seiner Meinung nach nicht vernünftig. Dabei habe sie 700 Euro Heizkosten nachzahlen müssen, und immer alle Heizungen an. „Wissen Sie, dass man so eine Wohnung nicht warm kriegt? Weil die Wände nass sind?“ Sie versuchte, den Schimmel loszuwerden: alle zwei Stunden für zehn Minuten stoßlüften, viele Male am Tag die Fenster trocken wischen, mit speziellen Mitteln reinigen. Auch der Gutachter, der wegen der Feuerschäden da war, habe gesagt, sie sei nicht schuld: „Das sind Kältebrücken.“

Eine Raumecke mit einer Steckdose, um die herum die Wand schimmelt.
Auch dieses Bild ist in Stevens Zimmer aufgenommen. Um die Steckdose herum ist deutlich der Schimmel zu sehen, ebenso an der Wand links. © Lara Teschers

2018 zogen Jeanette-Gabriele Schulz und Steven in die Dreizimmerwohnung. „Es ging eine ganze Zeit. Aber dann ist über den Zeitraum von Wochen ständig die Heizung ausgefallen.“ Danach sei sie dem Schimmel nicht mehr Herr geworden.

Das Feuer wurde durch fahrlässige Brandstiftung verursacht

Und jetzt also auch noch der Brand. Dessen schlimmste Auswirkungen sind für die Mutter, was das mit ihrem Sohn gemacht hat. „Ein liebes, fröhliches Kind“ sei er gewesen, habe viel gelächelt. Nun sei er ganz in sich gekehrt. „Er reagiert auf nichts mehr richtig.“ Steven wolle nicht mehr zur Schule gehen, nur bei seiner Mutter sein.

Zur Brandursache gibt es noch keine Details. Andreas Lesch, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Recklinghausen, spricht von fahrlässiger Brandstiftung. Es gebe einen Tatverdächtigen, aber die Ermittlungen laufen noch, weswegen er nicht näher darauf eingehen könne. Die Brandermittler stellten laut Lesch eine Schadenshöhe von 200.000 Euro fest.

Fenster einer ausgebrannten Wohnung.
Laut Polizei-Pressesprecher Andreas Lesch handelte es sich bei dem Feuer um fahrlässige Brandstiftung. Die Ermittlungen laufen noch, es gibt aber schon einen Verdächtigen. © Lara Teschers

In einer Dattelner Facebook-Gruppe bedankte sich Jeanette-Gabriele Schulz bei den Helfern: Dem Mann, der allen Bescheid gesagt hatte, den Feuerwehrleuten und den Besitzern des Restaurants Magnolia, die sie während des Einsatzes dort warten ließen.

Die alleinerziehende Mutter kritisiert, dass es nach dem Brand keine Betreuung gab – weder für ihren Sohn noch für sie. „Damit ich weiß, was ich zu tun habe. Sie müssen sich mal vorstellen: Man steht da ohne Jacke in Pantoffeln bei der Kälte. Man weiß hinterher im Prinzip nicht, wie geht es weiter.“ Jetzt sucht Jeanette-Gabriele Schulz nach einer neuen Wohnung. Denn: „Ich muss mein Kind beschützen. Mein Kind wird hier krank werden.“