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Ermittler im Suff, Elefant als Täter: Tatort-Krimis erzeugen Skandale und Kuriositäten
50 Jahre Tatort
Öde Bettakrobatik anstatt Mördersuche, ein Elefant als Täter oder ein Bundestrainer mit schauspielerischen Defiziten: Kaum eine deutsche TV-Reihe hat so oft polarisiert wie der „Tatort“.
50 Jahre „Tatort" sind auch fünf Jahrzehnte voller Skandale, kuriosen Begebenheiten und Gaststars, die nicht immer schauspielerisch überzeugen konnten. Ein kleiner Streifzug durch die Historie der Reihe.
Besonders große Aufreger produziert der Tatort seit jeher, wenn er in der fünften Jahreszeit angesiedelt ist: Karneval und Tatort sind eine Mischung, die regelmäßig für Sorgenfalten beim Publikum sorgten.
Die „Tote Taube“ mit Samuel Fuller
So geschehen auch 1973 bei einem Film, der in dieser Form heute schier unvorstellbar wäre. Für Drehbuch und Inszenierung von „Tote Taube in der Beethovenstraße“ konnte der WDR den US-Regisseur Samuel Fuller gewinnen. Der für harte Action-Kost bekannte Kinofilm-Veteran sollte zwar einen Fall mit Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp) inszenieren, aber degradierte die Figur allenfalls zum Komparsen.
Die Hauptrollen im Krimi übernahmen Stammdarsteller Fullers. Mit denen wurde unter anderem in Köln, Bonn und Königswinter gedreht. Für die Musik zeichnete die avantgardistische Kölner Band Can verantwortlich. Später als gelungenes Experiment gefeiert, war der Film bei der Erstausstrahlung für die Zuschauer ein regelrechter Schock. Die Folge waren zahlreiche Beschwerden beim Sender.
Ermittler im Suff
Exzessive Gewaltausbrüche und schwitzende Körper bei ausschweifenden, aber wenig erotisch inszenierten Liebesspielen sind bei Filmen des Regisseurs Jan Bonny an der Tagesordnung. Sein Karnevals-Tatort „Ich hab im Traum geweinet“ von 2020 bildete da keine Ausnahme.
Statt einer spannenden Mörderjagd präsentierte Bonny Sauforgien und schier wahllos aneinandergereihte Sex-Szenen. Diskussionswürdiger Höhepunkt des Fastnachttreibens im Schwarzwald bildet eine Sequenz, in der die Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) betrunken im Bett landen. Kritik und Zuschauer erbosten sich gleichermaßen im Anschluss an die Ausstrahlung über eine „Karnevalssendung mit Pornoeinlagen“.
Auf Sex, Gewalt und Narretei setzte ebenso der Tatort „Der gelbe Unterrock“ von 1980, der gemeinhin als einer der schlechtesten Episoden überhaupt gilt. Die Kommissarin Buchmüller (Nicole Heesters) bekommt es darin mit einem psychisch kranken Kleiderfetischisten zu tun, der sich nach einem Mord ins Mainzer Karnevalsgeschehen flüchtet.

Qualitativ ist der Fall „Der gelbe Unterrock" von 1980 einer der schwächsten Episoden. © SWR/DPA/Wolfgang Panoke
Nach seiner Erstausstrahlung verbannte die ARD den Film in den „Giftschrank“. Grund dafür waren die erheblichen qualitativen Mängel des Werks. Erst 2016 wurde der Streifen von Kristian Kühn nochmals ausgestrahlt und ist seither in der Mediathek verfügbar.
Proteste gegen Ausstrahlung
Weniger wegen der gebotenen Qualität, sondern viel mehr aufgrund der Verletzung religiöser Gefühle protestierten 2007 über 30.000 Aleviten in Köln gegen die Ausstrahlung der Tatort-Episode „Wem Ehre gebührt“. Kriminalkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ermittelt im Fall einer ermordeten Deutschtürkin alevitischen Glaubens und deckt am Ende einen Inzest in der Familie der Toten auf.
Der AABF, der Dachverband der alevitischen Gemeinden in Deutschland sah in der im Film dargestellten Konstruktion von Inzest und Glauben eine Verunglimpfung der Gläubigen und erstattete über die Berliner Alevitengemeinde Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen die ARD. Sogar der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schaltete sich ein, um die Wogen zu glätten. Seither ist der Film mit einem Sperrvermerk versehen, darf nicht mehr gezeigt werden.
Für mehrere Jahre durfte auch der Film „Der Eskimo“ von 2014 nicht wiederholt werden. Die Folge des Hessischen Rundfunks mit Hauptkommissar Frank Steier (Joachim Krol) sorgte für Ärger, weil in mehreren Szenen ein echtes, altes Klassenfoto in einem Fotoalbum zu sehen war. Mehrere Zuschauer erkannten sich darauf und beschwerten sich beim Sender, da das Bild ohne die Zustimmung der darauf abgebildeten Personen genutzt worden war.
