Mein Sohn erblickt mich. Vor Schreck reißt er die Augen auf. Hastig zieht er sich den Ausschnitt seines Pullovers über das halbe Gesicht. Dann macht er einen Hechtsprung und landet polternd im Wohnzimmer. Vorsicht, Leute. Papa ist im Flur unterwegs...
Diese Szene habe ich in diesem Monat einige Tage lang öfters erlebt. Es fühlt sich nicht gut an, wenn ein Kind Angst vor einem hat. Als der Knabe dann selbst seinen positiven Corona-Test hatte, tat er mir umso mehr leid. Er war so vorsichtig, und gebracht hat es ihm nichts.
Wieder Corona: unglaublich nervig
Ich muss einmal die gute Nachricht vorwegnehmen: Wir haben Corona erst einmal wieder hinter uns gebracht. Alle sind (wieder) wohlauf, und das ist gut, denn dass das Virus Menschen schwer krank machen kann, das haben ja inzwischen fast alle verstanden, die zum Verstehen in der Lage sind.
Unser Ausflug in die Seuche war aber unglaublich nervig. Er kam schnell, woher weiß keiner. Erst dieses „Halskratzen“, da war der Selbsttest noch negativ. Tags darauf war ich krank, und ein zweiter Strich auf dem Teststreifen zeigte an, was ich hatte. Kinder, Frau und Opa zückten sicherheitshalber auch die Wattestäbchen und siehe da: Covid hatte sich auch bei meiner jüngeren Tochter schon messbar eingenistet, bei den anderen war die Spucke noch sauber. „Hey, wir zwei sind die Corona-Leute“, sagte das Kind mit gequältem Lächeln zu mir. Sie reichte mir solidarisch die Faust, als wir zusammen in „unseren“ Teil der Wohnung umzogen.
Corona-WG getrennt von den anderen
Ich hauste fortan im Kinderzimmer des Jüngsten. Meine Tochter musste gegenüber den Raum ihres großen Bruders beziehen. So richtig schlimm fand die Sechstklässlerin das Ganze gar nicht. Sie war zum Glück überhaupt nicht krank. Und Quarantäne bedeutete: Leben im einzigen Kinderzimmer, das schon einen Fernseher hat, und Fernhalten von der Schule. Es geht ja nunmal nicht anders. Als der Isolierten klar wurde, dass auch ihr Mannschaftsausflug am Wochenende ohne sie stattfinden musste, kippe die Stimmung allerdings. Sie bedachte Corona mit diversen Schimpfwörtern. Ich musste ihr Recht geben.
Quarantäne hat allerdings auch ihr Gutes. Mein Töchterchen und ich, wir mussten Hausaufgaben machen, konnten aber auch Karten spielen und plauderten mal in Ruhe über Politik, Grenzen in Europa, überhaupt über Frieden und warum John Lennon eigentlich mit vielem Recht hatte. Ein gutes Gespräch. Ich konnte auch wieder dazulernen: Zwischendurch zeigte mir das Mädchen ein paar Tricks am Smartphone, natürlich nicht ohne genervtes Kopfschütteln. „Digga, wo lebst du eigentlich?“
Legendäre Immunität
Was überrascht mehr? Dass trotz Isolierung zwei in der Familie auch positiv wurden? Oder dass trotz allem zwei in der Familie bis zum Ende negativ blieben? Jedenfalls musste zwischendurch die Raumaufteilung an das Infektionsgeschehen angepasst werden. Kind 4 zog zu Papa in sein eigenes Zimmer. Der Junge musste jetzt keine Angst mehr haben. Kind 3 konnte mit dem frisch infizierten Kind 2 zusammenziehen, sodass Kind 1 wieder sein TV-Zimmer zurückbekam. Der Große konnte dort wieder in Ruhe negativ sein. Er ist sowieso ein Phänomen. Der dritte Viruseinbruch bei uns seit Beginn des ganzen Theaters, und mein ältester Sohn war bisher immer negativ. Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass diese Tests wirklich manchmal schlecht funktionieren. Er selbst geht davon aus, dass Viren von ihm praktisch abperlen: „Ich bin halt Legende.“
„Papatastisch“ heißt die Familienkolumne von Redakteur und Vater Thomas Raulf. Alle Schilderungen beruhen auf wahren Ereignissen, aber lesen Sie gern ein Augenzwinkern mit. Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie auf unserer Internetseite: www.hellwegeranzeiger.de/schlagwort/papatastisch

Panne auf der A44: Wie Vater und Sohn endlich Zeit zum Lesen finden