Antworten des NRW-Ministeriums zur Schulöffnung reichen Eltern nicht aus

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Antworten des NRW-Ministeriums zur Schulöffnung reichen Eltern nicht aus

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Hausaufgaben im Home-Office - das ist in Corona-Zeiten seit Wochen Alltag in vielen Familien. Nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer sehen die Landesregierung in der Pflicht.

Dortmund

, 15.05.2020, 16:21 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mehr Gespräche, mehr Antworten, mehr Beteiligung: Franz-Josef Kahlen von der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW hatte kritisiert, dass Eltern bei Fragen nach Schulunterricht in der Corona-Krise mehr einbezogen werden müssten. Mittlerweile hat sich auch das Ministerium für Schule und Bildung geäußert.

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„In den vergangenen Wochen sind mehrere Gespräche mit Vertretern von Elternverbänden geführt und diese einbezogen worden“, heißt es vonseiten des Schulministeriums. Genauso habe man mit Lehrerverbänden Gespräche geführt.

„Alle Schulen sollen, auch im Interesse der Eltern, einen transparenten und verbindlichen Plan erarbeiten, aus dem ersichtlich wird, an welchen Tagen die verschiedenen Lerngruppen bis zu den Sommerferien Präsenzunterricht haben.“

Eltern: „Lage an manchen Schulen ist kritisch“

Mit dieser Antwort will sich Elternvertreter Kahlen nicht zufrieden geben. „Es hat mit uns seit den landesweiten Schulschließungen am 13. März 2020 zwei persönliche Gespräche mit der Ministerin und dem Staatssekretär gegeben sowie zwei Telefonate, von denen ich weiß“, sagt er.

Das Ministerium nehme den Elternverband in Mithaftung, „indem der Eindruck erweckt wird, dass wir an den Beratungen, der Auswertung der Optionen und der Entscheidungsfindung an irgendeiner Stelle hätten Input geben können. Das entspricht nicht den Tatsachen“.

Das Gegenteil sei der Fall: Der Elternverband höre „von unzähligen Problemen von Eltern und Schülern“. Man wisse von Schulleitern, wie kritisch die Lage an manchen Schulen ist. „Diese melden wir mindestens wöchentlich an das Ministerium. Aber eine konstruktive Antwort sehen wir nicht.“

Lehrerverband: „Informationen sind teilweise widersprüchlich“

Die Kritik der Eltern richtet sich nicht gegen die Lehrer. Im Gegenteil: Ein Schulterschluss ist erkennbar. Brigitte Balbach ist Vorsitzende des Verbands „Lehrer NRW“. Die Corona-Pandemie sei „eine nie dagewesene Herausforderung“. Bisher hätten Lehrer und Schulen diese Situation mit Einsatz und Improvisationstalent gut gemeistert.

Mit den Hygienekonzepten und Abstandsregeln stoßen viele Schulen jetzt schon an ihre Grenzen.

Mit den Hygienekonzepten und Abstandsregeln stoßen viele Schulen jetzt schon an ihre Grenzen. © Foto dpa

„Zu kritisieren ist sicherlich, dass die Informationen des NRW-Schulministeriums in den vergangenen Wochen zum Teil widersprüchlich waren und nachkorrigiert werden mussten, zum Beispiel die vermeintliche Freiwilligkeit des Unterrichtsbeginns für Zehntklässler am 23. April“, erklärt Balbach. Bei der Umsetzung des Hygienekonzepts hätte man sich mehr Vorlauf gewünscht.

Apropos Vorlauf: Die Frage bleibt, wie langfristig die Schulen die Eltern zukünftig informieren können. Bisher erkundigen sich viele Eltern am Wochenende auf der Homepage der Schule über mögliche Präsenztage in der darauffolgenden Woche. Mit Änderungen ist jederzeit zu rechnen.

Spagat zwischen Verbindlichkeit und Freiheit

Bereits jetzt stoßen die Konzepte der Schulen an Grenzen. „Geteilte Klassen bedeuten doppelten Personalbedarf. Da viele Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen, weil sie älter als 60 Jahre sind oder einer Risikogruppe angehören, ist die Personaldecke schon bei nur einem zu beschulenden Jahrgang und der angebotenen Notbetreuung sehr dünn“, sorgt sich die Vorsitzende.

Die Konsequenz müsse sein, dass die Schulen entscheiden, in welchem Umfang sie Präsenzunterricht anbieten können. „Wir erwarten, dass das Schulministerium den Schulen hohe Flexibilität einräumt und den Schulleitungen sowie Lehrkräften den Rücken stärkt“, so Balbach.

