Das sind die Frisurentrends der EM-Kicker
Am Ball und auf dem Kopf kreativ
Eigentlich sollte das Augenmerk bei Kickern auf den Füßen und ihren Filigrantechniken liegen. Aber oft genügt es anscheinend nicht, nur auf dem Platz zu glänzen – das könnte man zumindest glauben, wenn man sich die Frisuren mancher Fußballer ansieht. Die Optik reicht von dem Versuch, seinen Haaren Form zu geben, bis hin zu verwegenen Mustern und Botschaften auf dem Kopf.

Frankreichs Paul Pogba ist nicht nur auf dem Platz kreativ, sondern auch bei seiner Frisur.
Die Zeit, in der alles begann, liegt noch gar nicht so lange zurück. Noch vor zehn Jahren, vielleicht 15, sind wohl die wenigsten Fußballer auf die Idee gekommen, ihrem Haarschnitt besondere Bedeutung beizumessen. Kurz und gut war damals ein gern genommenes Motto. Waschen, trocken rubbeln, fertig. Das macht Thomas Müller wahrscheinlich bis heute so.
„Vokuhisela“ – vorne kurz, hinten sehr lang
Klar, auch in Zeiten davor gab es schon Ausreißer. Aber die fielen mehr in die Kategorien, irgendwo zwischen „Unglaublich fies“ und „Was soll das denn bitte sein?“. Bis heute hat keiner Berti Vogts bieder-brave Haarpracht vergessen. Ordnung muss eben nicht nur auf dem Platz sein. Oder Steffen Freund in seiner Zeit, als er noch ein königsblaues Trikot trug. Das war mehr ein „Vokuhisela“ – vorne kurz und hinten sehr lang. Von Kolumbiens Carlos Valderrama mit seiner übervollen blonden Korkenzieher-Pracht auf dem Kopf mal ganz zu schweigen. Immerhin: Die Frisur (wenn denn die Walle-Walle-Mähne diesen Namen verdient) hat den Kicker berühmt gemacht. Berühmter jedenfalls als seine Leistungen auf dem Platz.
Und heute? Heute ist alles anders. Weil Fußballer, die etwas auf sich halten, sich immer mehr als Marke begreifen, sind Frisuren inzwischen oft ein echtes Statement. Geföhnt, gestylt, bis in die Haarspitzen durchdacht. Und mit wem hat das alles angefangen? Na klar. Mit David Robert Joseph Beckham, Weltpokalsieger, Champions-League-Gewinner, Meister in England, Spanien und Frankreich, Officer of the British Empire, Ehemann von Ex-Spice-Girl Victoria und – vor allem – Trendsetter. Der inzwischen 41-jährige Beckham hat im Grunde schon alles auf dem Kopf gehabt, was ein Friseur aus Männerhaar formen kann. Gewuschelt und gestrubbelt, zum Pferdeschwanz gebunden und kahlrasiert und natürlich auch zum Undercut gestylt.
Markant-kantiger Kopfschmuck
Undercut, da war doch was? Seit Jahren beherrscht dieser Frisurentrend in Deutschland den Männerkopf. So sehr, dass natürlich auch viele Fußballer gerne folgen, weil man damit wunderbar zur Schau stellen kann, dass man aus tiefster Seele ein Hipster ist. Zudem bringt der Undercut aber noch einen weiteren, nicht zu verachtenden Vorteil mit sich: Wenn der Spieler von 90 Minuten auf dem Platz gezeichnet vor der Kamera steht, dann zeigt sich sein Undercut immer noch unbeeindruckt in guter Form. Dortmund-Star Marco Reus ist einer der bekanntesten Träger des Seite-kurz-oben-länger.
Aber, liebe trendorientierte Kicker, ihr müsst euch langsam damit anfreunden, eure Frisur zu überdenken, denn Style-Experten glauben, dass das Ende des markant-kantigen Kopfschmucks schon vor einiger Zeit eingeläutet worden ist. Es ist zwar nicht belegt, dass dieser Moment etwas mit dem Zeitpunkt zu tun hat, zu dem der ehemalige Tennis-Star und heutige Ich-twittere-über-alles-und-jeden Boris Becker dazu überging, den Rotschopf ebenfalls zum Undercut zu trimmen. Aber die zeitliche Nähe ist nicht von der Hand zu weisen.
Frisurentechnische Wundertüte
Der Hamburger Star-Frisur Jörg Oppermann ist jedenfalls ziemlich sicher und lässt sich folglich in einem Interview mit einem Männermagazin so zitieren: „Die Haarschnitte werden 2016 weicher, runder, fließender.“ Auf jeden Fall wandelbar müsse der aktuelle Stil sein. Immer mal was Neues also. Okay, das hört das Kreativzentrum von Frankreichs Superstar Paul Pogba gerne. Was der alte, der brasilianische Ronaldo um die Jahrtausendwende war, ist der Mittelfeldspieler, der aktuell noch für Juventus Turin gegen den Ball tritt, für die Neuzeit: eine frisurentechnische Wundertüte.
Wenn es die Haarlänge erlaubt, lässt sich Pogba stets neue Zeichen, Ziffern oder geometrische Figuren in seine kurz geschorene Seitenpartie rasieren. Auch wenn er nicht einen Tigerkopf à la Stefan Effenberg auf dem Schopfe trägt, fallen die oftmals gefärbten Pogba-Rasuren doch garantiert genauso auf. Mal ehrt der Fußballer mit den Künsten seines Barbiers einen von ihm geliebten American-Football-Star, mal will er einfach nur wieder etwas Neues ausprobieren. Vor einigen Jahren hat sein Hang zum regelmäßigen Frisurenwandel dann den vorläufigen Höhepunkt erreicht: „Pogba’s Hair“ bekam seinen eigenen Twitter-Account. Klar, nicht ganz ernst gemeint und auch nicht offiziell autorisiert, aber immerhin.
Prototyp des Metrosexuellen
Manchmal muss auch nicht unbedingt die Frisur herhalten, um den Willen zu dokumentieren, mit der Zeit gehen zu wollen. Die Haarpracht im Gesicht der Herren ist ein ebenfalls unendliches Feld. Bei Bart und Fußballer ist es fast ein Automatismus, an Paul Breitner (Foto) zu denken. Er ist quasi der Urvater der Wildwuchs-und-Haarpracht-Ära. Eine ganze Zeit lang herrschte anschließend allerdings gähnende Leere auf Kinn und Wangen der Kicker. Vincent Grégoire, Lifestyle-Direktor bei der Pariser Trendagentur Nelly Rodi, macht auch dies an der Figur David Beckham fest. Der Insel-Kicker galt für ihn als Prototyp des Metrosexuellen, des glatt rasierten, eher schüchternen Mannes.
Seit einiger Zeit aber sprießen die Bärte wieder – und zwar so sehr, dass Grégoire inzwischen auch hier schon wieder den Höhepunkt erreicht sieht. „Wir sind am Gipfel des Trends angelangt“, sagte er unlängst. Denn: „Viele haben den Hipster über.“ Für die Zukunft sieht der Trend-Experte also wieder glatte Kicker-Gesichter voraus. Und bis dahin gelte auf jeden Fall: Wildwuchs, wie das, was sich im Gesicht des bis zuletzt noch aktiven Darmstädter Kultkickers Marco Sailer abspielt, ist völlig neben der Spur. „Bei einem modischen Bart reden wir nicht von einem Wildwuchsbart, sondern von einem sehr gepflegten Bart“, sagt Grégoire. So einem, wie ihn der inzwischen Ex-Dortmunder Mats Hummels seit einiger Zeit kultiviert.