Ampel bricht Versprechen gegenüber Bufdis und FSJlern Unerträgliche Kürzungen bei jungen Leuten

Ampel bricht Versprechen an die Freiwilligendienste: Kürzungen bei jungen Leuten machen fassungslos
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Ulrich Breulmann

Welch ein Geschenk sind doch die vielen tausend Menschen, die sich uneigennützig für unsere Gesellschaft engagieren. Großartig. Da frag ich mich schon: Warum wirft unser Staat ausgerechnet ihnen Knüppel zwischen die Beine?

Darum geht es: Rund 100.000 vor allem junge Menschen absolvieren jedes Jahr im Schnitt einen Freiwilligendienst. Im Jahr 2022 waren es 36.255 im Bundesfreiwilligendienst und 46.830 im Freiwilligen Sozialen Jahr – den beiden größten Freiwilligendiensten. Aber es gibt auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, den Europäischen Freiwilligendienst und andere Möglichkeiten, sich ein halbes oder auch ein ganzes Jahr selbstlos für andere einzusetzen.

Wer einen solchen Dienst übernimmt, tut das ehrenamtlich, erhält lediglich ein Taschengeld von maximal 438 Euro im Monat. Das reicht nicht zum Leben, sind sich die Betroffenen einig und deshalb starten sie im Frühjahr eine Online-Petition. Darin fordern sie vor allem eine Erhöhung des Taschengeldes und eine kostenlose Nutzung des Bus- und Bahnverkehrs. 100.000 Menschen unterschreiben diese Petition.

Feste Zusage steht im Koalitionsvertrag auf Seite 78

Nicht gerade gierig, diese Forderungen, sollte man meinen. Und als in dieser Woche die jungen Initiatorinnen ihr Anliegen im Petitionsausschuss des Bundestags erläutern, tragen sie ihre Argumente so überzeugend und höflich vor, dass man ihnen nur zustimmen kann. Dabei hätte niemand überrascht sein dürfen, wenn sie in einem Wutanfall die Politikerinnen und Politiker einfach nur angeschrien hätten.

Die Petition hatten die Freiwilligen nämlich im Mai auf den Weg gebracht. Damals hatten sie noch die Hoffnung, dass sich die regierenden Parteien der Ampel-Koalition an das erinnern würden, was sie am 7. Dezember 2021 im Koalitionsvertrag unterschrieben hatten. Da kann man nämlich auf Seite 78 nachlesen: „Die Plätze in den Freiwilligendiensten werden wir nachfragegerecht ausbauen, das Taschengeld erhöhen und Teilzeitmöglichkeiten verbessern. Wir werden den Internationalen Freiwilligendienst stärken und das ,FSJ digital‘ weiter aufbauen.“

Christian Lindner schreibt radikale Kürzungen in den Haushalt

Das alles aber gilt nicht mehr, seit Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 vorgelegt hat. Der sieht nämlich nicht nur keine Erhöhung der Bundesmittel für die Freiwilligendienste vor, sondern ganz im Gegenteil eine drastische Kürzung: Statt 327,9 Millionen Euro wie im laufenden Jahr 2023 soll es im nächsten Jahr nur noch rund 250 Millionen Euro und ein Jahr später dann nur noch 215 Millionen Euro für die Freiwilligendienste geben.

Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich in vorbildlicher Weise für unsere Gesellschaft einsetzen. Diese Menschen legen während ihres Freiwilligendienstes ja nicht die Füße hoch und lassen es sich gut gehen. Sie arbeiten vielmehr in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in Jugendherbergen und Kitas, in offenen Ganztagsschulen und Sportvereinen, in ökologischen Schutzstationen und Naturparks, in Kultur- und Sportvereinen, in der Flüchtlingshilfe, bei der Hausaufgabenbetreuung und an x anderen Stellen. Und das für ein Taschengeld.

Sie sammeln dabei wertvolle, soziale Erfahrungen für ihr ganzes Leben. Viele von ihnen finden sogar erst durch diese Zeit ihren Traumberuf, auf den sie sonst vielleicht nie gekommen wären.

Sie sorgen für Entlastung und frischen Wind

Umgekehrt sind auch die Krankenhäuser, Heime, Kitas und all die anderen Anbieter solcher Stellen entsetzt über die Kürzungs-Pläne, denn: Die Bufdis und FSJ-ler können zwar keine Fachkräfte ersetzen, sehr wohl aber für Entlastung und frischen Wind sorgen. Unterm Strich kann man den Wert dieser Freiwilligen kaum hoch genug einschätzen.

Mit einer Demo in Berlin macht daher ein Bündnis von betroffenen Verbänden am Mittwoch (20. September) seinem Protest lautstark Luft. Es ist zu hoffen, dass die Rufe der demonstrierenden Freiwilligen im Reichstag gehört werden.

Kein Geld für Freiwillige, aber 400 Millionen für Waffen und Munition

Ich weiß, es ist unfair, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Dennoch ist es nur schwer zu ertragen, wenn am selben Tag, an dem der Petitionsausschuss des Bundestags über Kürzungen für Freiwillige diskutiert, Verteidigungsminister Pistorius der Ukraine weitere 400 Millionen Euro für Waffen und Munition verspricht.

Mag sein, dass das notwendig und daher richtig ist. Es schmerzt gleichwohl, für einen barbarischen, von einem Größenwahnsinnigen entfachten Eroberungskrieg Millionen ausgeben zu müssen, die an anderer Stelle einfach fehlen und so viel sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Auf der Internetseite ihres Ministeriums wirbt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) für den Freiwilligendienst. Sie erinnert an ihr eigenes Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kinderheim in Hamburg („eine wertvolle und prägende Erfahrung, die ich nur allen wünschen kann“) und schreibt: „Als Bundesfamilienministerin werde ich mich für gute Rahmenbedingungen in den Freiwilligendiensten einsetzen, damit heute und künftig möglichst viele Menschen wichtige und ganz persönliche Erfahrungen in den verschiedensten Freiwilligendienstbereichen und Einsatzstellen sammeln können und unsere Gesellschaft weiter vom großartigen Engagement der vielen Freiwilligendienstleistenden profitieren kann.“

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