Das sind die Frisurentrends der EM-Kicker

Am Ball und auf dem Kopf kreativ

Eigentlich sollte das Augenmerk bei Kickern auf den Füßen und ihren Filigrantechniken liegen. Aber oft genügt es anscheinend nicht, nur auf dem Platz zu glänzen – das könnte man zumindest glauben, wenn man sich die Frisuren mancher Fußballer ansieht. Die Optik reicht von dem Versuch, seinen Haaren Form zu geben, bis hin zu verwegenen Mustern und Botschaften auf dem Kopf.

Dortmund

, 12.06.2016, 06:29 Uhr / Lesedauer: 3 min
Frankreichs Paul Pogba ist nicht nur auf dem Platz kreativ, sondern auch bei seiner Frisur.

Frankreichs Paul Pogba ist nicht nur auf dem Platz kreativ, sondern auch bei seiner Frisur.

Die Zeit, in der alles begann, liegt noch gar nicht so lange zurück. Noch vor zehn Jahren, vielleicht 15, sind wohl die wenigsten Fußballer auf die Idee gekommen, ihrem Haarschnitt besondere Bedeutung beizumessen. Kurz und gut war damals ein gern genommenes Motto. Waschen, trocken rubbeln, fertig. Das macht Thomas Müller wahrscheinlich bis heute so.

„Vokuhisela“ – vorne kurz, hinten sehr lang

Klar, auch in Zeiten davor gab es schon Ausreißer. Aber die fielen mehr in die Kategorien, irgendwo zwischen „Unglaublich fies“ und „Was soll das denn bitte sein?“. Bis heute hat keiner Berti Vogts bieder-brave Haarpracht vergessen. Ordnung muss eben nicht nur auf dem Platz sein. Oder Steffen Freund in seiner Zeit, als er noch ein königsblaues Trikot trug. Das war mehr ein „Vokuhisela“ – vorne kurz und hinten sehr lang. Von Kolumbiens Carlos Valderrama mit seiner übervollen blonden Korkenzieher-Pracht auf dem Kopf mal ganz zu schweigen. Immerhin: Die Frisur (wenn denn die Walle-Walle-Mähne diesen Namen verdient) hat den Kicker berühmt gemacht. Berühmter jedenfalls als seine Leistungen auf dem Platz.

Und heute? Heute ist alles anders. Weil Fußballer, die etwas auf sich halten, sich immer mehr als Marke begreifen, sind Frisuren inzwischen oft ein echtes Statement. Geföhnt, gestylt, bis in die Haarspitzen durchdacht. Und mit wem hat das alles angefangen? Na klar. Mit David Robert Joseph Beckham, Weltpokalsieger, Champions-League-Gewinner, Meister in England, Spanien und Frankreich, Officer of the British Empire, Ehemann von Ex-Spice-Girl Victoria und – vor allem – Trendsetter. Der inzwischen 41-jährige Beckham hat im Grunde schon alles auf dem Kopf gehabt, was ein Friseur aus Männerhaar formen kann. Gewuschelt und gestrubbelt, zum Pferdeschwanz gebunden und kahlrasiert und natürlich auch zum Undercut gestylt.

