Braucht Deutschland noch die Maskenpflicht?

Coronavirus

Am 20. März sollen viele Corona-Maßnahmen in Deutschland enden. Die Maskenpflicht soll nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Kliniken und Pflegeheimen gelten. Reicht das?

von Laura Beigel

, 09.03.2022, 16:30 Uhr / Lesedauer: 4 min
Kippt die Maskenpflicht in Geschäften und Restaurants?

Kippt die Maskenpflicht in Geschäften und Restaurants? © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

In wenigen Tagen sollen fast alle Corona-Maßnahmen in Deutschland aufgehoben werden. Nach wochenlangen Beratungen hat sich die Ampelkoalition auf Schutzmaßnahmen geeinigt, die nach dem Auslaufen der bisherigen Regelungen am 19. März wirksam werden. Danach können die Länder das Tragen einer medizinischen Schutz- oder FFP2-Maske künftig nur noch in Bussen und Bahnen sowie in Kliniken und Pflegeinrichtungen vorschreiben. Ist das sinnvoll? Corona-Experten und Expertinnen aus der Wissenschaft sind sich nicht einig, ob es die Maskenpflicht nach dem 20. März noch braucht. Klar sei aber: Masken schützen vor Ansteckungen.

Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, sagte vergangene Woche im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“, dass es auch im Sommer Infektionen mit dem Coronavirus geben werde. Zum einen, weil noch immer eine große Impflücke in der Bevölkerung klaffe, zum anderen, weil die Infektionstätigkeiten durch die Virusvariante Omikron weiterhin hoch seien. Deshalb plädierte er dafür, die Maskenpflicht zumindest in Innenräumen beizubehalten. „Das Tragen einer FFP2-Maske in Innenräumen ist auf längere Sicht sicherlich die effizienteste Maßnahme, die man aufrechterhalten sollte“, sagte er.

Bundesländer heben Maskenpflicht an Schulen auf

Eine andere Meinung vertritt Hendrik Streeck. Der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn hält ein Wegfallen der Schutzmasken durchaus für möglich, allerdings erst im Sommer. Man müsse in einen „Sommerreifen-Winterreifen-Modus“ übergehen, sagte er kürzlich im Podcast „Die Wochentester“ des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) und des „Kölner Stadt-Anzeigers“. „Dass man im Sommer eben auch die Masken wegfallen lässt“, nannte Streeck als Beispiel. Im Winter könne dann wieder anderes gelten.

Einige Bundesländer hatten bereits beschlossen, die Maskenpflicht auch in den Schulen aufzuheben. Während etwa in Mecklenburg-Vorpommern bereits Schülerinnen und Schüler ohne Masken dem Unterricht beiwohnen können, will Niedersachsen eine solche Lockerung dann ab dem 20. März umsetzen. Dann zunächst in den Grundschulen und wenig später auch in allen anderen Jahrgangsstufen.

„Ich denke, im Sommer – und längerfristig gegebenenfalls sogar im Winter – können wir zunehmend auf Masken und Abstand verzichten“, meint auch Virologe Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft in Heidelberg. Er betonte jedoch, dass sich Masken, neben dem Abstandhalten und dem regelmäßigen Händewaschen, als wirksames Schutzmittel gegen das Coronavirus und andere Krankheitserreger wie Influenzaviren erwiesen haben. Es sei daher wünschenswert, bei zukünftigen schweren Krankheitswellen in gleichem Maße aufeinander Rücksicht zu nehmen. „Gerade für immungeschwächte Mitmenschen kann das einen erheblichen Unterschied machen!“, betont der Wissenschaftler.

OP- und FFP2-Masken senken Infektionsrisiko deutlich

Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten mehrere Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Masken – egal, ob OP- oder FFP2-Masken – vor dem Coronavirus schützen können, besonders dann, wenn sie richtig sitzen. Treffen eine infizierte und eine gesunde Person aufeinander und beide tragen gut sitzende FFP2-Masken, betrage das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille (0,1 Prozent), schrieb ein Forscherteam des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation im Dezember vergangenen Jahres in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS).

Bei schlecht sitzenden FFP2-Masken liege das Infektionsrisiko im gleichen Szenario dagegen bei rund 4 Prozent. Tragen sowohl die infizierte als auch die gesunde Person gut sitzende OP-Masken, wird das Coronavirus innerhalb von 20 Minuten mit höchstens zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit übertragen. Obwohl die OP-Masken in der Simulation der Göttinger Forscherinnen und Forscher insgesamt schlechter vor der Virusübertragung geschützt haben, reduzieren sie die Ansteckungsgefahr doch deutlich im Vergleich zu einer Situation ganz ohne Mund-Nasen-Schutz. „Deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen in der Pandemie eine Maske tragen“, schlussfolgerte Mohsen Bagheri, der als Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation an der Studie beteiligt gewesen ist.

