Applaus für Henzes jüngstes Musiktheater «Gisela»
Mit großem Applaus ist in der Maschinenhalle Zeche Zweckel in Gladbeck die Uraufführung von Hans Werner Henzes Oper «Gisela! oder: Die merk-und denkwürdigen Wege des Glücks» über die Bühne gegangen.
Unter der schnittigen Bekenntnisformel «I love henze» wird im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres mit dem «Henze- Projekt - Neue Musik für eine Metropole» der 84-jährige Komponist Hans Werner Henze derzeit mit einer umfangreichen Werkschau geehrt. Als einer der Höhepunkte des Projekts konnte die RuhrTriennale sich die Uraufführung des jüngsten Musiktheaters des Altmeisters sichern.
Ein Bahnsteig ist in der Maschinenhalle der Gladbecker Zeche Zweckel aufgebaut, «Napoli Centrale» prangt auf dem Schild. Der Sehnsuchtsort Neapel ist das Reiseziel der Kunstgeschichtsstudentin Gisela Geldmeier und ihres Verlobten Hanspeter Schluckebier, Student der Vulkanologie. Man will sich eigentlich dort verloben, aber dann kommt alles ganz anders. Denn Gisela lernt in der süditalienischen Metropole den Reiseführer und Schauspieler Gennaro kennen und verliebt sich unsterblich in ihn.
Gisela verlässt ihren spießigen Verlobten und überredet Gennaro, mit ihr zurück nach Oberhausen zu gehen. Doch Gennaro zögert zunächst, denn er hat gehört, dass Oberhausen eine graue Stadt ist. Schließlich lässt er sich überzeugen, doch in Oberhausen findet das Paar keinen Unterschlupf und muss am Bahnhof übernachten. Dort kommt es nach unruhiger Nacht zum Kampf zwischen Gennaro und Giselas Ex- Verlobten, den Gennaro für sich entscheidet. Das Happy-End wird durch einen Ausbruch des Vesuvs besiegelt.
Schlicht und skurril zugleich ist die Geschichte, die Henze mit raffiniert einfachen Mitteln und einem teilweise stark ausgedünnten klassischen Instrumentarium erzählt. Es klingen Zitate von Monteverdi an, ganze Passagen erinnern verdächtig an Richard Strauss. In den drei Traumsequenzen greift Henze sogar explizit auf Triosonaten von Bach zurück, die er für Vibraphon und Harfe gesetzt hat. Altersmilde könnte man diesen Stil nennen, klassizistisch, gepflegt, ohne Ecken und Kanten.
Hans Werner Henze hat für sich stets eine künstlerische Außenseiter-Position reklamiert, indem er sich bereits 1958 räumlich und ästhetisch von der seriellen Musik nach Italien absetzte. Kein Zufall also, dass Henze mit seiner nun wohl letzten Oper vom Sehnsuchtsland Italien erzählt.
Im Orchester und auf der Bühne tummeln sich aus dem Ruhrgebiet stammende jugendliche Musik- und Theaterschaffende, denn Henze versteht sein Alterswerk bewusst als Neuschöpfung mit der Jugend für die Jugend. Unter der musikalischen Leitung von Steven Sloane spielt das Studio musikFabrik. Aus Absolventen der Folkwang-Hochschule rekrutieren sich Darsteller und Tänzer. Der Jugend-Kammerchor der Chorakademie Dortmund singt, und auch die drei Hauptrollen sind sehr jung besetzt.
Regisseur Pierre Audi bespielt die Halle großflächig und setzt auf starke Bilder und karikierende, an die Commedia dellArte erinnernde Personenführung. Das könnte hohen Unterhaltungswert haben, wirkt aber tatsächlich oft bloß schematisch und stellenweise banal. Wie überhaupt der ganze mit hohem Aufwand realisierte Abend in der Summe eigenartig flach und pauschal bleibt. Bei allem Charme, den der Einsatz der jugendlichen Akteure ausstrahlt, ist sehr fraglich, ob dieses Werk tatsächlich die Jugend anspricht. Als ausgewachsenes Musiktheater ist Henzes Alterswerk ohnehin nicht wirklich ernst zu nehmen.