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Die Frisuren zur EM

Längst steht nicht mehr nur bei den Spielerfrauen, sondern auch bei den Spielern selbst steht das Aussehen im Vordergrund. Wir sind dem Trend gefolgt und haben uns mal auf den Köpfen umgesehen. Hier sind die spannendsten Frisuren der EM 2016.
08.06.2016
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Der türkische Nationaspieler Semih Kaya (links im Bild) mag es wohl einfach. Im Gesicht darf es aussehen wie auf dem Kopf. Oder vielleicht andersherum? Neben ihm, mit ganz anderer, aber genauso auffälliger Frisur ist der Kongolese Junior Kabananga zu sehen.© Sedat Suna (EPA)
Statt Vokuhila trägt der italienische Nationalspieler Simone Zaza wohl lieber Oku-Ula, oben kurz, unten lang. © Elisabetta Baracchi (ANSA)
Ein Trend, dem der walisische Nationalspieler James Collins (links im Bild) wohl folgt. Nur etwas farbenfroher. © Sean Dempsey (EPA)
Auch bei seinem walisischen Teamkollegen Joe Ledley scheint Bart gut anzukommen. Dieser kombiniert sein Prachtexemplar allerdings mit etwas mehr Haupthaar. © Gerry Penny (EPA)
Der deusche Nationalmannschafts-Neuling Leroy Sane setzt auf die natürliche Fülle seiner Haarpracht.© Guido Kirchner (dpa)
Dem belgischen Spieler Marouane Fellainin war es wohl nicht genug einen Afro zu tragen. Er entwickelte die Frisur kurzerhand weiter. Das Ergebnis: ein blonder Afro.© Uefa Handout (UEFA)
Mit Nationalspieler Zoltan Stieber gewinnt Ungarn in der Kategorie "Undercut". Die Betonung liegt wohl auf Cut, denn vom Unterhaar ist nicht mehr viel übrig. © Mauri Ratilainen (COMPIC)
Der Tscheche Ladislav Krejci hat sich beim Undercut etwas zurückgehalten, dafür aber bei der Farbe zugelangt. Ob er wohl den gleichen Friseur hat wie Marco Reus vor ein paar Jahren?© Filip Singer (EPA)
Konkurrenzlos spielt der belgische Mittelfeldspieler Yannick Carrasco. Mit besonders gepflegtem Haar, Bart und Augenbrauen knüpft er an die die Tradition David Beckhams an. © Víctor Lerena (EFE)
Michy Batshuayi aus dem belgischen Team trägt eine Mischung aus langen Cornrows und Dreadlocks. © Guillaume Horcajuelo (EPA)
Auch der englische Stürmer Raheem Sterling trägt diese Frisur. Manchmal allerdings so lang, dass man fürchtet er könnte auf dem Feld den Durchblick verlieren. © Morell (EFE)
Der Belgier Jason Denayer trägt eine recht ähnliche Frisur. Zuerst hat er seine Mähne in Dreadlocks verwandelt um sie anschließend in einem Zopf zu bündeln. © Jose Sena Goulao (LUSA)
Der französische Nationalspieler Paul Pogba überrascht immer wieder mit neuen Frisuren, oder besser gesagt Rasuren. © Vincenzo Artiano (ANSA)
Dabei verändert Pogba nicht nur die Farbe seines Haares, sondern lässt sich immer wieder Muster hineinrasieren. © Andrea Di Marco (ANSA)
Teilweise haben die Schriftzüge in Paul Pogbas Haar wohl auch eine Bedeutung. Welche bleibt allerdings den meisten Menschen wohl ein Rätsel. © Ina Fassbender (dpa)
Auch sein Teamkollege Kingsley Coman scheint diesen Trend für sich entdeckt zu haben. Ob er wohl schafft ihn wohl in der Bundesliga zu etablieren?© Andreas Gebert (dpa)
Der Irokesenschnitt ist zwar eigentlich eher bei Punkern und beliebt. Den slowakischen Nationalspieler Marek Hamsik scheint das aber nicht zu stören. Welches Haarspray es wohl braucht, damit die Frisur nach 90 Minuten noch sitzt?© Filippo Venezia (ANSA)
Im rumänischen Nationalteam gibt es auch so etwas wie einen Irokesen. Allerdings hat Radja Nainggolan beschlossen ihn noch ein bisschen zu betonen. © Claudio Peri (ANSA)
Der Kroate Tin Jedvaj ist zwar erst 20 Jahre alt, doch die langen, zauseligen Haare lassen ihn deutlich jünger wirken. Praktisch ist diese Frisur insofern, als dass man sich gar nicht darum kümmern muss. © Guido Kirchner (dpa)
Ähnlich hält es der Isländer Birkir Bjarnason: pflegeleicht da pflegelos, manchmal aufgepeppt mit einem Haarband. © Julio Munoz (EFE)
Der schweizer Nationalkeeper Yann Sommer erinnert mit seiner Langhaarfrisur an den jungen Heath Ledger, der Anfang der Nuller Jahre als Ritter aus Leidenschaft auftrat.© Aidan Crawley (EPA)
Auch der Tscheche Tomas Rosicky scheint frisurentechnisch Anfang der Nuller Jahre stehengeblieben zu sein. Seit seiner Zeit bei Borussia Dortmund hat sich nicht viel verändert auf seinem Kopf. © Alessandro Di Marco (ANSA)
Roman Neustädter spielt für das russische Nationalteam und mag es wohl wuschelig. Von weitem ist eine leichte Ähnlichkeit mit einem Alpaka kaum abzustreiten. © Friso Gentsch (dpa)
Roman Neustädter verlässt Schalke 04.© Foto: dpa

Markant-kantiger Kopfschmuck

Undercut, da war doch was? Seit Jahren beherrscht dieser Frisurentrend in Deutschland den Männerkopf. So sehr, dass natürlich auch viele Fußballer gerne folgen, weil man damit wunderbar zur Schau stellen kann, dass man aus tiefster Seele ein Hipster ist. Zudem bringt der Undercut aber noch einen weiteren, nicht zu verachtenden Vorteil mit sich: Wenn der Spieler von 90 Minuten auf dem Platz gezeichnet vor der Kamera steht, dann zeigt sich sein Undercut immer noch unbeeindruckt in guter Form. Dortmund-Star Marco Reus ist einer der bekanntesten Träger des Seite-kurz-oben-länger.

