Eltern fordern verzweifelt klare Planungen für den Schulunterricht

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Eltern fordern verzweifelt klare Planungen für den Schulunterricht

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Die Rückkehr in den normalen Schulunterricht wird in NRW voraussichtlich noch lange dauern. Viele Eltern sagen mittlerweile in der Corona-Krise: So geht es nicht weiter. Sie fordern Klarheit.

Dortmund

, 12.05.2020, 18:01 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit zwei Monaten sind die Schulen wegen des Coronavirus geschlossen. Viele Eltern sind am Rande der Verzweiflung. Sie müssen nicht nur im Home Office arbeiten, sondern gleichzeitig mit ihren Kindern unregelmäßige Verben, binomische Formeln und die Entstehung des Elektromagnetismus lernen.

Mit den von der Bundesregierung am 6. Mai beschlossenen Lockerungen müssen auch wieder mehr Eltern arbeiten gehen. In Friseurläden, Restaurants und Geschäften. Während geregelter Schulunterricht für ihre Kinder noch in weiter Ferne liegt.

Landeselternschaft: „Es fehlen klare Vorgaben“

Professor Franz-Josef Kahlen von der Landeselternschaft der Gymnasien (LEGYM) NRW ist sauer. Denn es ist nicht nur der Lernstoff, bei dem die Kinder Hilfe brauchen. „Eltern müssen gleichzeitig Kinder von der Grundschule bis zur Oberstufe betreuen, diese motivieren, Zugang zum Internet und die Anschaffung und Nutzung der Endgeräte ordnen“, sagt der 54-Jährige. Hinzu käme unter Umständen noch die Betreuung der eigenen Eltern.

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Videogespräch: Eltern fordern Masterplan für Schulunterricht

Die Landeselternschaft hofft, sagt Kahlen, auf „erhellende Antworten“ vonseiten des Schulministeriums. „Aktuell bedauern wir sehr, dass es bisher überhaupt keine Vorgaben für die Beschulung im kommenden Schuljahr gibt.“

Eltern aus Rheine haben Online-Petition gestartet

Mittlerweile haben sich die Schulpflegschaftsvorsitzenden der Gymnasien und der Gesamtschule in Rheine zusammengeschlossen und eine Online-Petition „Masterplan Beschulungskonzept NRW“ gestartet.

Eine dieser Schulpflegschaftsvorsitzenden ist Julia Hecking-Veltman: „Als aufgrund des Coronavirus die Schulen geschlossen wurden, sah ich auf der einen Seite, wie bereitwillig Eltern, Schüler und Lehrer versuchten, sich auf die neue Situation einzustellen“, beschreibt sie die Situation.

Schulpflegschaftsvorsitzende Julia Hecking-Veltman (50)

Schulpflegschaftsvorsitzende Julia Hecking-Veltman (50) © privat

Doch auf der anderen Seite habe es eine große Verunsicherung gegeben, weil niemand wusste, was als Nächstes kommen würde. „Eine kurze Zeit kann man ,auf Sicht‘ fahren, aber dann muss ein Masterplan kommen“, fordert Hecking-Veltman.

Nichts ist planbar: Wann ist Unterricht, wann nicht?

Zeiten für Präsenzunterricht würden so kurzfristig bekanntgegeben, dass Eltern, selbst im Home-Office, ihre Kinderbetreuung nicht planen können. „Und die Schüler erfahren zum Teil erst im Nachhinein, auf welcher Basis sie benotet werden“, klagt Hecking-Veltman.

Dieser Meinung ist auch Professor Kahlen: „Schule muss als Ort der Wissens- und Persönlichkeitsbildung mitgedacht werden. Das schließt für die Zukunft einen abgestimmten Präsenz- und Onlineunterricht ein. Nicht nur die Wirtschaft braucht Planbarkeit, und Schule darf nicht um Wirtschaft ,drumherum‘ geplant werden.“

Die Arbeitswelt der Verkäuferin im Supermarkt umfasse fünf Arbeitstage, genauso wie bei den Mitarbeitern im Ministerium. „Was hilft es denen, wenn ein Kind wie aktuell einmal pro Woche zur Schule gehen darf? Wer betreut die Kinder an den anderen Tagen? Wir brauchen alltagstaugliche Pläne“, wettert er.

