
Bissige Biester: Kriebelmücken auf dem Vormarsch
Schmerzende Insektenstiche
Mücken haben Hochsaison: Durch das warme Wetter hat die Zeit der Plagegeister begonnen. In vielen Hautarztpraxen der Region geben sich Stich-Opfer die Klinke in die Hand. Eine Mücken-Art sorgt für besonders schmerzhafte Stiche.
Sie klagen über starke Rötungen der Haut, heftigen Juckreiz und Schwellungen der betroffenen Haut: Im Medizinischen Versorgungszentrum Hansaklinik in Dortmund kommen derzeit rund 20 Patienten täglich, die an Folgen von Insektenstichen leiden.
„Überdurchschnittlich viele Patienten kommen mit Mückenstichen zu uns“, sagt Dirk Eichelberg, ärztlicher Leiter der Praxis-Klinik. Aber auch die charakteristischen, kraterähnlichen Stiche der Kriebelmücke habe er schon behandelt. Auch die Dermatologin Claudia Besser aus Lünen bestätigt: „In die Praxis kommen in diesem Jahr definitiv mehr Patienten wegen der Kriebelmücken.“ Bitte was? Kriebelmücken? Fragen und Antworten zur gemeinen Hausmücke und ihre unbekannteren Artgenossen, den Kriebelmücken und Gnitzen.
Wie viele Stechmückenarten gibt es?
In Deutschland gibt es mehr als 50 heimische Stechmückenarten. Zu den Blutsaugern gehören neben den Stech-, auch die aggressiven Kriebelmücken sowie die winzig kleinen Gnitzen.
Warum sind die blutsaugenden Plagegeister im Moment so aktiv?
Der Grund für den starken Zulauf der Hautärzte ist das schwülwarme und feuchte Wetter. Optimale Bedingungen für die kleinen Blutsauger.
Woran erkennt man Kriebelmücken?
Kriebelmücken sehen eher aus wie kleine Fliegen – nicht wie Mücken. Sie werden nur drei bis sechs Millimeter groß und sind somit nicht größer als Essigfliegen.

Die Biologin Doreen Walther sitzt vor einem Mikroskop im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) ist eine der führenden Mücken-Expertinnen in Deutschland. © picture alliance / Patrick Pleul
Wo tauchen Kriebelmücken auf?
„Während Stechmücken stehende Gewässer brauchen, benötigen Kriebelmücken immer ein Fließgewässer“, sagt Doreen Walther, Biologin und Mückenforscherin des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Hinzu kommen noch Gnitzen, von denen es in Deutschland mehr als 300 Arten gebe. Denen sei es vollkommen egal, ob ein Gewässer stehe oder fließe.
Was ist anders als beim klassischen Mückenstich?
Stechmücken stechen mit ihren Rüsseln in die Haut und saugen das Blut in einer Art Kanüle auf. Im Gegensatz dazu gehören Kriebelmücken zu den sogenannten „Pool-Saugern“. Sie haben säbelzahnartige Mundwerkzeuge, mit denen sie die Haut öffnen, bis ein kleiner Pool aus Lymphflüssigkeit und Blut entsteht. In diesen injiziert die Mücke einen Protein-Cocktail, der die Blutgerinnung verlangsamt und aus dem sie nachfolgend das Blut aufleckt.

Die Kriebelmücke gehört zu den sogenannten „Poolsaugern“ - sie sticht nicht, sondern reißt mit ihren Greifwerkzeugen kleine Löcher in die Haut. © blickwinkel/Hecker/Sauer
Welche Folgen können die Stiche von Kriebelmücken haben?
„Wenn Sie einmal von einer Kriebelmücke gestochen wurden, vergessen Sie das nie mehr“, sagt Doreen Walther. Während sich unser Immunsystem an „normale“ Mückenstiche gewöhnt hat, reagiert es auf den Stich der Kriebelmücke wesentlich stärker. „Es ist sehr schwer, nicht an der Einstichstelle zu kratzen, so reibt man aber nur Dreck oder Schmutzpartikel in die Wunde und es kann leicht zu Sekundärinfektionen kommen“, sagt Walther.
Wann haben Kriebelmücken Saison?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gibt im April und Mai sogar Kriebelmücken-Warnungen an landwirtschaftliche Tierhalter heraus – basierend auf Temperatur- und Witterungsprognosen. Entscheidend sind ansteigende Temperaturen, die für das massenhafte Schlüpfen von Kriebelmücken verantwortlich sind. Das DWD-Modell berücksichtige aber nur diese erste Generation, sagt DWD-Agrarmeteorologe Hans Helmut Schmitt. Hintergrund des Warnsystems: Bei Massenbefall können Kriebelmücken den Tod von Weidetieren herbeiführen – durch Herz-Kreislauf-Versagen oder schlicht durch Panik auf der Flucht vor den Blutsaugern. „Besonders aggressiv ist aber nur die erste Generation – alle nachfolgenden sind deutlich friedlicher, aber wir empfinden sie als unangenehmer“, sagt Walther.

