Es wird nicht nur getestet, sondern auch nachgesorgt. Eine alleinerziehende Mutte erhält zurzeit Hilfe von den Kräften des RV Wanderlust und Schützenvereins Methler, darunter (v.l.) Kerstin Poppke, Silvia Chytralla, Dirk Poppke und Manfred Chytralla.

© Marcel Drawe

Corona-Test positiv und ganz allein: Schnelltester werden zur neuen Familie

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Corona positiv kurz vor dem Wochenend-Einkauf: Für eine junge Mutter bricht eine Welt zusammen. Sie ist alleinerziehend, muss in Quarantäne. Hilfe bekommt sie von den Schnelltestern.

Kamen

, 30.04.2021, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es fließen Tränen der Verzweiflung, als die junge Mutter aus Methler begreift, was da gerade passiert ist. Sie hat einen komischen Hustenreiz verspürt, als sie das Nebenzentrum zum Wochenend-Einkauf ansteuern will – mit der elf Monate alten Tochter im Kinderwagen.

Doch dann das: Corona positiv nach dem Schnelltest im Vereinsheim des RV Wanderlust. „Als ich ihr das Ergebnis mitteilte, hat sie für einen kurzen Augenblick gar nicht gewusst, was los ist. Dann ist die Klappe gefallen und die Tränen strömten“, sagt Dirk Poppke, der zuvor den Abstrich machte.

Corona positiv: Für Alleinerziehende ein Riesenproblem

Corona positiv. Nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Baby, wie sich später nach dem Kindertest herausstellt. Für die Alleinerziehende aus dem Kamener Stadtteil ein Riesenproblem. Denn sie lebt noch nicht lange im Dorf, hat dort keine Familie, Freunde oder Bekannte. Wer soll nun für sie und das Kind einkaufen? Was ist, wenn die Erkrankung plötzlich schlimmer wird? Was ist dann mit dem Kind?

Diese Fragen schießen der 26-Jährigen, die ungenannt bleiben möchte, auf einmal durch den Kopf, als voriges Wochenende die Diagnose fällt. Wie sich in der Quarantäne organisieren, wenn niemand für sie da ist? Sie war erst vor kurzer Zeit der Liebe wegen nach Methler gezogen, doch die Beziehung zerbrach. Und nun das: Quarantäne. „Sie hat kein Auto und die Zeit, soziale Kontakte zu knüpfen, war zu kurz“, berichtet Manfred Chytralla, der das Schnelltestzentrum an der Otto-Prein-Straße mit Kameraden vom RV Wanderlust und Schützenverein Methler ins Leben gerufen hat.

Klaus Poddig am Computer, um Personalien aufzunehmen und die Schnelltest-Bescheinigung zu versenden. Das Schnelltestzentrum in Methler ist zu Öffnungszeiten immer mit fünf Kräften besetzt.

Klaus Poddig am Computer, um Personalien aufzunehmen und die Schnelltest-Bescheinigung zu versenden. Das Schnelltestzentrum in Methler ist zu Öffnungszeiten immer mit fünf Kräften besetzt. © Marcel Drawe

Bisher mehr als 2500 Schnelltests durchgeführt

Elf von über 2500 Schnelltests, die im Vereinsheim durchgeführt wurden, waren bisher positiv. Das Schicksal der jungen Mutter „ist uns schon unter die Haut gegangen“, sagt Chytralla. Für die mittlerweile 22 Kräfte, die sich im Ehrenamt Tag für Tag abwechseln, steht sofort fest. „Wir müssen helfen.“ Das sagt Kerstin Poppke, die die Schnelltest-Organisation macht. Sie nimmt fast nonstop Personalien auf , achtet auf Abstände, verkündet Ergebnisse.

„Das ist uns schon unter die Haut gegangen.“
Manfred Chytralla

Kurzerhand stellt sie mit Silvia Chytralla einen Warenkorb zusammen. Unter anderem Anfangsmilch und Windeln fürs Baby, dazu Brot, Kartoffeln, Joghurt, Tomaten. „Und Ingwerwurzeln“, sagt Silvia Chytralla und fügt augenzwinkernd an: „Sehr gesund!“ Die Dorf-Schnelltester erledigen weiteren Bürokratiekram, verständigen Hausarzt und Sozialdienst und rufen in regelmäßigen Abständen an. „Morgens, mittags, abends“, wie Poppke sagt.

Manfred Chytralla mit dem vor Infektionen geschützten Trinkgeld-Sparschwein, aus dem die Corona-Hilfe für die junge Mutter bestritten wurde. „Damit hat das ganze Dorf mitgeholfen“, freut er sich.

Manfred Chytralla mit dem vor Infektionen geschützten Trinkgeld-Sparschwein, aus dem die Corona-Hilfe für die junge Mutter bestritten wurde. „Damit hat das ganze Dorf mitgeholfen“, freut er sich. © Marcel Drawe

Ein Dorf rückt zusammen: Auch weiterhin Hilfe angekündigt

Dirk Poppke hat immer einen Blick auf eine große Tafel an der Wand, auf der die festgestellten Corona-Fälle wie als Mahnung prangen. Er sagt: „Die Frau ist beileibe kein Einzelfall, im ganzen Land gibt es vermutlich tausende solcher Fälle, Quarantäne, allein zuhause und in der Not, die einfachsten Bedürfnisse regeln, wie das Essen.“ Die Helfer aus dem Dorf stellten die Warenkörbe nunmehr mehrfach vor die Tür.

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„Man ist ganzheitlich und nachhaltig für das Dorfleben tätig und beendet sein Engagement nicht mit dem Schließen der Tür im Vereinsheim“, begründet Manfred Chytralla, der für sein großes Team schon wieder zwei weitere Kräfte gewinnen konnte, eine pensionierte Krankenschwester und eine Krankenpflegerin. „Man spürt hier: Das Dorf rückt zusammen.“ Eine Erfahrung, die auch die junge Mutter machte, die auch weiterhin Hilfe erhält. Sie sei noch immer, so heißt es, sprachlos vor Rührung.

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