Schwer bewaffnete Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos liegen schon auf der Lauer, als eine Diebesbande in einer klaren Aprilnacht in die Widliczek-Lagerhalle im Indupark Unna einbricht. Die Mitglieder wollen zahlreiche Kartons als Beute abtransportieren, dann bricht plötzlich Chaos aus.
Das SEK zündet eine Blendgranate, die Einbrecher sind überrumpelt und versuchen zu flüchten. Einer von ihnen rammt mit einem Lieferwagen ein Polizeifahrzeug. Der überraschende Zugriff endet mit acht Festnahmen.
Lange haben die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft über die Hintergründe des spektakulären Ermittlungserfolgs geschwiegen, doch nun brechen sie ihr Schweigen. Worauf es die Diebe in der Lagerhalle abgesehen hatten, warum sie zwei gleich Lieferwagen für die Beute benötigten, was in den mysteriösen Kartons steckte und welche Rolle der besondere Tatort spielte, das alles liegt jetzt offen. Die Diebe wählten für ihren Coup keine x-beliebige Halle in dem Gewerbegebiet aus, sondern knackten gezielt ein Gebäude des Abschleppunternehmens Widliczek, in dem Polizei und Zoll sichergestellte Sachen aufbewahren.

Es klingt wie der Stoff für ein Heist-Movie, also einen Thriller über einen Überfall. Die Vorgeschichte: Zollfahnder ermitteln in einem Fall von Steuerhinterziehung und beschlagnahmen deswegen am 21. Februar Tausende E-Zigaretten. Der Gesamtwert der elektrischen Verdampfer: rund eine halbe Million Euro.
„Es handelt sich um E-Zigaretten, wie man sie an jeder Tankstelle bekommt, aber auch um teurere Modelle“, sagt der Dortmunder Staatsanwalt Henner Kruse.
Die Ware wird vom Zoll beschlagnahmt und zu einer Verwahrstelle gebracht – zu Widliczek an die Max-Planck-Straße in Unna. Der Dortmunder Abschleppdienst betreibt im Auftrag von Behörden wie Polizei und Zoll einen Sicherstellungsplatz. Dort werden aber nicht nur sichergestellte Autos abgestellt.
Bereits elf Tage vor dem SEK-Einsatz und der Festnahme der Diebesbande gibt es bei Widliczek verdächtige Aktivitäten. Schon am 10. April kommt es zu einem Einbruch. Zuvor haben wohl die ursprünglichen Besitzer der E-Zigaretten herausgefunden, wo sich die Sachen befinden, und wollen sie zurückholen. Die Kriminellen scheuen das Entdeckungsrisiko auf dem mit Kameras gespickten Gelände nicht. Sie dringen in die Halle ein, bleiben unbehelligt, finden das Gesuchte, müssen aber einen größeren Teil der E-Zigaretten zurücklassen – wohl aus Platzgründen. „Etwa ein Drittel wird gestohlen“, sagt Staatsanwalt Henner Kruse, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund.
Die Polizei sucht nicht lange nach einem Verdächtigen. „Man hatte Hinweise auf einen Tatbeteiligten, auf den ich nicht näher eingehen kann“, sagt Staatsanwalt Kruse. Dieser Mann liefert den Ermittlern wertvolle Informationen über die Bande. „Er hat dann gesagt: Die kommen wieder und holen den Rest.“
Während die Diebesbande ausbaldowert, wie sie dem Zoll bei Widliczek die verbliebene Ware entreißen kann, ist die Polizei vorgewarnt und bestellt für die Tatnacht das SEK. Die vermummten Polizisten postieren sich in der Nacht zum 21. April rund um das Widliczek-Gelände, bis die Diebesbande mit zwei Lieferwagen und diesmal mit genug Transportkapazität vorfährt.
Der Rest ist bekannt: Blendgranate, Zugriff, Festnahme. Bei den festgenommenen Bandenmitgliedern handelt es sich um acht Männer deutscher, deutsch-türkischer, syrischer, polnischer und irakischer Staatsbürgerschaft im Alter von 18 bis 25 Jahren.

Als Hauptverdächtiger gilt ein 24-jähriger Mendener. Der Iraker befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft, während die anderen mutmaßlichen Bandenmitglieder bereits kurz nach der vorläufigen Festnahme auf freien Fuß gesetzt wurden. In der Wohnung des Mendeners fand die Polizei einen Teil der Beute aus dem ersten Einbruch. Der Haftbefehl gegen einen 18-Jährigen ist unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Die Ermittlungen wegen bandenmäßigen Diebstahls stehen nach Auskunft der Staatsanwaltschaft vor dem Abschluss. „Hinweise auf organisierte Kriminalität haben wir bislang nicht“, sagt Staatsanwalt Kruse.
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