Sie ist noch immer die größte Maikundgebung der Region, doch die IGBCE- und DGB-Veranstaltung in Bergkamen-Oberaden zieht längst nicht mehr die Besuchermassen an wie in früheren Zeiten. Zwar waren an diesem Donnerstag, 1. Mai, die gestellten Stühle in der Römerberg-Sporthalle gut besetzt und rund 400 Teilnehmer in der Halle, doch die Zeiten, in denen auch die Besuchertribünen gefüllt und die Menschen am Rand der Halle standen, die sind vorbei.
Das hatte sich schon am Morgen abgezeichnet, als sich die ersten Kundgebungsteilnehmer auf dem Museumsplatz getroffen hatten, um dann gemeinsam mit Fahnen und Schildern zur Halle zu marschieren. Lag es am langen Feiertagswochenende? Am schönen Wetter, das zu anderen Aktivitäten verführte? Die Veranstalter hatten keine echte Antwort darauf.
Doch die, sich dann schließlich in der Halle eingefunden hatten, waren allesamt interessiert an dem, was es zu hören gab und honorierten Äußerungen mit Applaus - besonders, wenn es um die Stärkung der Demokratie, die Forderung eines Zusammenreißens und den Kampf gegen staatsfeindliche Mächte ging. „Ich habe keine Lust auf braune Trommler, die wieder mit ihren Pritschenwagen durch die Straßen unserer Stadt ziehen“, hatte Cheforganisator Volker Wagner bei der Begrüßung gesagt. Festredner Achim Post betonte, dass Demokratiefeinde, Toleranzfeinde und wer Respekt zerstören wolle, auf einen starken Staat treffen solle. „Was wir nicht wollen, sind Leute, die unsere Demokratie beschädigen, zerstören oder missachten. Und das gilt sowohl für deutsche Rechtsradikale als auch für islamistische Fundamentalisten - und mir fallen da auch noch ein paar andere ein.“

Zwischenrufe, wie sie in der Vergangenheit schonmal vorgekommen waren, gab es in diesem Jahr nicht. Aber Achim Post hatte in seiner Rede auch kaum Punkte geboten, die einen kritischen Diskurs auslösen konnten. Er hielt sich an Fakten. Und das Ergebnis der Bundestagswahl ließ keinen Spielraum für Interpretationen: „Das war nicht irgendein Bundestageswahlergebnis, sondern die Ampel wurde komplett abgewählt. Die SPD hat kein schlechtes Ergebnis gekriegt, sie hat kein sehr schlechtes Ergebnis gekriegt, sie hat eine historische Klatsche gekriegt“, wertete Post. Und das bedeute, dass man nun eine andere Politik machen müsse.
Einstige Schwerpunkte müsse man dazu nicht über Bord werfen, aber „wir müssen sehen, dass wir alles insgesamt wieder ans Laufen bekommen, dass Deutschland wieder funktioniert“, sagte Post unter dem Applaus der Anwesenden.
Zwar wären Koalitionsverhandlungen wie ein Schützenfest in Oberaden, Kamen oder seiner Heimat Ostwestfalen („Du musst mit denen tanzen, die da sind“), aber im Gegensatz zur Ampelregierung dürfe man künftig nicht wieder „über jeden Firlefanz und Kokolores öffentlich streiten.“ Dabei war Post eines bewusst: „Das ist die Quadratur des Kreises“ - aber die müsse gelingen.
Damit zeigte Achim Post, dass die geäußerten Forderungen seiner Vorredner, Bergkamens Bürgermeister Bernd Schäfer, Kamens Bürgermeisterin Elke Kappen und Landrat Mario Löhr, bei ihm angekommen waren. Auch sie hatten gefordert, dass die einst im Bergbau gelebten Werte von Miteinander, Füreinander und Toleranz sowie Verlässlichkeit auch in Berlin wieder an Gewicht gewinnen müssten.
Dass das eigentlich gelingen müsste, machte Post an historischen Beispielen deutlich: Zum einen an der ersten großen Koalition nach dem Krieg, zum anderen an den Generationen, die Nachkriegsdeutschland wieder aufbaute. „Wir, die Generation des Wirtschaftswunders, haben es dagegen doch leicht.“
