Ballons über Revier-Schächten
Mit 311 gelben Gasballons über früheren Bergwerksschächten hat die Kulturhauptstadt am Wochenende den Strukturwandel im Ruhrgebiet ins Bild gesetzt. Nach Angaben der Veranstalter war es «die größte Kunstinstallation der Welt».

Einer der gelben Ballons auf dem Gelände der ehemaligen Schachtanlage Oberschuir in Gelsenkirchen
Ein solcher Superlativ weckt natürlich hochgespannte Erwartungen - die am Pfingstwochenende nicht immer erfüllt wurden. «Wo sind denn die Ballons?», fragte am Montag zum Beispiel ein Kind auf dem Tetraeder in Bottrop, einer Pyramide mit Aussichtsplattform. Von dort waren mit Mühe gerade einmal zwei Ballons zu erkennen.
Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt zeigte sich jedoch zufrieden. «Das ist genau das Bild des Wandels, das wir wollten», sagte er bei der Eröffnung am Samstag auf der Halde «Rheinelbe» in Gelsenkirchen.
Neun Tage lang sollen die 3,70 Meter großen Ballons tagsüber bis zu 80 Meter hoch am Himmel stehen. Sie sollen zeigen, dass die Region ihre einst dominierende Bergbautradition lange hinter sich gelassen hat. Wo einst Schächte und Grubengebäude standen, liegen unterhalb der Ballons heute Wiesen, Häuser, Altenheime, Vorgärten und Straßen.
Vom Kohlestaub schwarze Wäsche und die gefürchtete «Staublunge», an der einst viele Bergleute starben, gehören im Revier inzwischen einer ferne erscheinenden Vergangenheit an. Andererseits hat die Region seit der Kohlekrise der späten 50er Jahre rund 600 000 Kohle-Arbeitsplätze verloren und verzeichnet trotz aller Bemühungen um moderne Unternehmen nach wie vor eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit.
An den Ballonstandorten gibt es neun Tage lang Musik, Lesungen und Ausstellungen. 2100 Helfer im Alter zwischen 14 und 82 Jahren sorgen dafür, dass die Helium-Ballons morgens mit einer Winde hochgelassen, jeden Abend wieder runtergezogen und nachts sicher verwahrt werden, sagte Ruhr.2010-Sprecher Marc Oliver Hänig.
Am Eröffnungstag nutzten tausende Ruhrgebietler alte Kohlehalden oder Aussichtspunkte wie den Oberhausener Gasometer, um die gelben Ballons am Himmel besser sehen zu können. Dabei kam zeitweise Volksfeststimmung auf. Auf der Gelsenkirchener Halde «Rheinelbe» zählten mehrere hundert Schaulustige laut die Sekunden bis zum offiziellen Start um 12.00 Uhr mit. Dann wurde mitgebrachter Sekt ausgeschenkt. In der einstigen Zeche Lohberg in Dinslaken verkaufte die Künstlerin Walburga Schild-Griesbeck Briketts, die sie gelb in der Farbe der Ballone angemalt hatte.
Im Maximilianpark in Hamm stimmte ein Chor das Steigerlied «Glück auf, Glück auf» an. Die Hymne des Bergbaus sangen Besucher auch auf dem Gasometer bei strahlendem Sonnenschein mit dem Oberhausener Musikschulleiter Volker Buchloh und dem Künstlerischen Direktor der Ruhr.2010, Steven Sloane.
Aktuell gibt es im Ruhrgebiet nur noch vier Zechen. Der 2007 geschlossene Kohlekompromiss sieht den endgültigen Abschied von der Steinkohle bis spätestens 2018 vor, falls dieser Weg nicht noch vom Bundestag revidiert wird. Das Kunstprojekt biete vor diesem Hintergrund auch die Chance, viele mündlich erzählte Geschichten aus einer zu Ende gehenden Industrieepoche zu sammeln und zu bewahren, sagte Ruhr.2010-Chef Fritz Pleitgen. Schon bald soll zu «Schachtzeichen» eine umfassende Dokumentation erscheinen.
www.schachtzeichen.de