Astrazeneca-Impfstopp: Was bedeutet das und bis wann fallen Impftermine aus?

Coronavirus

Die Astrazeneca-Impftermine werden in Deutschland vorübergehend ausgesetzt. Nun wird von Impfstoffbehörden untersucht, ob Thrombosen und Blutgerinnsel in Zusammenhang mit der Impfung stehen.

15.03.2021, 20:09 Uhr / Lesedauer: 3 min
Eine Ampulle mit dem Corona-Impfstoff des schwedisch-britischen Pharmakonzerns AstraZeneca steht auf einem Tisch in einer Apotheke.

Eine Ampulle mit dem Corona-Impfstoff des schwedisch-britischen Pharmakonzerns AstraZeneca steht auf einem Tisch in einer Apotheke. © picture alliance/dpa/AP

Das Bundesgesundheitsministerium setzt vorübergehend die Impfungen in Deutschland mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca aus. Zuvor hatte das für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) dieses Vorgehen empfohlen, weil es in Deutschland und Europa zu schwerwiegenden thrombotischen Ereignissen gekommen ist. Deshalb sei eine Überprüfung notwendig, als reine Vorsichtsmaßnahme.

Astrazeneca: Über welche neue Nebenwirkung wird berichtet?

Bereits vergangene Woche wurden Einzelfälle von Blutgerinnseln nach Impfungen in Dänemark und Norwegen berichtet. Inzwischen seien weitere Fälle in Deutschland gemeldet worden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach bei einer Pressekonferenz am Montag von sieben neu berichteten Fällen bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland.

„Es geht um ein sehr geringeres Risiko – aber, falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko“, sagte Spahn.

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Bei der Analyse des neuen Datenstands sei jetzt eine auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen zu sehen, schreibt das PEI in einer Mitteilung.

Diese seien in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff entstanden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombose war bisher in keinem Fall festgestellt worden.

Wer prüft die Vorfälle bei Astrazeneca-Impfungen?

Die Daten zu den aufgetretenen Fällen werden nun von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) weiter analysiert und bewertet. Das Paul-Ehrlich-Institut steht mit der EMA im Kontakt. Spahn sagte, er hoffe auf eine Empfehlung der EMA noch im Laufe dieser Woche. Bis zum Abschluss der Bewertung werden die Impfungen mit Astrazeneca in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern wie etwa Dänemark, Norwegen, Frankreich, Italien und den Niederlanden ausgesetzt.

Wie lange fallen die Impfungen aus und wer sagt Impftermine ab?

Das heißt: Alle bereits vereinbarten Astrazeneca-Impftermine werden vorläufig auf Eis gelegt – auf noch nicht absehbare Zeit. Das hängt nun vom Urteil der EMA ab. Die Entscheidung betrifft sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen, also die Termine für die erste und die zweite Dosis. Gebuchte Termine mit den Impfstoffen von Biontech und Moderna sind nicht betroffen.

Die Kreise in den einzelnen Bundesländern entscheiden, wie die Impfzentren die zu Impfenden informieren. In Schleswig-Holstein geschieht das beispielsweise per E-Mail. In Nordrhein-Westfalen wird auch zum Hörer gegriffen. „Wir sagen zurzeit die vereinbarten Termine auch telefonisch ab, soweit die Impflinge erreichbar sind“, berichtet etwa der Leiter des Impfzentrums im Kreis Soest, Mirko Hein.

Bereits mit Astrazeneca geimpft: Bei welchen Anzeichen zum Arzt?

Das Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass Personen, die den Covid-19-Impfstoff Astrazeneca bereits erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen, sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben sollten. Darunter fallen zum Beispiel Symptome wie starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen.

Astrazeneca: Was sagen Experten zum Thromboserisiko?

„Ich hoffe, es lässt sich schnell aufklären, ob hier ein Zusammenhang besteht und ob es spezielle Risikofaktoren gibt“, schrieb die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek in ihrem Twitter-Kanal zur vorläufigen Aussetzung des Astrazeneca-Impfstoffes.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit betonte bei Twitter, er vertraue hier vollkommen der Expertise des Paul-Ehrlich-Instituts. Kritik kam prompt vom SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Er hat den Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca als „großen Fehler“ bezeichnet. „Das schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. Besser sei eine Prüfung bei laufenden Impfungen.

„Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtfertigen würden“, sagte der SPD-Politiker und Epidemiologe. Das Risiko einer Thrombose läge „in der Größenordnung von eins zu 100.000 oder weniger“ und scheine im Vergleich zu Ungeimpften nicht erhöht zu sein.

„Die ergriffenen Maßnahmen sind selbstverständlich als Vorsichtsmaßnahmen zu verstehen“, sagte bereits Ende vergangener Woche der Impfstoffforscher Erik Leif Sander von der Charité Berlin zu den beobachteten Fällen im Ausland. Auch nach der Gabe von vielen Millionen Impfdosen des Astrazeneca-Impfstoffs zeige sich beispielsweise in Großbritannien keine Häufung von thrombotischen Ereignissen unter den Geimpften.

„Daher ist ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und Thrombosen eher nicht zu erwarten.“ Es sei aber wichtig und richtig, dass allen Ereignissen durch die zuständigen Behörden sehr sorgfältig nachgegangen werde. „Ich sehe aber aktuell keinen Grund zur Sorge“, betont Sander.

Was sagt Astrazeneca selbst zum Thromboserisiko?

Astrazeneca selbst wies nach einer Analyse von Impfdaten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritannien bereits am Sonntag hingegen erneut Zweifel an der Sicherheit seines Corona-Impfstoffes zurück. Es gebe keine Belege für ein höheres Risiko für Lungenembolien, tiefe Venenthrombosen und Thrombozytopenie.

Wie oft kommen Thrombosen in Deutschland vor?

Laut dem Infektiologen Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing sei es wichtig zu wissen, dass sich venöse Thrombosen auch unabhängig von Covid-19 mit einer jährlichen Inzidenz von etwa einem pro 1000 Erwachsenen ereignen, also mit einem Faktor 100 häufiger in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Jährlich gebe es in Deutschland 100.000 Todesfälle aufgrund von thromboembolischen Ereignissen.

Diese stellten derzeit die dritthäufigste Todesursache dar, so Wendtner. Auch die Erkrankung Covid-19 gehe mit einem starken Risiko für Thrombosen einher: In einer aktuellen US-amerikanischen Auswertung basierend auf 3334 Patienten traten thromboembolische Ereignisse bei insgesamt 533 Patienten, entsprechend 16 Prozent, auf.

RND/sbu/dpa/SMC

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