Auf der Suche nach besonderen Räumen

Fotograf Christian Gieraths

Wenn Christian Gieraths an seine erste Einzelausstellung denkt, bezeichnet er sich im Nachhinein als naiv. Als junger Student habe er seine Fotografien einfach dem Direktor des Stadtmuseums von Münster gezeigt, der von den Aufnahmen sehr angetan war.

KÖLN / MÜNSTER

, 01.07.2015, 15:56 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Offensive hat Wirkung gezeigt und Gieraths stellte 2002 Fotos unter dem Titel „Sotchi royal“ aus. Damit war der Grundstein für viele weitere Ausstellungen und vor allem Projekte gelegt, die als „Reisefotografie“ bezeichnet werden können: Der gebürtige Kölner hat bis heute in zahlreichen Städten und Ländern fotografiert, etwa in Bukarest, Kapstadt, Tokio, Havanna und Odessa.

Bis es aber dazu kam, schlug Christian Gieraths einige Umwege ein: Einer Holzstauballergie ist eigentlich zu verdanken, dass die Überlegung, eine Schreinerlehre zu absolvieren, nicht in die Tat umgesetzt wurde.

Als Assistent eines Werbefotografen ging es weiter, bis er in Münster 1998 sein Studium der Kunstgeschichte begann. „Dann habe ich aber darüber nachgedacht, ob ich mich lieber mit der Kunst anderer Leute beschäftigen möchte oder selber Kunst machen will“, sagt er.

Farben und Formen

Gieraths hat sich dann für die Kunstakademie in Münster entschieden und nahm parallel als Zweithörer in Düsseldorf an einer Fotoklasse teil. Besonders prägend scheint jedoch die Zeit in Münster in der Klasse des Malers Ulrich Erben gewesen zu sein: „Fotografie hat viel mit Malerei zu tun.

Mit Ulrich Erben konnte ich etwa über bildnerische Mittel, Farben, Formen und Kompositionen sprechen. Auch über Farbklänge und Licht.“

Insbesondere das Licht spielt in den Arbeiten des 38-Jährigen eine große Rolle – etwa bei Aufnahmen von Kinosälen. „Da kann es schon mal vorkommen, dass ich eine Belichtungszeit von fünf bis zehn Minuten habe. Es geht mir dabei um die besondere Atmosphäre der Räume, die im Fokus stehen.“

Eine Art Ablenkung

Menschen sind hingegen kaum auf seinen Fotografien zu finden – und wenn doch, erscheinen sie eher als Beiwerk und fügen sich in die Konstellation ein. „Manchmal ist das aber gar nicht so einfach, wie zum Beispiel bei meinem Aufenthalt in Indien.

Bei Fotografien auf der Straße kamen natürlich sofort viele Menschen und wollten zuschauen“, sagt er. Auf Personen im Bild möchte Gieraths daher weitestgehend verzichten, da auf sie eher geschaut werde – eine Art Ablenkung von den Räumen und Orten, die meist öffentlich sind: „Also Räume, die von jedem genutzt werden. An Privaträumen habe ich kein Interesse.“

Oft wird bei diesen Aufnahmen anderer Länder der Zusammenprall der Kulturen verdeutlicht: Wenn etwa eine schäbige Straße in Indien mit Werbung des Massenkonsums gepflastert ist. Eindrücke, denen der Künstler im Ausland unvoreingenommen begegnet ist und die ihn faszinierten.

Fasziniert von Amerika

Fasziniert auf eine andere Art und Weise ist der Fotograf hingegen von Amerika. Dort entstehen seit 2006 in regelmäßigen Abständen Fotos unter dem Titel „Pastime Paradise“. Gieraths begibt sich bei diesem Projekt auf die Suche nach Städten, Ortschaften oder Straßenecken, die scheinbar in der Zeit stehen geblieben sind. Dafür fährt der 38-Jährige am Tag fünf bis sechs Stunden durch die Gegend.

„Ich arbeite darauf hin, diese Bilder umfassend zu präsentieren, als Ausstellung und auch als Buch. Mittlerweile sind es um die 6 000 oder 7 000 Fotos“, sagt Gieraths. Kostproben von diesen Ausflügen in die fünfziger- und sechziger Jahre der USA gibt es auf der Internetseite des Fotografen.

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