Aus Unna zu Olympiagold: Laura Nolte erlebt einen kometenhaften Aufstieg im Bobsport

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Aus Unna zu Olympiagold: Laura Nolte erlebt einen kometenhaften Aufstieg im Bobsport

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Olympiasiegerin Laura Nolte und Deborah Levi sind beste Freundinnen. Das sah man auf dem Podium auch. Ihre Bobkarriere begann dabei erst vor sieben Jahren.

Unna

, 21.02.2022, 18:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Laura Nolte und ihre Anschieberin Deborah Levi kreischten vor den TV-Kameras nach der Siegerehrung und plapperten wie ein Wasserfall. Die jüngste Bob-Olympiasiegerin aller Zeiten erlebte die Momente nach ihrer Goldfahrt wie im Rausch. Es flossen Tränen bei der 23-Jährigen aus Unna, die Deborah Levi immer wieder umarmte. Levi und Nolte sind auch abseits des Eiskanals beste Freundinnen geworden. Das sah man. Es waren große Emotionen bei den Olympischen Winterspielen von Peking.

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Emotionen, die viele Menschen in Deutschland gesehen haben: Den deutschen Doppelsieg mit Gold und Silber im Yanqing National Sliding Center sahen am Samstagmittag im Durchschnitt 4,04 Millionen TV-Zuschauer - das waren bessere Einschaltquoten als die „Sportschau“. Nach der Blech-Enttäuschung der Vorwoche war es für Laura Nolte das volle Kontrastprogramm.

Ungläubige Blicke bei der Siegerehrung

Bei der Siegerehrung guckten sich Laura Nolte und Deborah Levi ungläubig an. Mit einem Siegersprung hechteten Nolte und Levi dann auf das Podium. Bei der Medaillenvergabe machte Nolte einen Knicks für ihre Anschieberin, Levi tat es ihr gleich. Sie wussten, welchen Anteil die jeweils andere am Erfolg hatte.

Am Tag nach dem Triumph postete sie ein Foto im sozialen Netzwerk Instagram: Laura Nolte liegt auf einem Betonboden, die Goldmedaille liegt auf der Stirn. Sie „liegt auf dem Boden, versucht zu begreifen, was gerade passiert ist... (...) Träume ich noch oder ist der Traum wirklich wahr geworden?“

Der Kanal „teamdeutschland“ postete am Montag Fotos aus dem Flugzeug von Laura Nolte und Deborah Levi in ihren Sitzen, später gab es spaßige Bilder aus dem Cockpit mit den Piloten. „Mit der Medaille könnte man doch jetzt einmal das Cockpit besuchen, oder?“ Gesagt, getan. Am Nachmittag landen die Goldmedaillengewinnerinnen in Frankfurt, wo Familie Nolte ihre Tochter erwartet.

Suchvolumen über Laura Nolte steigt explosionsartig

Die Psychologie-Studentin ist am Samstag zum Star der Szene geworden. Nach acht Weltcup-Siegen war Laura Nolte zwar Mitfavoritin, doch dass sie mit drei Angriffsfahrten und einer Fast-schon-Sicherheitsfahrt zum Schluss so begeistern würde? Das Interesse an Laura Nolte ist jedenfalls explosionsartig gestiegen. Bei Google gab es zehnmal mehr Anfragen zum Suchbegriff „Laura Nolte“ als zur eigentlichen Hauptsaison, hundert- bis tausendfach erhöht war es gegenüber dem vergangenen Sommer.

Und der satte Zuwachs von tausenden Followern in den sozialen Netzwerken macht die Unnaerin und den Bobsport für Werbeverträge noch interessanter. Die digitale Welt, in der Laura Nolte gut vernetzt ist, ist voll von Glückwünschen. Sogar Borussia Dortmund gratulierte via Twitter.

Der Weg der 23-Jährigen aus der Leichtathletik in den Bobsport begann vor sieben Jahren und passt in die Erfolgsstrategie, die der deutsche Verband nach dem medaillenlosen Fiasko der Spiele von Sotschi vor acht Jahren einschlug, als Lettland, die Schweiz und Kanada, die USA und sogar Großbritannien Edelmetall unter sich aufteilten.

