Charly Hübner rockt mit Solo das Ruhrfestspielhaus „Late Night Hamlet“ begeisterte

Charly Hübner rockt mit Solo das Ruhrfestspielhaus
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Eine Menge „an Interpretationen“ habe Shakespeares „Hamlet“ hervorgebracht. Warum werde das Stück so oft gespielt, warum wüssten alle, wie die Hauptfigur darin zu sein habe, nur sie selbst nicht?

Diesem Erwartungstheater kann Schauspieler und Ex-Polizeirufkommissar Charly Hübner in „Late Night Hamlet“ nicht standhalten. Angesichts dreier lange ausverkaufter Veranstaltungen teilt er Regisseur Kieran Joel bei der Premiere telefonisch mit: „Ich kann nur enttäuschen, ich bin raus.“

Charly Hübner
Charly Hübner in „Late Night Hamlet“ © Aurin

Die leere Bühne entert Hubertus Schein, Karaoke-Star aus Göttingen übergangsweise. Irgendwann müsse ja jemand kommen und eine Ansage machen. Von da an entspinnt sich 70 rasante Minuten lang die Koproduktion der Ruhrfestspiele mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg auf zwei Ebenen. Während das Gespann Hübner / Joel telefonisch über Sein oder Nichtsein philosophiert, hat sich der Hamlet auf der Bühne im Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen verselbstständigt.

Nur: Er steckt in seiner Geschichte fest, weil er Rollen spielen soll, die er nie spielen wollte, etwa als Stiefsohn: „Soll ich jetzt Go-Kart mit dem fahren und ihn Papa nennen?“ Und der soll ein Brudermörder sein? Gibt es dafür mehr Beweise als die Aussage eines nebulösen Geistes, fragt er das Publikum. „Polizei einschalten“, ruft einer. „Ich bin transzendental, fast eine biblische Figur. Ich kann jetzt keinen Tatort-Kommissar geben.“

Hübner streicht das Ende

Und doch untersucht Hamlet-Hübner den Leichenfundort, führt Zwiegespräche mit männlichen Barbie-Puppen, drückt bei Quizrunden mächtig auf den roten Buzzer, schreibt imaginäre Briefe an alle und alles, sogar an ein Land: „Liebes Dänemark, danke, dass du ein Gefängnis bist.“

Er fährt mit einem riesigen Totenschädel auf dem Kopf Rad, zerpflückt Gehirnhälften bis zum Wahnsinn. Er streicht sogar das Ende. Warum sollte er sechs Leute abmetzeln? Stattdessen: abrupte Stille, Dunkelheit, verschwitzter Bühnenabgang.

Herzensangelegenheit

Hübner rockt sein krudes Late-Night-Solo. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser „Hamlet“ seine Herzensangelegenheit ist. So entstand ein spaßiges Werk, das den Fragen unserer Zeit geschickt nachgeht. Weniger Absurditäten und damit auch Längen hätten dem Stück zwar gut getan, insgesamt aber waren die stehend dargebrachten Ovationen verdient.

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