Echter Terrorist
Ein Foto in einer Ermittlungsakte, die kurz im Bild aufblitzte, verursachte auch Wirbel um den Kölner Tatort „Bestien“. Allerdings nicht zum Zeitpunkt der Ausstrahlung 2001, sondern erst elf Jahre später. Denn zu sehen gewesen war das Konterfei des NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Nur war 2001 noch nicht bekannt gewesen, dass Mundlos zusammen mit Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt deutschlandweit für eine Mordserie an Migranten mutmaßlich verantwortlich war.
Die Aufklärung: Das Bild stammte von einem Fahndungsaufruf, den das BKA 1998 im Internet veröffentlicht hatte. Damals wurde Mundlos im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages in Jena gesucht.
Obschon Lokalkolorit dem Tatort immer schon das Quäntchen an richtiger Würze um die Gunst des Publikums bescherte, gab es mitunter auch Filme, bei denen das für Verdruss bei den Zuschauern sorgte. So geschehen bei „Watt Recht is, mutt Recht bliewen“, dem NDR-Tatort mit Kommissar Schnuur (Uwe Dallmeier) von 1982. 80 Minuten lang wurde da durchweg Plattdeutsch geredet.
Stars und Sternchen
Ebenfalls schweren Stand beim Publikum hatte 2017 der Mundart-Tatort „Babbeldasch“. Die SWR-Produktion setzte auch noch zum Großteil auf Amateurdarsteller und improvisierte Dialoge. Von der Kritik überwiegend gelobt, fiel der experimentelle Tatort beim Publikum komplett durch.

Ex-Nationaltrainer Berti Vogts sorgte im Tatort für einen unfreiwillig komischen Auftritt als Nachbar. © ARD/DPA
Nicht unbedingt für Ärger, aber dennoch für Stirnrunzeln beim Tatort-Schauen sind immer wieder auch die Gastauftritte deutscher und internationaler Stars und Sternchen im Sonntagskrimi gut. Mini-Rollen von Promis im Tatort haben eine lange Tradition. So war bereits 1971 Sängerin Gitte Haenning als Freundin von Zollfahnder Kressin im Film „Kressin stoppt den Nordexpress“ zu sehen.
Die Liste der Musiker im Tatort-Cast ist lang: Udo Lindenberg, Die Toten Hosen, Sandra, Rio Reiser Helene Fischer, Roland Kaiser und Frank Zander standen vor der Kamera. Im Schimanski-Fall „Moltke“ stiftet gar Dieter Bohlen Verwirrung mit einem recht seltsamen Auftritt als eifersüchtiger Freund einer Zeugin.
Bier für den Dackel
Ungewohnt unlustig zeigte sich auch Kabarettist Dieter Hallervorden 1972 im Tatort „Rattennest“. Aber den wohl kuriosesten Auftritt überhaupt hatte Ex-Nationalmannschafts-Trainer Berti Vogts im Tatort „Habgier" 1999. In dem NDR-Film sorgt Vogts in seiner hölzern dargebotenen Rolle als Nachbar Jürgen Lampert für so viel unfreiwillige Komik, dass der komplette Fall einfach nicht mehr ernstgenommen werden kann.
Überhaupt bietet die Tatort-Reihe schon immer allerlei Kurioses. Im 1972er Film „Der Fall Geisterbahn“ sind so etwa überall Autos mit dem Fantasiekennzeichen „OAS“ zu erblicken. Der Grund: Teile des Films wurden in Castrop-Rauxel gedreht, um dies zu kaschieren, wurde aus dem C der CAS-Kennzeichen einfach ein O gepinselt.
Auch Kurios: Der 200. Tatort („Blutrausch") war als Krimi-Komödie angelegt, in der Inge Meysel zusammen mit Polizeischwein Luise ermittelt. In „Tod im Elefantenhaus" war 1987 ein Elefant der Mörder. Seltsame Tierliebe gab es in den Episoden mit Kommissar Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) zu sehen. Dessen Dackel Oswald wurde vom Herrchen regelmäßig (1972 bis 1981) mit Bier und Schnitzeln gefüttert.
Fabian Paffendorf, Jahrgang 1978, kam 2003 zum Journalismus. Ursprünglich als Berichterstatter im Bereich Film und Fernsehen unterwegs, drehte er kleinere Dokumentationen und Making-Of-Berichte für DVD-Firmen. In diesem Zusammenhang erschienen seine Kritiken, Interviews und Berichte in verschiedenen Fachmagazinen und bei Online-Filmseiten. Seit 2004 ist der gebürtige Sauerländer im Lokaljournalismus unterwegs. Für die Ruhr Nachrichten schreibt er seit Herbst 2013.