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Claus Weselsky oder der absurde Kampf des selbst ernannten Davids unter den Lokführern
Meinung
Ab Samstag will die Gewerkschaft der Lokomotivführer wieder streiken. Unser Autor kritisiert das scharf und greift GdL-Chef Claus Weselsky an. Der handle rücksichtslos und selbstsüchtig.
Dürfen Lokomotivführer streiken? Klar. Für mehr Geld? Natürlich. Für mehr Urlaub und kürzere Arbeitszeiten? Selbstverständlich. Auch für besseres Toilettenpapier auf dem Bahnhofsklo? Meinetwegen auch dafür.
Für den aberwitzigen Kampf ihres Gewerkschaftsführers gegen eine Konkurrenz-Gewerkschaft? Mit absoluter Sicherheit nicht.
Aber genau das ist es, was wir gerade erleben. Claus Weselsky, Chef der 37.000 Mitglieder schwachen Mini-Gewerkschaft der Lokomotivführer GdL, fühlt sich als David im Kampf gegen die übermächtige Konkurrenz-Gewerkschaft EVG, die mehr als 184.000 Mitglieder zählt. Und dabei ist ihm jedes Mittel recht.
„Ohne Rücksicht auf Verluste“
Üblicherweise liegen meine Sympathien immer dann, wenn ein David gegen einen Goliath kämpft, auf der Seite des David. Hier nicht. Der biblische David hatte nur seine Steinschleuder im Kampf gegen den bestens bewaffneten und geschützten Goliath. Das ist beim selbsternannten David der Lokomotivführer namens Weselsky anders. Ohne Rücksicht auf Verluste führt er die Seinen in einen vollkommen überflüssigen und ungehörigen Arbeitskampf.
Längst ist klar, dass Arbeitgeber und Lokführer bei den finanziellen Forderungen keineswegs grabentief auseinander liegen. Es geht um Stufenpläne und Laufzeiten, also nichts, das man nicht am Verhandlungstisch klären könnte. Claus Weselsky aber tritt in seinem Habitus eines verkopften Oberlehrers und mit seinen martialischen Kämpfer-Sprüchen aus der Gewerkschafts-Mottenkiste auf, als ginge es um Leben und Tod.
Selbst der DGB-Chef zweifelt an Rechtmäßigkeit des Streiks
Selbst Rainer Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschafts-Bundes, zweifelte laut Spiegel die Legitimität des von der GdL angezettelten Streiks an. Es ist einer der extrem seltenen Fälle, dass ein Gewerkschafs-Boss einem anderen in den Rücken fällt. Allein das sagt eigentlich schon alles.
Dabei will ich noch nicht einmal über die Geldforderungen der GdL lamentieren. 3,2 Prozent mehr Lohn und Gehalt und 600 Euro Corona-Prämie. Es gehört schon einiges an Chuzpe und totaler Ignoranz dazu, um solche Forderungen aufzustellen, ohne dabei vor Scham im Boden zu versinken. Die Bahn hat im vergangenen Jahr mit 5,7 Milliarden Euro den mit Abstand höchsten Verlust in der Firmengeschichte eingefahren.
Haben die Lokomotivführer etwa Corona-Kranke gepflegt?
Wie kann man in dieser Situation auf die abstruse Idee kommen, dass es Spielraum für eine Extra-Prämie geben könnte? Lokomotivführer haben schließlich keine Corona-Patienten in Krankenhäusern oder Heimen gepflegt. Oder habe ich da was verpasst?
Viel schlimmer als die Blindheit für wirtschaftlich angemessenes Handeln, die Herr Weselsky mit diesen Forderungen offenbart, ist etwas ganz anderes. Mit dem völlig unverhältnismäßigen Streik bestraft er Millionen Menschen, die Tag für Tag auf die Bahn angewiesen sind.
„Ganz persönliche Machtgelüste“
Er trägt seine ganz persönlichen Machtgelüste im Kampf gegen die EVG auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern, Pendlerinnen und Pendlern, Geschäftsreisenden und Urlaubern aus, die seit eineinhalb Jahren ihr ganz persönliches Corona-Päckchen zu tragen haben. Das ist nicht nur eine Zumutung und schamlose Rücksichtslosigkeit, das ist eine grobe Unverschämtheit.
Und volkswirtschaftlich ist dieser Streik schlichtweg eine Katastrophe. Unsere Wirtschaft erholt sich gerade wieder von den Pandemie-Folgen. Die Auftragsbücher sind voll, aber Rohstoffprobleme bremsen die Betriebe ohnehin schon jetzt. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen können, sind Logistikprobleme, weil Herr Weselsky gerne mehr zahlende Mitglieder in seiner Mini-Gewerkschaft hätte.
Ich bin fassungslos, dass ganz normale Lokomotivführer, die doch auch alle Familien und Freunde haben und im Schnitt ganz bestimmt verantwortungsvolle Menschen sind, einen solch egoistischen Menschen an der Spitze ihrer Gewerkschaft gewähren lassen. So diskreditiert sich die Mini-Gewerkschaft selbst.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
