Anke Engelke.

Anke Engelke. © picture alliance/dpa

Anke Engelke: „Ich wünsche mir Mut, Ehrlichkeit, Neugier, Offenheit“

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Anke Engelke vor der Verleihung der Marler Grimme-Preis, wo sie die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschulverbandes bekam, bei uns über ihre Arbeit, ihr Leben und ihre Wünsche.

Marl

, 27.08.2022, 09:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Sie ist Komikerin, Entertainerin, Moderatorin, Synchronsprecherin und Schauspielerin. Sie prägt das deutsche Fernsehen seit Jahren. Und das, „ohne auf spezifische Genres oder Zielgruppen begrenzt zu sein“, so die Grimme-Jury. Dafür bekam Anke Engelke jetzt die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschulverbandes. Bevor das Grimme-Gold am 26. August im Theater Marl verliehen wurde, sprach Engelke mit uns über…:

Wegen Ihrer Reihe Ladykracher oder Auftritten als Ensemblemitglied der Sat1-Wochenshow bringt man Sie als Erstes in Verbindung mit einer klassischen Komikerin. Der man einst unterstellt, sie sei wie Ally McBeal, diese herrlich neurotische Anwältin. Kennen Sie die noch? (Fragt eine, die die Dienstagabende mit Ally McBeal tatsächlich vermisst.)

Ja, da klingelt was, aber wie lautete der Vergleich denn genau? „Ally McBeal“-Kennerin war ich nie, da muss ich Sie enttäuschen. Aber ich erinnere mich an den sogenannten Hype damals, klar. Ich mag das immer noch sehr, Frauen zu spielen denen man eine Verzweiflung ansieht, und würde das gar nicht beschränken auf das komische Fach: kein Mensch ist mackenfrei.

Sie können aber auch anders: In Ihrem neuen Film „Mein Sohn“ etwa spielen Sie eine verzweifelte Mutter, deren Kind nur knapp einen schweren Skate-Unfall überlebt und deren Beziehung seitdem auf eine harte Probe gestellt wird. Sie sind auch Mutter. Wie schwer fällt Ihnen das Loslassen, wie viel Angst um die eigenen Kinder sollte man zulassen und wie viel Freiheit ihnen zugestehen? (Fragt eine Spätgebärende, die ihre einzige Tochter nur schwer loslassen kann, sich aber gegen die Bezeichnung Helicopter-Mum mit Händen und Füßen wehrt.)

Na, das ist doch spitze, wenn Sie so selbstkritisch auf Ihr Mutter-Verhalten schauen: das können nicht Viele. Marlene in MEIN SOHN zum Beispiel kommt gar nicht klar mit der Einordnung ihrer Position im Leben ihres fast erwachsenen Sohnes und hat ein Nähe-Distanz-Problem.

Als kleine Schwester von „Kommissarin Lucas“ berührten Sie mit Filmpartnerin Ulrike Kriener ebenfalls oft melancholische Seiten. Was liegt Ihnen persönlich mehr? Spaßkanone oder doch eher tiefgreifendere Rollen? Oder lieben Sie einfach die Veränderungen?

Ja, das war eine schöne Aufgabe, an der Seite der wunderbaren Ulrike Kriener bzw. ihrer oft kühlen, harten Kommissarin-Figur eine ziemlich verstrahlte, planlose und sehr emotionale kleine Schwester zu spielen. Das kann mal traurig sein oder tragisch, aber auch bumslustig. Ich verstehe Ihre Frage nach einem Label, aber in einer einzigen Schublade zu stecken, nee, das würde mich bei der Arbeit bestimmt total beschränken. Lieber spiele ich alles was es im Leben gibt oder geben könnte, alle Gefühle, alles Drama, allen Spaß, alles.

Oder anders gefragt: Synchronsprecherin (Findet Dorrie), Kindersendungen mit dem blauen Elefanten, Comedy und Impro, Moderation oder eben Schauspielerin – was ist Ihnen am Wichtigsten oder macht es die Mischung?

Ja.

Wie schwer ist oder war es, aus der reinen Ulknudel-Nummer rauszukommen?

Null schwer, weil so ein Wort ja nix bedeutet und ich mich nie angesprochen fühlte. Das gehört aber wohl in der Unterhaltungsbranche dazu, dass Titel und Labels verteilt werden, damit alles schön übersichtlich bleibt vielleicht. Die Kunst und die Kultur leben aber nicht von Beschränkungen. Im Gegenteil. Wer möchte schon reduziert werden auf eine Sparte? Wer möchte Auftrags-Schauspieler:in sein und nur Witze machen oder böse gucken dürfen?

