
Dass Kyra (Daisy Edgar-Jones), im Dorf nur das „Marsch-Mädchen“ genannt, hier gerade ihr Mittagessen angelt, scheint doch eher unwahrscheinlich. Ein Naturkind, das sich selbst genügt, ist sie aber doch. © Sony Pictures Germany
Bestseller „Der Gesang der Flusskrebse“ läuft ab Donnerstag im Kino
Neu im Kino
Liebesdrama, Thriller, Geschichte um die Reifung einer Frau, Ode an die Schönheit der Natur: „Der Gesang der Flusskrebse“ war ein Roman-Bestseller. Hat die Verfilmung das Zeug zum Kinohit?
Ein Mädchen in den Sümpfen, auf sich gestellt. Die Mutter ist gegangen, dann die Geschwister.
Schuld hat der Vater, der seine Frau verprügelte und alle terrorisierte. Er machte sich auch aus dem Staub, nun ist Kyra einzige Bewohnerin des Hexenhäuschens im Marschland.
Die Maid aus dem Sumpf entwickelt sich zur selbstbewussten Frau
Wie aus Außenseiterin, „Sumpfratte“, „Marsch-Mädchen“ (Kyras Spitznamen) eine selbstbewusste Frau wurde, das ist nur eine Erzählebene in Delia Owens Roman-Bestseller „Der Gesang der Flusskrebse“, dessen Verfilmung diesen Donnerstag ins Kino kommt.
Die zweite Ebene ist ein Thriller, und so startet der Film von Olivia Newman mit dem Fund einer Leiche in North Carolina. An einem Aussichts-Turm im Wald findet man Ende der 1960er-Jahre die Leiche eines Mannes. Ist er gefallen, wurde er gestoßen?
Eine Serie von Rückblenden beleuchtet Kyras Leben
Die Polizei will Kyra vernehmen, angeblich die Freundin des Toten. Warum flieht sie, wenn sie nichts verbrochen hat? Die junge Frau (Daisy Edgar-Jones) wird verhaftet, für viele im Ort ist sie eine Mörderin.
Ihr Anwalt (David Strathairn) kennt Kyra seit früher Jugend, ihm erzählt sie in der Haft aus ihrem Leben: der Beginn einer Serie von Rückblenden, die ein Panorama des amerikanischen Südens aufblättern.
Kyra streitet mit einem Mistkerl - dann ist er tot
Klein-Kyra als autarkes Naturkind, als Ronja Räubertochter des Sumpflandes, das der Film in schwärmerischen Bildern einfängt. Ein Junge bringt Kyra Lesen und Schreiben bei. Tate (Taylor John Smith) wird Kyras Vertrauter, ihr Freund, ihre große Liebe. Als er zum Studium fortgeht und sich nicht mehr meldet, ist sie untröstlich.
Kyras nächster Verehrer sucht bloß eine exotische Trophäe. Sie gibt ihm den Laufpass, er droht ihr, es wird laut und hässlich. Eben dieser Mistkerl lag tot im Sumpf, und Kyra erwartet ihren Prozess.
Mit dem Prozess steigt die Spannung
Vor lauter Abstechern in die Vergangenheit thrillert der Film nur moderat. Die Spannung zieht aber an, als der Prozess naht.
Jetzt sind wir im Gerichtsfilm mit Plädoyers und Geschworenen. Werden sie den Wildfang Kyra schuldig sprechen?
Vieles im Film ist märchenhaft geschönt
Allerhand Erzählstoff, den Roman (464 Seiten) und Film (125 Minuten) abhandeln. Fast alles von Celia Owens hat es in den Film geschafft, auch wenn Naturkundliches einer studierten Zoologin auf der Leinwand in Heile-Welt-Kitsch zu verunfallen droht.
Überhaupt ist vieles märchenhaft geschönt und hingebogen: Wie ernährt sich die Kleine dort draußen? Warum sieht sie stets keimfrei und geduscht aus, wo es kein Wasser aus dem Hahn gibt?
Die Nähe zur Edelschnulze ist im Kino gegeben
Die Romanze ist mit glutvoller Musik unterlegt, heiße Schwüre werden getauscht. Aus Schmalz wird Schmerz und noch mehr Schmerz, als der Armleuchter in Kyras Leben tritt. Als sie mit Büchern zu Fauna und Flora Erfolg hat, meint man, die Weiheglocken emanzipatorischer Erfüllung läuten zu hören.
Wie oft bei Buchverfilmungen: Solange der lesende Kopf die Bilder produziert, ist alles stimmig. Wendet sich die Regie an ein Millionenpublikum, drohen Plattitüden und Überdeutlichkeit. Süffig fotografiert, elegant montiert und ansprechend gespielt ist das allemal – doch in großer Nähe zur Edelschnulze. Ein Kinohit wird es trotzdem oder gerade deswegen.