Der Weg für die teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist nach jahrzehntelangen Diskussionen frei. Der Bundesrat ließ ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, mit dem zum 1. April Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben für den Eigenkonsum erlaubt werden.
Trotz vieler Kritikpunkte gab es keine Mehrheit dafür, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament zu schicken und so vorerst auszubremsen. Um ein Scheitern abzuwenden, hatte die Bundesregierung zuletzt noch zugesichert, einige Regelungen nachträglich zu ändern.
NRW-Kritik an Cannabis-Legalisierung
Die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat nach dem Votum des Bundesrats für die teilweise Legalisierung von Cannabis ab dem 1. April Bedenken und von CDU-Seite auch scharfe Kritik geäußert. "Mit dem Cannabis-Gesetz öffnen wir Tür und Tor für mehr Drogentote im Straßenverkehr und mehr Drogenkriminalität", erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag. "Was jetzt passiert, ist hausgemachter Kontrollverlust. Wir haben tausend andere Probleme, das hier braucht keiner. Der Bundesrat hat heute verpasst, dieses wahnwitzige Vorhaben zu stoppen."
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bekräftigte, dass er die Legalisierung von Cannabis grundsätzlich ablehne. Das Risiko von Hirnschädigungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen durch die Droge sei belegt. "Ich halte die Bestimmungen des Gesetzes in Wahrheit auch für nicht kontrollierbar und kann auch nicht erkennen, wie mit dem Gesetz der Schwarzmarkt wirkungsvoll zurückgedrängt werden soll", sagte der CDU-Politiker.
Die Grünen in der Landesregierung äußerten wegen der bevorstehenden Masse von Amnestie-Verfahren Bedenken, das Gesetz schon im April in Kraft treten zu lassen. Im Bundesrat sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), er stelle sich damit nicht gegen die beabsichtige Entkriminalisierung des Cannabiskonsums. Ihm gehe es ausschließlich um die Amnestieregelung, die für die Justiz nur unter großen Schwierigkeiten umzusetzen sei. Die Bundesländer seien von der Ankündigung Anfang Februar, dass das Gesetz schon am 1. April in Kraft treten solle, überrascht worden. Durch die Cannabis-Legalisierung müssen in NRW laut Justizministerium mindestens 60.000 Verfahren gesichtet und geprüft werden.
"Wir haben sehr früh auf die mit dem Gesetz entstehenden Probleme hingewiesen", so ein NRW-Regierungssprecher. Es sei bedauerlich, dass dies in der Bundesregierung nicht ausreichend aufgegriffen worden sei. Leider habe sich auch eine Verschiebung nicht durchsetzen lassen. Zwangsläufig kämen nun auf die Länder und die Kommunen sehr große Herausforderungen in der Umsetzung zu.
NRW hatte sich bei der Abstimmung in der Länderkammer wie die meisten anderen Länder auch enthalten. Im Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne festgelegt, dass sich das Land im Bundesrat der Stimme enthält, wenn zwischen den Koalitionspartnern zuvor keine Einigung über das Abstimmungsverhalten zustande kommt.
Nur Volljährige dürfen konsumieren
Die Zäsur in der Drogenpolitik kann damit in wenigen Tagen am Ostermontag in Kraft treten. Das Gesetz muss zuvor noch amtlich verkündet werden, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es unterzeichnet hat. Legal sein soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.
In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingang.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb vor der Abstimmung für das Gesetz, das eine Chance sei, durch Entkriminalisierung und bessere Aufklärung besonders die junge Generation vor Konsum und dem Schwarzmarkt zu schützen.
Viele Politiker nicht einverstanden
Rednerinnen und Redner mehrere Länder warnten dagegen vor einer Legalisierung. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nannte das Gesetz einen Irrweg. Es stelle die Länder auch vor einen massiven zusätzlichen Verwaltungs- und Vollzugsaufwand.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, bei dem Gesetz könne es nicht um Parteipolitik gehen. Diese Frage sei so zentral und so persönlich, "dass für mich klar war, ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt."
Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) äußerte sich gegen eine Anrufung des Vermittlungsausschusses. Bei der Abstimmung votierte Sachsen dann uneinheitlich, die Stimme wurde daher als ungültig erklärt.
Klage droht
CDU-Chef Friedrich Merz bekräftigte vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrats den Widerstand der Union. "Sollte der Bundesrat gegen den Willen der Union stattdessen grünes Licht für die Legalisierung geben, wäre das eine fatale Fehlentscheidung." Merz warnte vor massiven Auswirkungen auf die Gesundheit insbesondere junger Menschen. Zudem müssten Tausende abgeschlossene Strafverfahren neu aufgerollt werden.
Die Union will im Fall einer Regierungsübernahme 2025 die Legalisierung von Cannabis sogar kippen. "Nach einer Regierungsübernahme würde die Union das Gesetz umgehend rückgängig machen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Verfassungsklage dagegen habe "vermutlich wenig Aussicht auf Erfolg"
Haseloff warnt vor Todesfällen
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat vor mehr Todesfällen im Zusammenhang mit der geplanten Legalisierung von Cannabis gewarnt. "Es wird mehr Todesfälle als bisher geben, die mittelbar mit dem riskanten Cannabis-Konsum zusammenhängen", sagte er.
"Seien es mehr Verkehrstote, weil Cannabis-Konsumierende trotz der vorgesehenen Grenzwerte am Verkehr teilnehmen, seien es (...) in einigen Jahren mehr Krebstote, weil Cannabis häufig mit Tabak konsumiert wird oder seien es mehr Drogentote, für die Cannabis eben doch eine Einstiegsdroge gewesen ist."
Gewerkschaft der Polizei erwartet Konflikte mit Bürgern
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet nach der Billigung des Cannabisgesetzes mit Schwierigkeiten und einer Mehrbelastung für die Polizei. "Die Länder haben die Chance vertan, angesichts vieler offener Fragen politische Vernunft walten zu lassen", sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende, Alexander Poitz.
Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter stünden nun vor unnötigen Herausforderungen. "Ab dem 1. April werden unsere Kolleginnen und Kollegen in zahlreiche Konfliktsituationen mit Bürgerinnen und Bürgern geratet", prognostizierte der GdP-Vize. Denn auf allen Seiten gebe es nach wie vor Unsicherheiten.
Mehr Aufklärung für Kinder und Jugendliche
Erlaubt werden mit dem Gesetz auch nicht-kommerzielle "Anbauvereinigungen" für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll eine erste Bewertung auch dazu vorgelegt werden, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Dass das Gesetz die letzte Hürde nimmt, war bis kurz vor der Sitzung ungewiss gewesen. Drei Ausschüsse der Länderkammer hatten die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Der federführende Gesundheitsausschuss schlug vor, das Inkrafttreten des auf den 1. Oktober zu verschieben.
Die Bundesregierung hatte einige Kritikpunkte aufgenommen, um ein Vermittlungsverfahren abzuwenden. In einer Erklärung, die im Bundesrat zu Protokoll gegeben wird, sicherte sie mehr Unterstützung bei Aufklärung und Vorbeugung vor allem für Kinder und Jugendliche sowie flexiblere Umsetzungsregeln zu. Dafür sollen nun noch vor dem 1. Juli einige nachträgliche Änderungen am Gesetz umgesetzt werden.
dpa
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