Mozarts Opern aller Opern, der „Don Giovanni“, von einer Frau inszeniert – da fällt dem Dortmunder-Stammpublikum sofort die schöne Inszenierung von Beverly Blankenship 2002 ein, die mit der riesigen Rose auf der Bühne.
Gut 22 Jahre später führt nun Ilaria Lanzino Regie in der Oper über die Abenteuer des spanischen Casanovas im Dortmunder Opernhaus. Das Hauptverdienst der Italienerin ist, dass sie die Oper um einige Rezitative und das moralisierende Schlussensemble – leider auch um die zweite Ottavio-Arie – auf drei Stunden gekürzt hat und die „Wiener Fassung“ zeigt.

Optisch trist ist bei Lanzino fast alles, und zuweilen hat die Regisseurin komische Einfälle. So ist die stockkonservative Donna Anna, die noch bei ihrem Vater, dem Komtur, in einer Spießerwohnung lebt, gegen die Doktor Dresslers Zuhause in der Lindenstraße topmodern war, schwanger. Von Don Giovanni, der sie – bereits schwanger – auf dem Esstisch vergewaltigt, offenbar nicht, dann also von Ottavio, vor der Ehe – unglaubwürdig.
Leporellos Registerarie, in der Giovannis Diener die bislang 2065 Eroberungen seines Herrn beschreibt, bebildert Lanzino mit männlichen Matratzenopfern. Nun ja. Später hockt Elvira mit Kondom in der Hand hinter der Kleiderstange in Zerlina und Masettos Hochzeitskammer, und am Schluss fährt der Schwerenöter in den Armen einer Medusa zur Hölle.

Eine richtig triste Angelegenheit ist Giovannis Fest am Ende des ersten Aktes. Da stehen weder Essen und Getränke auf den Tischen, auch die Bühnenmusik erklingt nur aus dem Graben. Diese Party hätte jeder normale Mensch sofort verlassen – auch die im zweiten Akt, spätestens, als der Opernchor begann, albern zu tanzen. An kluger Personenführung mangelt es der Inszenierung.
Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann macht im ersten Akt Spaß, wenn sich der schwarze Vorhang vor immer neuen Kammern öffnet und das Publikum eingeladen wird, mit Giovanni um die Häuser zu streifen. Der zweite Akt ist deutlich trister. Schöne Idee am Schluss: Elvira, das Giovanni-Pendant, zieht Hand in Hand mit Leporello, dem Möchtegern-Giovanni, auf zu neuen Abenteuern.
Tolles Sänger-Ensemble
Es ist also Sängern und Orchester zu verdanken, dass dies ein lohnender Mozart-Abend ist. Den Giovanni singt ein Bass (wie bei Blankenship 2002). Denis Velev – groß an Statur und Stimme – zeigt den Titelhelden nicht als Verführer, sondern als skrupellosen Macho, der sich alles nimmt, was er will. Morgan Moody ist als Leporello der Kavalier an seiner Seite – mit elegantem Bariton und Spielwitz.
Anna Sohn ist als Donna Anna mit leuchtendem Sopran zu hören; als zerbrechliche Mimi gefiel sie jedoch besser als als Anna, die mit geballter Faust kämpfen muss. Als Elvira setzt Tanja Christine Kuhn der sanften Anna schärfere Töne entgegen. Sungho Kim sang den Ottavio makellos – wunderschön war seine „Dalla sua pace“-Arie im samtigen Pianissimo.
Orchester klingt transparent
Sooyeon Lee und Daegyun Jeong sind als Zerlina und Masetto ein Buffopaar, das Ilaria Lanzino aber zu blass erscheinen lässt. Ebenso wie Artyom Wasnetsov als Komtur, der am Schluss zwischen den Medusa-Armen wenig und furchteinflößend wirkt.
Die Dortmunder Philharmoniker dirigiert ein Gast: George Petrou lässt das Orchester im höher gefahrenen Graben transparent klingen, aber manches muss sich im Zusammenspiel mit dem neuen Dirigenten noch zurechtruckeln.
Das Date mit dem Dortmunder „Don Giovanni“ war ein guter Flirt, aber richtig gematched hat es nicht.
Weitere Aufführungen
Termine: 30. 1., 2. / 6. / 14. / 26. 2., 2. / 15. 3.; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oder www.theaterdo.de
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