RKI: Besonders in Innenräumen weiter Masken tragen

Auch das Robert Koch-Institut rät weiterhin dazu, Mund-Nasen-Masken zu tragen. In seinem aktuellen Wochenbericht schreibt die Behörde: „Sofern Kontakte nicht gemieden werden können, sollten sie auf einen engen, möglichst gleichbleibenden Kreis von Personen beschränkt werden, Masken getragen, Mindestabstände eingehalten und die Hygiene beachtet werden.“ Für Zusammenkünfte in Innenräumen sollten „kontinuierlich“ medizinische Masken getragen werden.

„In Innenräumen, wo es höhere Übertragungen gibt, sind Masken sinnvoll“, sagte auch Virologe Streeck. Das Problem in geschlossenen Räumen ist folgendes: Sind mehrere Menschen ohne Masken in einem Raum, werden beim Ausatmen permanent Aerosole freigesetzt – also feste oder flüssige Kleinstpartikel, die so leicht sind, dass sie von der Luft getragen werden. Innerhalb weniger Minuten verteilen sich diese Aerosole im gesamten Raum. Ist nur eine infizierte Person unter den Anwesenden, gelangen etliche virenbeladene Aerosole in die Umgebungsluft, die schließlich von den anderen Personen eingeatmet werden können.

Warum Masken in Innenräumen sinnvoll sind

Entscheidend ist in Innenräumen auch die Aufenthaltsdauer: Je länger sich Menschen mit einer infizierten Person in einem Raum aufhalten, desto größer ist das Infektionsrisiko. Auch die Lüftung spielt eine Rolle. Kommt es regelmäßig zu einem Luftaustausch im Raum mit Frischluft, kann das ebenfalls die Ansteckungsgefahr minimieren. Und noch etwas nimmt Einfluss: das Tragen von Mund-Nasen-Masken.

Die Masken können vor allem größere Tröpfchen abhalten, die beim Ausatmen freigesetzt werden. Aerosole gehen zwar mehrheitlich an den Seitenrändern vorbei, aber der Mund-Nasen-Schutz verhindert, dass sie gegenüberstehende Personen direkt treffen. Stattdessen gelangen sie verdünnt in die Raumluft. Die größte Schutzwirkung würde sich zeigen, „wenn möglichst alle Personen im Raum eine medizinische Maske tragen (kollektiver Fremdschutz)“, schreibt das RKI auf seiner Internetseite. „Dadurch werden auch Personen geschützt, welche Risikogruppen angehören. Dieser Effekt ist wissenschaftlich belegt.“

Studie: Impfungen machen Masken nicht nutzlos

Mit Masken allein lässt sich das Coronavirus aber nicht stoppen. Es braucht auch die Abstandsregelungen, Hygienemaßnahmen, regelmäßiges Lüften und die Impfungen. Selbst bei einer hohen Impfquote müssten die Mund-Nasen-Masken in Innenräumen vorerst weiter beibehalten werden, um gesellschaftliche und medizinische Kosten sowie Covid-19-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle zu minimieren, heißt es in einer neuen US-amerikanischen Studie, die am Dienstag im Fachmagazin „The Lancet Public Health“ erschienen ist.

Die Autorinnen und Autoren der Studie entwickelten ein Computermodell, mit dem sie die Ausbreitung und Auswirkungen von Covid-19 unter mehr als 327 Millionen Menschen in den USA darstellten, sowie den Nutzen von Masken vor und nach dem Erreichen verschiedener Durchimpfungsraten simulierten. In allen Szenarien war es kosteneffizienter, den Mund-Nasen-Schutz für einen Zeitraum zwischen zwei und zehn Wochen nach Erreichen der Impfziele für die Bevölkerung beizubehalten.

Virusvarianten erhöhen Nutzen der Masken

Je länger es dauere, bis ein bestimmtes Impfniveau erreicht ist, desto größer sei der Nutzen der Masken, schrieben die Forschenden. Ein Beispiel: Erreichen die USA bis zum 1. Mai eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent, würde das Beibehalten der Masken nach Berechnungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund 7,66 Millionen Corona-Fälle verhindern. Würde diese Durchimpfungsrate erst zwei Monate später, am 1. Juli, erreicht werden, wären es rund 8,57 Millionen Infektionen, sowie 200.000 Krankenhausbehandlungen und 23.200 Todesfälle.

Die Virusübertragung hört nicht auf, sobald die Impfziele für die Bevölkerung erreicht sind, aber wenn die Maske noch einige Wochen nach Erreichen dieser Ziele verwendet wird, kann dies enorme wirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile bringen“, sagte eine Autorin der Studie, Maria Elena Bottazzi von der National School of Tropical Medicine am Baylor College of Medicine. Das Auftreten der Omikron-Variante und die Aussicht auf weitere Virusvarianten, die möglicherweise übertragbarer sind und die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe weiter reduzieren, würden den Wert von Masken noch erhöhen, resümierten die Forschenden.

Schlagworte:
Lesen Sie jetzt