„Pandemien wirbeln unser Leben durcheinander“

Dabei haben die NRW-Eltern durchaus Verständnis für die Situation. Julia Hecking-Veltman sagt: „Keiner weiß, wie es mit dem Coronavirus weitergeht, deshalb ist die Planung schwierig. Aber die wichtigste Währung für ein Ministerium ist das Vertrauen der Menschen im Lande. Deswegen müssen die Grundlagen geschaffen werden, damit sich alle auf realistische Szenarien einstellen können.“

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Kahlen räumt ebenfalls ein: „Der Schulbetrieb läuft gerade an vielen Schulen auf Zuruf. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir als Gesellschaft keine Erfahrung mit Pandemien haben und damit, wie sie unser Leben durcheinanderwirbeln.“ Das müsse man bei aller Kritik berücksichtigen.

„Aber es hängt auch an fehlender Planung sowie unklaren Formulierungen und Vorgaben seitens des Ministeriums“, klagt der vierfache Vater. Vor allem an den Grundschulen brauche man zuverlässige Strukturen, von der Betreuung bis zum Erlernen der Grundfertigkeiten im Rechnen, Schreiben und Lesen.

Müssen Klassenfahrten storniert werden?

Ein weiterer Aspekt, der auf Eltern zukommt, sind Klassenfahrten. „Die finden normalerweise im September statt. Wird das auch im kommenden Schuljahr so sein? Was ist mit Stornierungen und den daraus entstehenden Kosten? Das ist für Eltern heute auch nicht planbar“, bemängelt Franz-Josef Kahlen.

Professor Franz-Josef Kahlen von der Landeselternschaft NRW

Professor Franz-Josef Kahlen von der Landeselternschaft NRW © Foto Tabea Hahn

Schließlich ist es auch eine Frage der Technik, wie gut oder schlecht der Unterricht von zu Hause aus funktioniert. Eine Verbesserung dieser Technik hat zuletzt auch der Verband Bildung und Erziehung gefordert.

„Wir brauchen eine verbesserte digitale Technik“, sagt auch Franz-Josef Kahlen. Aber: „Als soziale Wesen lernen wir am besten zusammen mit anderen Menschen.“ Der Online-Unterricht könne den persönlichen Kontakt nicht ersetzen - während fehlende Technik kein Hindernis für Zugang zu Bildung sein dürfe.

Zur Person: Franz-Josef Kahlen und Julia Hecking-Veltman
  • Franz-Josef Kahlen ist 54 Jahre alt und Vater von vier Kindern. Er ist stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender am Kopernikus-Gymnasium in Rheine und war von 2008 bis 2010 gewähltes Mitglied im Schulvorstand der Deutschen Schule Kapstadt.
  • Sein berufliches Schwerpunktthema ist seit über zehn Jahren die Qualifikation von technischem Personal und Ingenieuren für die Projektarbeit in multidisziplinären Teams. Kahlen ist Ansprechpartner der Arbeitsgruppe MINT der Landeselternschaft.
  • Julia Hecking-Veltman ist 50 Jahre alt. Die Tierärztin aus Rheine hat drei Kinder, die die Jahrgangsstufen 9, 11 und 12 besuchen. Oder vielmehr: besucht haben. Momentan lernt der Nachwuchs von zu Hause aus. „Die Kinder können zum Glück schon sehr viel alleine, aber die Motivation wird allmählich schwierig“, sagt Hecking-Veltman.
  • Julia Hecking-Veltman ist Schulpflegschaftsvorsitzende des Emsland- Gymnasiums. Die anderen Schulen, die die Petition initiiert haben, sind das
    Dionysianum, das Kopernikus-Gymnasium und die Euregio-Gesamtschule.
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