Corona, Krieg und Koalitions-Krach Halbzeit für die Ampel-Regierung

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Man kann über die Ampel denken und sagen, was man will, eines ist unbestritten: Wohl kaum eine andere neue Bundesregierung ist so turbulent in ihre Amtszeit gestartet, wie die von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Heute jährt sich zum zweiten Mal die Wahl, die zum ersten Bündnis von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene führte.

Die erste Halbzeit der Legislaturperiode ist damit vorbei. Sie war erst von der Corona-Pandemie, dann vom Krieg gegen die Ukraine und schließlich vom Dauerstreit in der Koalition über Heizungsgesetz oder Kindergrundsicherung geprägt. Hälfte zwei dürfte kaum einfacher werden für die Ampel.

Ampelphase eins: Aufbruch

Am Anfang der Ampel war der Aufbruch. Als Kanzler Scholz Mitte Dezember 2021 seine erste Regierungserklärung im Bundestag abgab, kam dieses Wort zehn Mal vor, Fortschritt sogar 31 Mal. Die Ampel wollte sich damals als Reformbündnis präsentieren, das die großen Zukunftsthemen anpackt: den Kampf gegen die Erderwärmung, den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft.

Außerdem stand damals noch der Kampf gegen Corona im Vordergrund. An Krieg dachte noch niemand so richtig. Die Ukraine kam in der Regierungserklärung des Kanzlers mit der Rekordlänge von 86 Minuten kein einziges Mal vor.

Ampelphase zwei: Zeitenwende

Die Aufbruchsphase dauerte 82 Tage. Dann katapultierte der russische Angriff auf die Ukraine die Ampel in eine neue Realität. Mit seiner Zeitenwende-Rede im Bundestag vollzog Kanzler Scholz am 27. Februar 2022 - drei Tage nach Kriegsbeginn - einen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik, brach mit den Waffenlieferungen in einen laufenden Krieg ein Tabu und kündigte die massive Aufrüstung der Bundeswehr an.

Die Krise schweißte die Koalition zusammen, auch wenn es Friktionen gab - etwa beim Tempo der Waffenlieferungen. Die Koalition schaffte es vor allem, die befürchteten Engpässe bei der Energieversorgung abzuwenden. Deutschland kam allen düsteren Szenarien zum Trotz ganz gut über den Winter.

Ampelphase drei: Knirschen und Krachen

Zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns im Februar 2023 sah das Image der Koalition dann auch noch ganz ordentlich aus. Selbst die ukrainische Regierung beschwerte sich nach der Bereitstellung von Leopard-2-Kampfpanzern nicht mehr über die zögerlichen Deutschen. Die Bundesregierung richtete ihren Blick nach innen.

Der Kanzler begann seine Erzählung von mehr Zuversicht, die großen Zukunftsthemen sollten endlich beherzt angepackt werden. Die Kurve vom Krisen- in den Gestaltungsmodus bekam die Koalition aber nicht besonders gut. Es begann zu knirschen und dann zu krachen. Das Heizungsgesetz wurde zum Symbol für Uneinigkeit, Indiskretion und massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung.

Halbzeitbilanz eins: Die Umfragewerte

Das Ergebnis ist, dass die Umfragewerte der Ampel zur Halbzeit der Legislaturperiode ziemlich tief im Keller sind. Bei der Bundestagswahl 2021 kamen SPD, Grüne und FDP zusammen noch auf 52 Prozent.

In den aktuellen Umfrage von acht Instituten liegen sie heute im Durchschnitt bei 37,7 Prozent und damit weit von einer Mehrheit entfernt. 72 Prozent der Deutschen sind nach einer YouGov-Erhebung von August unzufrieden mit der Arbeit der Regierung in der ersten Halbzeit der Wahlperiode.

dpa

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