Kommen wir zum Grimme-Preis selbst: Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr es war, ich glaube 2003. Da sind Sie vor der Preisverleihung ziemlich zeitgleich mit Barbara Schöneberger zur Pressekonferenz vorab im Marler Rathaus eingetroffen und die DPA-Fotografen haben sich noch auf der Treppe fast die Nase blutig geschlagen, um möglichst schnell ein Foto von Ihnen im Kasten zu haben. Was erwarten Sie in diesem Jahr – im Zeitalter von Abstand und hoffentlich Anstand – von dem Abend in Marl?

Lustig, daran erinnere ich mich null! Langsam glaube ich, dass ich da einen Mechanismus habe, einen Automatismus, dass ich diese Art von Remmidemmi ausblende. Wird dieses Jahr aber vermutlich sowieso nicht so sein wie damals, da ich nicht mehr interessant bin für die Klatschblätter. Einfach Kolleg:innen treffen, einen Rückblick auf Highlights des vergangenen Fernseh-Jahres genießen, kein Remmidemmi, wunderbar. Es werden so einzigartige Formate und wunderbare Kulturschaffende gewürdigt, da finde ich Geschrei und blutige Nasen für ein Foto unglaublich unpassend.

Laut Vogue-Magazin führen Sie ein sehr achtsames (auch veganes) Leben, ganz ohne Smart-Phone oder Social Media. Stimmt das? Und was heißt achtsam noch für Sie – beruflich, aber auch privat?

Stimmt, ja, ich bin einfach nicht gemacht für Smart-Phones und soziale Medien, weil ich Freiheit und Unabhängigkeit so mag, und leibhaftige Kommunikation. Und ich versuche, verantwortungsvoll zu leben und zu konsumieren, und im Interesse der Nachwelt abzuwägen, auf was ich verzichten kann und auf was nicht.

Ihre erste Reaktion auf die Bekanntgabe des Preises war: „Ich freue mich auf einen Abend in Marl und anschließend auf viele weitere tolle Projekte, für die ich dann in zehn oder zwanzig Jahren zu gerne noch einen Preis bekommen würde.“ Schon was Spruchreifes geplant in nächster Zeit?

Am 29. September ist Kinostart für MUTTER, einem ungewöhnlichen semi-dokumentarischen Film von Carolin Schmitz in dem die Gedanken von acht Müttern als Originaltöne zu hören sind und – hier wird’s besonders interessant – man mich diese Texte sprechen sieht, eingebunden in inszenierte Alltagsszenen.
Der Film bedeutet mir so viel weil ich ihn wegen des Themas wichtig und der Machart mutig finde und ich vor Drehbeginn monatelang diese vorliegenden eingesprochenen Texte auswendig gelernt habe um sie im Film lippensynchron sprechen zu können.
Ich freue mich außerdem auf unseren nächsten Konzertabend mit den Düsseldorfer Symphonikern am 1. Dezember, weil das natürlich musikalisch klasse wird und ich dort von meiner Reise nach Sierra Leone berichten werde: Ich bin seit 20 Jahren Botschafterin des Medikamentenhilfswerks „action medeor“ und reise in afrikanische Länder.

1999 Grimme für Ihre Sketch-Shows, 2003 mit Olli Dittrich für „Blind Date – Taxi nach Schweinau“, 2008 für „Fröhliche Weihnachten“ mit Bastian Pastewka. Jetzt die Besondere Ehrung. Mehr geht doch eigentlich gar nicht, oder?

Ich kapier das immer alles erst im Rückblick: wenn ein Angebot kommt oder eine Anfrage, weiß man ja selten, wohin die Reise geht. Erst an Abenden wie der Grimme-Preis-Verleihung erkennt man, dass man offenbar richtig entschieden und evtl. sogar gut gearbeitet hat.

Was außer einem weiteren Grimme-Preis würden Sie sich wünschen für das Deutsche Fernsehen oder auch Kino?

Mehr Mut & Ehrlichkeit von den Macher:innen, mehr Neugier & Offenheit bei von Zuschauer:innen.

Und was für Ihre private Zukunft?

Dass die Zeit nicht so schnell fliegt.