Dänemark hat jetzt eine App für einvernehmlichen Sex
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In Dänemark gilt seit Dezember Geschlechtsverkehr ohne explizite Einwilligung als Vergewaltigung. Das Gesetz sorgt offenbar für so viel Unsicherheit, dass nun eine App Abhilfe schaffen soll.

Wer in Dänemark Sex haben möchte, kann künftig vorher per App eine Art Vertrag abschließen. © picture alliance/dpa/dpa-tmn
Dass in den Appstores der Smartphonehersteller zahlreiche Anwendungen zu finden sind, die sich explizit um „das Eine“ drehen, ist spätestens seit Tinder, Grindr und Co. keine Überraschung mehr. Diese Idee allerdings ist neu: iConsent aus Dänemark ist eine neue App, die einvernehmlichen Sex mehr oder weniger vertraglich festhält. Eine Idee, die im Land nun für viele Diskussionen sorgt – und zum Teil für einen Sturm der Entrüstung.
Der Grund, warum die App überhaupt vor einer Woche den Weg in die Appstores fand, ist ein neues dänisches Gesetz. Dieses macht seit dem 17. Dezember die ausdrückliche Zustimmung zum Sex verpflichtend – Sex ohne explizite Einwilligung wird als Vergewaltigung gewertet. Schon im Nachbarland Schweden war 2018 ein ganz ähnliches Gesetz in Kraft getreten, demnach müssen die beteiligten Personen verbal oder nonverbal dem Geschlechtsakt zustimmen.
Ein digitaler Sexvertrag
Ein App-Entwickler hat darin nun offenbar ein Geschäftsmodell erkannt. Seit der vergangenen Woche ist iConsent in den dänischen Appstores verfügbar und funktioniert so: Zunächst muss der Nutzer die Telefonnummer des- oder derjenigen eingeben, mit dem oder der er Sex haben möchte. Diese Person bekommt daraufhin eine Benachrichtigung – und kann dem Geschlechtsverkehr zustimmen oder ihn ablehnen.
Diese Einwilligung gilt nur für einen einzigen Geschlechtsverkehr, ist 24 Stunden gültig und kann auch jederzeit widerrufen werden. Der digitale „Vertrag“ wird verschlüsselt gespeichert und kann vorgezeigt werden, sollte man die Einwilligung tatsächlich einmal nachweisen müssen. Die Entwickler der App hoffen nach eigenen Angaben, „die digitale Zustimmung zur Norm zu machen und Missverständnissen und Missbrauch vorzubeugen“.
Doch so kurios die Idee, auf so große Ablehnung stößt sie auch. Vor allem die Politik fühlt sich missverstanden. Im dänischen Gesetz gehe es keineswegs darum, Menschen dazu zu bringen, vor dem Geschlechtsverkehr einen Vertrag zu unterschreiben, heißt es aus den Reihen derjenigen, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren. Vielmehr sei es das Ziel, die Menschen zum Einanderzuhören und Miteinandersprechen zu bringen, und dazu, auf Nuancen einzugehen.
In Schweden zeigt Gesetz bereits Wirkung
Der dänische Justizminister Nick Hækkerup hatte die Einführung des Gesetzes im Dezember als „bahnbrechenden Tag für die Gleichstellung der Geschlechter“ bezeichnet. Jetzt werde klar, dass es Vergewaltigung sei, wenn nicht beide Parteien dem Sex zustimmen. Gleichzeitig wurden mehrere Initiativen gestartet, um die Bedingungen für Vergewaltigungsopfer zu verbessern. So sollen Opfer sexueller Übergriffe das Recht bekommen, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, bevor der Übergriff der Polizei gemeldet wird.
Laut dem Gesetz kann eine Zustimmung zum einen verbal erfolgen – also indem man konkret den Wunsch äußert, Sex zu haben. Aber auch nonverbale Aktionen gelten als Zustimmung, etwa das Ausziehen oder gegenseitiges Anfassen. Wenn sich eine Person allerdings ausschließlich passiv verhalte und den Sex mehr oder wenig über sich ergehen lasse, gelte das nicht mehr als Zustimmung – das war vorher anders.
In Schweden hat das neue Gesetz bereits Wirkung gezeigt: Seit der Einführung war die Anzahl der Anklagen und Verurteilungen aufgrund einer Vergewaltigung deutlich gestiegen. In einem konkreten Fall war ein 27-Jähriger verurteilt worden, weil er eine junge Frau unsittlich berührt hatte. Die Frau hatte zwar einer Übernachtung im selben Bett zugestimmt, jedoch nicht sexuellen Handlungen – nahm diese jedoch stillschweigend dann doch hin. Der Mann wurde schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt.
„So unsexy wie eine Corona-Konferenz“
In beiden Ländern jedoch zog das Gesetz bei seiner Einführung auch Kritik auf sich. Denn eine große Frage bleibt: Wie genau soll sich das alles beweisen lassen? Eine Frage, die sich offenbar auch die Entwickler von iConsent gestellt haben.
Auf viel Gegenliebe stößt ihre Idee allerdings nicht. In dänischen Tageszeitungen bezeichnen Experten die App als „unsinnig“ oder als „schrecklich schlechte Idee“ – manche sprechen von einem „skandalösen Missverständnis“. Die Zeitung „Berlingske“ urteilte, die App mache „Sex so unsexy wie eine Corona-Pressekonferenz“.
Die dänische Sexologin und Leiterin der Aufklärungsorganisation Sex & Samfund, Lene Stavngaard, sagte: „Die App ist definitiv nicht die Lösung, um eine Einwilligung zu erhalten. Bei einer sexuellen Beziehung geht es nicht um einen Vertrag.“ Die App sei offensichtlich von jemandem entwickelt worden, „der weder einen professionellen Ansatz in Bezug auf Geschlecht, Körper oder Sexualität hat noch zugehört hat, was in der Debatte besprochen wurde“.
„Auch ein Kondom war früher seltsam“
Auch der klinische Sexologe Jesper Bay-Hansen kritisierte die App: „Es ist eine Fähigkeit, andere sexuell zu lesen. Wenn wir das in eine App auslagern, lassen wir die Gelegenheit aus, diese Fähigkeit zu erlernen.“ Bay-Hansen befürchtet zudem, dass langfristig die Leidenschaft auf der Strecke bleibt. „Es ist wichtig zu verstehen, dass wir manchmal auch die Signale des anderen falsch lesen.“
Und der Verteidiger Morten Bjerregaard erklärte gegenüber dänischen Medien, die App würde vor Gericht ohnehin nicht standhalten. Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit, seine Meinung in der App wieder zu revidieren. „Die elektronische Zustimmung wird es nicht einfacher machen zu beweisen, dass man keine Vergewaltigung begangen hat“, so Bjerregaard.
Carsten Nielsen, Mitentwickler der App, verteidigte iConsent derweil und betont, dass die App einfach „ihrer Zeit voraus“ sei. „Es ist auch seltsam, dass wir ein Kondom anziehen müssen. Und es wäre auch seltsam, wenn das Kondom heute erfunden würde. Aber eigentlich ist es eine ziemlich gute Idee.“ Die App sei heute vielleicht auch „umstritten“ und „seltsam“. „Aber vielleicht fühlt es sich in einem Jahr schon normaler an.“
RND
Der Artikel "Dänemark hat jetzt eine App für einvernehmlichen Sex" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.