Trotz laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (parteilos) wegen des Verdachts auf Verletzung eines Dienstgeheimnisses und der versuchten Strafvereitelung im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall Daniel Wolski (41, SPD) bleibt der gelernte Jurist Kleine-Frauns dabei, alles richtig gemacht zu haben.
Wie Kleine-Frauns unserer Redaktion am Freitag (9. Dezember) auf Nachfrage über die Pressestelle der Stadt schriftlich mitteilen ließ, habe der Inhalt der E-Mail keine Straftat beschrieben. Von daher habe es auch keine Veranlassung gegeben, diese E-Mail in irgendeinem Kontext zu thematisieren - weder mit dem Verwaltungsvorstand, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft.
Wie berichtet, hatte Lünens Bürgermeister am Tag zuvor (Donnerstag, 7. Dezember) den Haupt- und Finanzausschuss über polizeiliche Ermittlungen gegen seine Person informiert. „Es geht um eine Mail, die ich am 18. Januar nach 18 Uhr erhalten habe. In der Mail mit dem Betreff ‚Ihr Kollege Daniel Wolski‘ wird behauptet, dass Herr Wolski einen Chat-Kontakt zu einem 16-jährigen Mädchen habe und dass er ihr für ein Treffen Geld angeboten habe. Vorgeworfen wird mir, dass ich Herrn Wolski über diese Mail informiert und sie anschließend gelöscht habe.“
Fakt ist, dass, wie von unserer Redaktion Ende Oktober exklusiv berichtet, eine „16-jährige“ Bochumerin, „die sich der örtlichen Polizei anvertraut hat“, den Fall ins Rollen gebracht hat. Um ihr Taschengeld aufzubessern, sei die Jugendliche auf einer Dating-Plattform aktiv gewesen und so in Kontakt mit Daniel Wolski gekommen, hatte die Bochumer Staatsanwaltschaft seinerzeit gegenüber unserer Redaktion erklärt.

Kleine-Frauns: Mail verschoben
Am Abend des 18. Januar 2023, so Kleine-Frauns im Ausschuss weiter, „habe ich eine unter falschem Namen versandte E-Mail erhalten, in der das Angebot eines Treffens gegen Geld thematisiert, aber kein konkretes strafbares Geschehen geschildert wird. Er sei sich sicher gewesen, dass eine „perfide Verleumdungskampagne“ gegen seinen damaligen Stellvertreter drohe: „Dies auch deshalb, weil ich Herrn Wolski seit 2005 als tadellosen Kommunalpolitiker wahrgenommen hatte. Ich habe die E-Mail nicht an die Polizei weitergeleitet, weil ich seinerzeit ausgeschlossen habe, dass Herr Wolski Straftaten zum Nachteil von Minderjährigen begangen haben könnte.“ Derweil hatte die Bild-Zeitung Donnerstag berichtet, dass nach ihren Informationen in der E-Mail von der „Verführung Minderjähriger“ die Rede gewesen sei.
Auf die Frage unserer Redaktion am Freitag, ob der Bürgermeister die E-Mail nochmal löschen würde, ließ uns Jürgen Kleine-Frauns über die Pressestelle in seinem Namen mitteilen: „Zunächst einmal: Ich habe die Mail nicht gelöscht, sondern in den Papierkorb verschoben, um sie vor den Mitarbeitenden, die ebenfalls Zugriff auf das Postfach des Bürgermeisters haben, zu verbergen. Diese mussten sich im Arbeitsalltag mit Herrn Wolski des Öfteren wegen seiner Aufgaben als Stellvertretender Bürgermeister abstimmen und wären nach einer Kenntnisnahme durch die Art der Anschuldigung nach meiner Einschätzung befangen gewesen.“
Enorme Tragweite
Die Zuordnung einer Mail in einen Unterordner innerhalb des Mail-Accounts stelle nach seinem Verständnis weder im technischen noch im juristischen Sinn ein Löschen dar, weil der Zugriff des Account-Inhabers jederzeit möglich bleibt: „Sonst hätte ich sie der Staatsanwaltschaft nicht zur Verfügung stellen können, ebenso wenig übrigens wie die WhatsApp-Nachricht an Daniel Wolski.“
Bei einer gleichlautenden Mail über eine Person, die er seit Langem kenne und der er solche Taten niemals zutrauen würde, und die kein strafbares Verhalten schildert, würde er unabhängig von der jeweiligen Person wegen der Tragweite, die eine möglicherweise falsche Verdächtigung mit sich bringt, jedenfalls wieder so handeln.
Blauäugig gehandelt?
Dieses Vorgehen sei auch nicht blauäugig gewesen, wie von unserer Redaktion nachgefragt: Mit blauäugig habe dies nichts zu tun, lässt sich Kleine-Frauns zitieren, und dass dies mit den „weitreichenden Folgen eines solchen Vorwurfs zusammenhängt, der dazu geeignet ist, auch dann, wenn es sich nachträglich als unwahr herausstellt, Existenzen zu zerstören.“
Wie von Anfang an von ihm in der Causa Wolski gesagt, verurteile er jede Form von sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch: „Zur Vermeidung von Missverständnissen: Soweit man die am 18. Januar eingegangene Mail als Hinweis betrachten kann, habe ich den Inhalt zu keiner Zeit als Missbrauchsvorwurf erkannt. In der E-Mail - um das noch einmal zu betonen - werden Herrn Wolski keine konkreten sexualisierten Handlungen im Zusammenhang mit seinem angeblichen Angebot, sich gegen Geld mit dem ‚besagten‘ Mädchen zu treffen, vorgeworfen. Dieses Geschehen beschreibt keinen Straftatbestand.“
Wie es am Freitag auf Nachfrage unserer Redaktion bei der Stadt weiter hieß, werde die Amtstätigkeit des Bürgermeisters „durch ein gegen ihn gerichtetes Ermittlungsverfahren rechtlich nicht eingeschränkt“.
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