Laura Nolte war damals 15 - ein Jahr nach dem Tiefpunkt-Jahr des deutschen Bobsports begann auch Laura Noltes Karriere. Wieder ein Jahr später, am 20. Februar 2016, gewann sie bereits die Olympischen Jugendspiele im Monobob.

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Laura Nolte wird Olympiasiegerin

Laura Nolte ist Olympiasiegerin im Zweierbob. In Peking dominierte sie alle vier Läufe mit ihrer Anschieberin Deborah Levi.
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Der erfolgsverwöhnte deutsche Verband erfand sich nach Sotschi völlig neu. Ein Baustein: das Scouting schnellkräftiger Sportler. Mehr denn je setzten die Verantwortlichen auf ehemalige oder aktive Bahnsprinter. Alle sechs deutschen Bobsportlerinnen, die in Peking an den Start gingen, stammen aus der Leichtathletik. Und so landete auch Laura Nolte über ihren Dortmunder Trainer Marcus Hoselmann bei Sichtungen des BSC Winterberg, für den Nolte heute auch startet.

Sie sei gut gewesen, aber nicht spitze, sagte Marcus Hoselmann am Samstag rückblickend auf Noltes Leichtathletik-Karriere. Für die Weltspitze in der Leichtathletik hätte es für Laura Nolte wahrscheinlich nie gereicht. „Dann ist der Weg in den Bobsport gekommen und wie man heute sieht, war es der richtige“, sagte Hoselmann, „es war am Anfang gar nicht klar, dass sie Pilotin wird. Wir sind nach Winterberg gegangen, weil wir dachten, sie kann anschieben. Da ist dann natürlich ein bisschen mehr draus geworden.“

2017 debütierte sie im Europacup, erst Anfang 2020 im Weltcup. Gleich fuhr sie auf das Treppchen in Winterberg, eine Woche später in La Plagne gewann Nolte ihr erstes Weltcup-Rennen. Sieben weitere Siege kamen seitdem hinzu. Rückschläge wie den Sturz in Altenberg 2020 verdaute Laura Nolte.

Laura Nolte bringt alles mit, was es im Bobsport brauchte

Mit 1,80 Meter Körpergröße bringt Laura Nolte entsprechend Körpermasse mit sich. Jedes Kilo, das nicht extra mitangeschoben werden muss, hilft bei der hangabtriebskraft-getriebenen Kufensportart. Und dann gilt Nolte auch noch als gute Starterin. Schnell, groß, talentiert, diszipliniert - das ist es, was der Bobsport brauchte. „Laura ist sehr kompakt auf den ersten zehn Metern, dazu kommt die Sprintschnelligkeit von Deborah, das ist eine Kombo, die sehr gut funktioniert. Die funktioniert nicht nur auf der Strecke“, sagt Bundestrainer René Spies.

Nach dem Rennen: Laura Nolte umarmt ihre Anschieberin Deborah Levi.

Nach dem Rennen: Laura Nolte umarmt ihre Anschieberin Deborah Levi. © dpa

Das hat man in Peking gesehen. Nur US-Oldie Elana Meyers Taylor lieferte bessere Startzeiten ab als die Pilotin aus Unna. Auch wenn Kaillie Humphries (USA) als Weltklasse-Fahrerin gilt, hat Laura Nolte in knapp fünf Jahren Bob-Karriere enorm aufgeholt. Die Linien auf der Kunsteisbahn waren nahe an Perfektion. Vor allem im Zweierbob, nachdem Nolte mit dem Monobob noch Probleme hatte und nur zwei ordentliche Fahrten hinlegte.

Der deutsche Bob war anderen Nationen haushoch überlegen

Nolte, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, profitierte aber auch von enormen Investitionen. Das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) hatte den deutschen Sportlern das mit Abstand beste Material zur Verfügung gestellt. Die Ingenieure hatten Schlitten konstruiert, die zu Top-Speed in der Lage waren. Dass die deutschen FES-Bobs vor allem den US-Ladies im unteren Bahnabschnitt davonfuhren, ist nicht allein durch Sprintschnelligkeit am Start, Studium der Bahneigenschaften und fahrerisches Können erklärbar.

Am Ziel ist auch Laura Nolte noch nicht. „Ja, da kommt noch was, wir sind noch nicht fertig“, sagte sie.

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