Altersdiskriminierend, gefährlich und grotesk EU-Pläne zur Führerschein-Reform gehören in die Tonne

Altersdiskriminierend, gefährlich und grotesk: EU-Pläne zur Führerschein-Reform gehören in die Tonne
Lesezeit
Ulrich Breulmann.

Unterstellen wir der französischen Politikerin Karima Delli (44) die allerbesten Absichten. Wenn die Vorsitzende des EU-Verkehrsausschusses die Zahl der Verkehrstoten senken und zugleich die Verkehrsbelastungen für die Umwelt verringern will, so kann man die Politikerin der Grünen dafür schlecht schelten.

Allerdings sind viele ihrer Vorschläge in Sachen Führerscheinreform so weit von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt, dass eher Ursula von der Leyen zur Päpstin gewählt würde, als dass aus ihnen echte Gesetze werden. Dafür vier Beispiele.

Test auf geistige und körperliche Gesundheit ab 60: Geht‘s noch?

Beispiel 1: Die Sache mit der begrenzten Gültigkeit von Führerscheinen. Nun wäre ich durchaus damit einverstanden, dass jeder Führerscheininhaber alle zwei Jahre einen Sehtest machen muss – Ähnliches gibt es mit dem TüV fürs Auto ja auch. Darüber müsste eine Bescheinigung mit sich führen, wer hinterm Lenkrad sitzt.

Aber muss es wirklich noch ein Ausweis sein, den wir alle paar Jahre verlängern müssen wie Reisepass und Personalausweis? Das ist nicht nur umständlich und teuer für die Betroffenen, sondern verursacht wieder einmal einen Wust an Bürokratie. Und das brauchen wir etwa so dringend wie Fußpilz.

Im Übrigen grenzt die nach Lebensjahren angedachte Staffelung an Altersdiskriminierung. So mancher Mitt-Siebziger fährt sicherer und disziplinierter als 30 Jahre jüngere Altersgenossen. Außerdem frage ich mich, warum ein 60-Jähriger, bevor sein Führerschein erneuert wird, seine geistige und körperliche Tauglichkeit ärztlich bescheinigen lassen sollte?

Die Regelaltersgrenze, um in Rente gehen zu können, liegt inzwischen bei fast 67 Jahren. Menschen über 60 schicken beispielsweise als Richter andere Menschen für Jahre ins Gefängnis, entscheiden als Lehrer mit ihren Noten über die schulische Karriere von Kindern, lenken Firmen, Banken oder operieren uns am Herzen. Sie alle dürfen das, ohne ihre „körperliche oder geistige Tauglichkeit“ nachweisen zu müssen. Wenn ich aber in meinem Golf zum Aldi fahre, brauche ich ein Attest? Absurder geht’s nicht.

Mehr Aufwand, mehr Kosten, mehr Bürokratie

Beispiel 2: Die Sache mit dem neuen Führerschein B+, der nötig sein soll, wenn man beispielsweise SUVs fahren will, die mehr als 1.800 Kilo auf die Waage bringen. Es ist ja in Ordnung, dass man Fahranfänger nicht sofort solche Ungetüme lenken lässt. Warum aber wieder ein neuer Schein, eine neue Prüfung?

Es wäre doch vollkommen ausreichend, wenn man Führerscheinneulingen erst nach zwei Jahren Fahrpraxis in „normalen“ Autos erlauben würde, größere Autos zu fahren. Dafür bräuchte es keine neue Fahrstunden, keine neue Prüfung, keinen neuen Schein. Bei einer Kontrolle genügte der Blick aufs Datum der Führerscheinprüfung, um zu wissen, ob jemand dieses Auto lenken darf oder nicht.

Das bewährte begleitete Fahren vom Tisch gewischt

Beispiel 3: Die Europäische Kommission hatte vorgeschlagen, das deutsche Modell des begleiteten Fahrens ab 17 Jahren einheitlich auf ganz Europa auszudehnen. Karima Delli will das nicht, sie hat die entsprechenden Passagen in dem Verordnungsentwurf der Kommission gestrichen. Ich frage mich, warum sie ein so bewährtes Verfahren, das junge Menschen einen kontrollierten Einstieg in das neue Leben als Autofahrer erlaubt, einfach vom Tisch wischt. Sinnvoll erscheint mir das nicht.

Ein neues Tempolimit-Wirrwarr

Beispiel 4: Das Tempolimit. Für normale PKW soll ebenso ein Limit von 110 Stundenkilometern gelten wie für Motorräder, Fahranfänger sollen die ersten beiden Jahre grundsätzlich nicht mehr als Tempo 90 fahren dürfen.

Unterschiedliche Tempolimits je nachdem, wer gerade das Auto lenkt, halte ich für grotesk. Ganz abgesehen davon, dass das kaum zu kontrollieren ist, schafft es auch gefährliche Situationen. Wenn beispielsweise auf einer gut ausgebauten Bundesstraße ein Fahranfänger mit Tempo 90 entlangzockelt, alle anderen aber Tempo 100 fahren dürfen, dann werden diese zum Überholen verleitet, ja fast schon genötigt. Dass das nicht immer gut ausgehen wird, ist vorhersehbar und konterkariert die guten Absichten der Karima Delli.

Ich bin durchaus offen für ein Tempolimit, dann aber für alle. Also grundsätzlich Tempo 100 oder auch 90 außerorts, Tempo 120 auf Autobahnen. In Ordnung wäre auch eine Regelung wie in Holland: Tagsüber Tempo 100 auf Autobahnen, die übrige Zeit 120.

Nebenbei bemerkt: Statt ein gefährliches Tempolimit-Wirrwarr zu schaffen, wäre es deutlich sinnvoller, europaweit auf zweispurigen Autobahn ein generelles Überholverbot für LKW zu verhängen. Das würde nicht nur die Zahl schwerer LKW-Unfälle drastisch senken, sondern gleichzeitig Tausende Verkehrsschilder überflüssig machen.

Gute gemeint, so heißt es, ist das Gegenteil von gut gemacht. Die Reformvorschläge von Karima Delli zur Neuordnung der Führerscheine gehören in dieses Raster. Für sie gibt es nur eine gute Lösung: ab in die Tonne.

Führerscheine nur begrenzt gültig, Tempolimit und weitere harte Auflagen: EU plant massive Verschärf

Ortschaften wollen mehr Mitbestimmung bei Tempo-30-Zonen: Bundestag berät über Reform

Ampel bricht Versprechen gegenüber Bufdis und FSJlern: Unerträgliche Kürzungen bei jungen Leuten