Warum nicht wöchentlich wechseln statt tageweise?

Das System, tageweise zu wechseln, gefällt den Vertretern der Landeselternschaft grundsätzlich nicht. Franz-Josef Kahlen führt als Vorbild Bayern an: „Eine Woche lernen in der Schule, eine Woche arbeiten zu Hause. Man könnte dann eine Hälfte der Klasse im Präsenzunterricht beschulen und die andere Hälfte bekommt Aufgaben, die zu Hause bearbeitet werden müssen.“

Auch die Frage nach einer verbindlichen Bewertung der Leistungen stellt sich. Denn momentan gleicht die Abfrage von Fach zu Fach, von Lehrer zu Lehrer einem Flickenteppich. Mancher möchte die Hausaufgaben abfotografiert bekommen, andere wollen die Leistungen später kontrollieren.

Wenn Mama und Papa bei Englisch helfen können, hat der Fünftklässler Glück. Doch nicht alle Eltern können helfen.

Wenn Mama und Papa bei Englisch helfen können, hat der Fünftklässler Glück. Doch nicht alle Eltern können helfen. © Niehaus

Dazu betont das NRW-Schulministerium, dass die während des Ruhens des Unterrichts bearbeiteten Aufgaben in der Regel keiner Leistungskontrolle oder -bewertung unterliegen. „Gute Leistungen aus der Ferne könnten mit benotet werden, nicht erbrachte oder nicht hinreichende Leistungen hingegen werden nicht in die Zeugnisnote einbezogen.“ Den Schülern sollten so keine Nachteile entstehen.

Befürchtung: Kinder verstehen den Stoff nicht

Franz-Josef Kahlen kontert: „Dass Unterrichtsausfälle und daraus entstehende Wissenslücken nicht zum Nachteil der Schüler bewertet werden können, versteht sich von selber.“ Seine Befürchtung sei, dass viele Kinder den Unterrichtsstoff nicht verstanden haben und anwenden können. „Nicht überraschend läuft ja auch deswegen eine Diskussion, ob das Schulhalbjahr wiederholt werden sollte.“

Von Kommune zu Kommune sehe der Elternverband unterschiedliche Interpretationen der ministeriellen Vorgaben. Kahlen: „Ein Thema ist der mittlere Schulabschluss. Wie wird der vergeben?“ Das Schulministerium müsse sicherstellen, dass Absolventen aller Abschlüsse die Möglichkeit haben, ihren Schulbesuch oder ihre Ausbildung nahtlos fortzusetzen. Auch um die aktuelle Q1, die im nächsten Jahr Abitur machen soll, mache man sich Sorgen. Hier gebe es bereits „große Wissenslücken“.

Lehrerverband: „Kein Dauer-Improvisationsmodus“

Der Lehrerverband zieht in Betracht, dass auch nach den Sommerferien ein flexibles System aus Präsenzunterricht und Distanzlernen stattfinden könnte. Brigitte Balbach: „Das darf dann aber nicht im Dauer-Improvisationsmodus laufen. Das Schulministerium muss ein verbindliches Rahmenkonzept entwickeln, das den Schulen unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation vor Ort eine gewisse Flexibilität einräumt.“

Gleiche Chancen für alle: Das fordern Eltern und Lehrer. Dazu gehört auch die technische Ausstattung für den digitalisierten Unterricht.

Gleiche Chancen für alle: Das fordern Eltern und Lehrer. Dazu gehört auch die technische Ausstattung für den digitalisierten Unterricht. © Foto dpa

Dieses Konzept müsse mit den Lehrerverbänden abgestimmt werden und sollte möglichst schon vor den Sommerferien vorliegen. Darin müsse auch die Frage nach der Leistungsbewertung geklärt werden.

Außerdem müsse gewährleistet sein, dass alle Kinder über gleiche Chancen und Ressourcen verfügen. „Lehrkräfte sowie Schüler müssen über entsprechende Endgeräte sowie datensichere Kommunikationskanäle verfügen können. Hier ist die Politik in der Pflicht.“

Auch hier führt die Landeselternschaft das Bundesland Bayern an: „Man stellt dort 50.000 Endgeräte, also Laptops und Tablets, zur Verfügung. Wir hören jetzt endlich, dass eine ähnliche Maßnahme auch in NRW kommen soll“, sagt Kahlen. Damit wäre bei einer Baustelle im System ein Fortschritt erzielt. „Das erkennen wir an. Aber damit allein stellen wir das System Schule nicht vom Kopf auf die Füße.“

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