Aber, liebe trendorientierte Kicker, ihr müsst euch langsam damit anfreunden, eure Frisur zu überdenken, denn Style-Experten glauben, dass das Ende des markant-kantigen Kopfschmucks schon vor einiger Zeit eingeläutet worden ist. Es ist zwar nicht belegt, dass dieser Moment etwas mit dem Zeitpunkt zu tun hat, zu dem der ehemalige Tennis-Star und heutige Ich-twittere-über-alles-und-jeden Boris Becker dazu überging, den Rotschopf ebenfalls zum Undercut zu trimmen. Aber die zeitliche Nähe ist nicht von der Hand zu weisen.

Frisurentechnische Wundertüte

Der Hamburger Star-Frisur Jörg Oppermann ist jedenfalls ziemlich sicher und lässt sich folglich in einem Interview mit einem Männermagazin so zitieren: „Die Haarschnitte werden 2016 weicher, runder, fließender.“ Auf jeden Fall wandelbar müsse der aktuelle Stil sein. Immer mal was Neues also. Okay, das hört das Kreativzentrum von Frankreichs Superstar Paul Pogba gerne. Was der alte, der brasilianische Ronaldo um die Jahrtausendwende war, ist der Mittelfeldspieler, der aktuell noch für Juventus Turin gegen den Ball tritt, für die Neuzeit: eine frisurentechnische Wundertüte.

Wenn es die Haarlänge erlaubt, lässt sich Pogba stets neue Zeichen, Ziffern oder geometrische Figuren in seine kurz geschorene Seitenpartie rasieren. Auch wenn er nicht einen Tigerkopf à la Stefan Effenberg auf dem Schopfe trägt, fallen die oftmals gefärbten Pogba-Rasuren doch garantiert genauso auf. Mal ehrt der Fußballer mit den Künsten seines Barbiers einen von ihm geliebten American-Football-Star, mal will er einfach nur wieder etwas Neues ausprobieren. Vor einigen Jahren hat sein Hang zum regelmäßigen Frisurenwandel dann den vorläufigen Höhepunkt erreicht: „Pogba’s Hair“ bekam seinen eigenen Twitter-Account. Klar, nicht ganz ernst gemeint und auch nicht offiziell autorisiert, aber immerhin.

Prototyp des Metrosexuellen

Manchmal muss auch nicht unbedingt die Frisur herhalten, um den Willen zu dokumentieren, mit der Zeit gehen zu wollen. Die Haarpracht im Gesicht der Herren ist ein ebenfalls unendliches Feld. Bei Bart und Fußballer ist es fast ein Automatismus, an Paul Breitner (Foto) zu denken. Er ist quasi der Urvater der Wildwuchs-und-Haarpracht-Ära. Eine ganze Zeit lang herrschte anschließend allerdings gähnende Leere auf Kinn und Wangen der Kicker. Vincent Grégoire, Lifestyle-Direktor bei der Pariser Trendagentur Nelly Rodi, macht auch dies an der Figur David Beckham fest. Der Insel-Kicker galt für ihn als Prototyp des Metrosexuellen, des glatt rasierten, eher schüchternen Mannes.

Seit einiger Zeit aber sprießen die Bärte wieder – und zwar so sehr, dass Grégoire inzwischen auch hier schon wieder den Höhepunkt erreicht sieht. „Wir sind am Gipfel des Trends angelangt“, sagte er unlängst. Denn: „Viele haben den Hipster über.“ Für die Zukunft sieht der Trend-Experte also wieder glatte Kicker-Gesichter voraus. Und bis dahin gelte auf jeden Fall: Wildwuchs, wie das, was sich im Gesicht des bis zuletzt noch aktiven Darmstädter Kultkickers Marco Sailer abspielt, ist völlig neben der Spur. „Bei einem modischen Bart reden wir nicht von einem Wildwuchsbart, sondern von einem sehr gepflegten Bart“, sagt Grégoire. So einem, wie ihn der inzwischen Ex-Dortmunder Mats Hummels seit einiger Zeit kultiviert.