Die Biologin Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF): Mit einer Wathose sucht sie in einem kleinen Tümpel nach Mückenlarven. © picture alliance / Patrick Pleul
Wie schütze ich mich vor Mückenstichen?
Der Dermatologe Dirk Eichelberg empfiehlt, helle Kleidung zu tragen. „Dunkle Kleidung lockt Mücken eher an.“ Vor einer Gartenparty rät Eichelberg zu duschen, danach aber auf Parfum zu verzichten, da Duftstoffe die Tiere ebenfalls anlocken. Auch die gängigen Mückenmittel seien hilfreich. Gegen Kriebelmücken und Gnitzen helfen nur lange Kleidung und geschlossene Schuhe. Diese Mückenarten können – anders als die Hausmücke – nicht durch Kleidung stechen.

Gnitzenstiche erkennt man an roten Punkten auf der Haut, die sich nach dem Stich bilden. © blickwinkel/H. Bellmann/F. Hecke
Was kann ich tun, um die Folgen eines Mückenstichs zu lindern?
Doreen Walther empfiehlt Heizplättchen, die es in der Apotheke gibt. Damit lässt sich der Eiweiß-Cocktail neutralisieren, das Jucken hört auf. Dem stimmt auch Dirk Eichelberg zu. Der Dortmunder Hautarzt empfiehlt zudem Cortison und Antihistamine aus der Apotheke, aber auch Hausmittel wie Zitrone oder Zwiebel lindern den Juckreiz.
Warum sollte man sich niemals kratzen?
„Durch das Kratzen wird die Durchblutung rund um die Einstichstelle angeregt, das Histamin wird noch weiter verteilt. Das ist der Stoff, der für den Juckreiz verantwortlich ist“, sagt Eichelberg. Zudem drohen durch das Aufkratzen des Stiches weitere Bakterien ins Blut zu gelangen, zum Beispiel Streptokokken oder Coli-Bakterien. Dann drohten Infektionen, die bis zu einer Blutvergiftung führen können. „Auch der veraltete Tipp, mit einem Fingernagel ein Kreuz in den Stich zu drücken ist nicht ratsam“, sagt Eichelberg.
Wann sollte ich auf jeden Fall zum Arzt gehen?
„Wenn sich nach 24 Stunden die Rötung um den Stich noch ausgeweitet hat oder größere Areale angeschwollen sind, ist es ratsam, zum Arzt zu gehen“, sagt Eichelberg. Bei einer heftigen allergischen Reaktion sollte man auch nicht zögern, den Notarzt zu rufen. Denn dann könne es durchaus lebensbedrohlich werden.
Täuscht der Eindruck, oder werden die Mücken immer größer?
Die Mücken seien auch nicht größer oder aggressiver als in den Vorjahren, sagt Doreen Walther. „Wir Menschen vergessen über den Winter, wie lästig die stechenden Plagegeister sind. Wenn die Mücken im Frühjahr wieder da sind, dann bilden wir uns ein, sie seien nie aggressiver gewesen.“ Die Größen variieren ohnehin zwischen 5 Millimeter und bis zu 1,7 Zentimeter – je nach Nahrungsbedingungen während der Entwicklung und Mückenart.
Gibt es auch neue Mückenarten?
„In Nordrhein-Westfalen breitet sich zum Beispiel die Asiatische Buschmücke massiv aus“, sagt Walther. Erstmals entdeckt wurde sie im Sommer 2012 zwischen Köln und Koblenz.
Ist nach den warmen Tagen jetzt eine Mückenplage zu erwarten?
„Die Ampeln stehen im Moment auf grün für die Mücken – sie mögen es warm und feucht“, sagt Doreen Walther. Aber eine seriöse Aussage, ob wir im Sommer mehr oder weniger Mücken haben werden, sei nicht möglich. „Wir können auch nicht weiter in die Zukunft gucken als die Meteorologen.“