Das ist der beste "Faust" von Gounod in der Region
Check an vier Häusern
Der „Faust“ von Charles Gounod ist in diesem Jahr eine Lieblingsoper der Theater. Wir haben uns vier Inszenierungen, in Dortmund, Essen, Münster und bei den Salzburger Festspielen, angesehen und verglichen. Der „Faust“-Check.
Inszenierung:
In Münster erzählt Aron Stiehl die Geschichte aus Mephistos Sicht. Das macht Spaß, ist unterhaltsam und witzig. Und dieser Mephisto beherrscht auch viele überraschende Zaubertricks.4 von 5 Sternen
In Dortmund setzt Regisseur John Fulljames während der ganzen Oper einen alten Faust auf die Bühne. In seiner Erinnerung spielt das Stück. Aber die zusätzliche Figur auf der Bühne stört.1 von 5 Sternen
In Essen war in der vergangenen Saison die Inszenierung, die Philipp Stölzl 2015 an der Deutschen Oper Berlin herausgebracht hat, zu sehen. Ganz ruhig und sehr fantasievoll erzählt Stölzl die Geschichte auf einer Drehscheibe, die um eine Säule rotiert. Das überrascht und unterhält glänzend.5 von 5 Sternen
Bei den Salzburger Festspielen war Reinhard von der Tannen für Regie, Bühne und Kostüme zuständig und bot gepflegte Langeweile und manchmal auch alberne Szenen wie in der Revuenummer oder beim Aufmarsch der Zipfelmützengesellschaft.1 von 5 Sternen
Bühne und Kostüme:
Dietlind Konold hat für das Theater Münster ein pfiffiges Bühnenbild entworfen: Mit Guckklappen für den Chor und einer kleinen Guckkasten-Bühne von Mephisto. Da schaut man gerne hin. Die Kostüme sind guter Durchschnitt, bei Mephisto staunt man über die vielen Kleiderwechsel.4 von 5 Sternen
Magdalena Gut hat auf die Bühne des Dortmunder Opernhauses ein graues-Bunker-Keller-Loch gebaut. Der Baum, der verkehrt herum von der Decke baumelt, ist ein Hingucker, sonst aber wenig. Über die Kostüme des von Julia Kornacka schlecht angezogenen Opernchors wundert man sich. Der alte Faust ist ein Klischee-Greis.1 von 5 Sternen
In der Essener Aalto-Oper ist ein wirklich originelles Bühnenbild zu sehen: Die Spielfläche ist eine Scheibe, die sich um eine Säule dreht. Auf die Scheibe werden hinten alle Requisiten und Möbelstücke geschafft – auch ein kleiner Wohnwagen für Margarethe. Mal was Neues, sehr fantasievoll. Die Kostüme von Ursula Kudrna sind besonders in der Maskenszene des Chors großartig.5 von 5 Sternen
Eine Showtreppe mit einem Auge im Zentrum, ein Riesenskelett, das von der Decke schwebt, gewaltige Orgelpfeifen und eine Kirche auf einem Bollerwagen sind bei den Salzburger Festspielen zwar optisch effektvoll, aber tragen nicht über drei Stunden. Die Kostüme zeigen klassische Schwarz-Weiß-Eleganz.2 von 5 Sternen
Sänger:
Münster hat mit Gregor Dalal einen tollen Mephisto. Und mit Paul O’Neill als Gast einen ordentlichen Faust. Zwei Margarethes teilen sich die Vorstellungen.3 von 5 Sternen
Dortmund punktet beim „Faust“ mit einer Luxusbesetzung: Besser als Karl-Heinz Lehner ist auch René Pape nicht als Mephisto. Und Eleonore Marguerre und Lucian Krasznec sind ein Traumpaar.5 von 5 Sternen
Margarethe und Faust (Jessica Muihead und Absellah Lasri) sind auch in Essen toll besetzt, der Mephisto ist etwas schwächer.4 von 5 Sternen
Salzburg punktet mit Startenor Piotr Beczala als Faust – großartig in dieser Partie. Der Rest des Ensembles singt auf gehobenem Stadttheater-Niveau.3 von 5 Sternen
Originalität:
Münster hat pfiffige Ideen – mit den Klappen im Bühnenbild, für Auf- und Abtritte des Mephisto und die eindrucksvolle Kindesmord-Szene.4 von 5 Sternen
Dortmund hat den Baum und zu Beginn einen Mephisto im Krankenschwester-Kittel.2 von 5 Sternen
Essen liegt wieder klar vorn mit dem Bühnenbild und der Inszenierungs-Idee.5 von 5 Sternen
Naja, originell ist Salzburg nicht mit den Zwergen und der Schwarz-Weiß-Inszenierung. Ästhetisch, aber nicht überraschend.3 von 5 Sternen
Orchester und Chor:
Das Sinfonieorchester Münster spielt unter Leitung von Stefan Veselka auf hohem Niveau, auch der Chor ist gut.3 von 5 Sternen
Motonori Kobayshi zaubert aus dem Graben der Dortmunder Philharmoniker französische Eleganz. Und er setzt die Klangwelt des Mephisto sehr schön gegen die von Faust und Margarethe ab.4 von 5 Sternen
In Essen steht mit Sébastien Rouland ein Franzose am Pult der Philharmoniker. Das hört man, es klingt elegant und süffig.4 von 5 Sternen
In Salzburg dirigiert Alejo Pérez die Wiener Philharmoniker und den Philharmonia Chor Wien. Natürlich klingt das toll.5 von 5 Sternen
Gesamtwertung:
Münster: 4 von 5 Sternen
Dortmund: 3 von 5 Sternen
Essen: 5 von 5 Sternen
Salzburg: 3 von 5 Sternen
Termine und Karten:
Theater Münster: 6. / 8. / 23.10., 20. / 29.11., 2.12., 28. 1.; Karten: Tel. (0251) 590 91 00
Theater Dortmund: 30.9., 2. / 9. / 15. / 22.10., 3. / 11.11.; Karten: Tel. (0231) 502 72 22
Theater Essen: In dieser und der nächsten Spielzeit steht der „Faust“ aus der Saison 2015/16 nicht auf dem Spielplan, aber vielleicht danach noch einmal.
Die Salzburger Festspiele bringen meist DVD-Produktionen von ihren Premieren heraus.
Ein Extra:
Wer Gounods „Faust“ für den DVD-Spieler zu Hause kaufen möchte, sollte zur Aufnahme aus der Met in New York greifen. – Nicht nur wegen Jonas Kaufmann als Faust, René Pape als Mephisto, und der schönen Inszenierung von Desmond McAnuff (mit einem tollen Schlussbild), sondern vor allem wegen des Dirigenten Yannick Nézet-Séguin. Was er aus der Musik herausholt, ist großartig (Decca, rund 15 Euro).