Der Ausbau der Dortmunder Straße (B 54) gleicht einer unendlichen Geschichte. 2019 soll es nun losgehen. Tausende Pendler leiden darunter, dass sich das Projekt immer verzögerte. Marcel Koch ist einer von ihnen.

Lünen

, 01.10.2018, 11:47 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es ist erst wenige Wochen her, da endete für Marcel Koch die Elternzeit. Familie statt Beruf, eine neue Erfahrung. „Meine Frau hat mir gesagt, dass ich entspannter bin“, erzählt der 31-Jährige. Er ist sicher, dass ihn auch ein bestimmter Faktor so schön abschalten ließ: „Der Stress mit dem Stau war weg.“

Marcel Koch, gelernter Elektroniker, arbeitet für ein Industrieunternehmen in Bochum. Seit 2005 fährt er montags bis freitags zweimal täglich mit dem Auto über Lünens Staustrecke schlechthin, die Dortmunder Straße. „Meistens stop and go“, berichtet er, „wenn es ganz schlecht läuft, kostet mich das 30 bis 40 Minuten.“ Marcel Koch wohnt in der nördlichen Lüner Innenstadt. Wenn er nach Hause komme, sei er von der Rückfahrt „manchmal richtig genervt“.

Kochs Schicksal teilen Tausende. Nach Angaben der Landesstatistiker der Behörde IT NRW arbeiten über 24.000 Lüner auswärts. Mehr als 16.000 Menschen fahren aus anderen Städten nach Lünen zur Arbeit. Über 15.000 Lüner sind sogenannte Innenpendler, haben ihren Arbeitsplatz innerhalb der Stadtgrenze. Das heißt: Mehr als 55.000 Menschen sind täglich auf Lüner Straßen und Schienen unterwegs, um zur Arbeit zu gelangen. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2016. Es sind die aktuellsten, die vorliegen.

Was es heißt, Tag für Tag auf der B 54 in Lünen im Stau zu stehen

Die Hauptlast des innerstädtischen Pendlerverkehrs trägt die Dortmunder Straße mit rund 30.000 Fahrzeugen täglich. Diese Zahl nennt der zuständige Landesbetrieb Straßenbau (Straßen.NRW) in den Unterlagen zum Ausbau. Nach dem Ausbau soll die Zahl der Fahrzeuge auf circa 33.000 klettern.

Berufspendler Marcel Koch steht seit 2005, also seit mittlerweile 13 Jahren, auf der Dortmunder Straße im Stau. Lüner, denen es ähnlich geht, machen ihrem Frust im sozialen Netzwerk Facebook Luft. Hier einige Kommentare, die unsere Redaktion nach einem Aufruf bei Facebook erreichten:

  • „Eine absolute Katastrophe“
  • „Das Allerschlimmste ist der Feierabendverkehr von der 236 beginnend bis zur Ampel Toom-Baumarkt. Da braucht man locker 20 Minuten“
  • „Jeden Tag für ne Strecke von 9 km fahre ich 15 min hin und 3/4 Stunde zurück. Nicht normal“
  • „Ich fahre da täglich her, ich kann nur sagen, es wird immer schlimmer“
  • „Fahre die Strecke morgens und nachmittags. Ohne Worte“
  • „Von der B 236 Richtung Lünen über Lünen-Süd fahren. Geht definitiv schneller“

Viele Jahre mit dem täglichen Stau hätten den Pendlern eigentlich erspart werden sollen. Denn die Absicht, die Bundesstraße zwischen Anschluss zur B 236n und Lüner Innenstadt durchgehend vierspurig auszubauen, besteht schon lange.

Prognose 2004: 2008 geht es los

Mitte der 2000er Jahre wurden die Pläne konkret. Im Dezember 2004 gab ein Niederlassungsleiter des Landesbetriebes Straßenbau eine Prognose ab. Danach könnten die Bauarbeiten 2008 beginnen. Hätte sich die damalige Prophezeiung erfüllt, würde der Verkehr schon seit 2010 vierspurig rollen. Doch es kam anders: Mal mussten Gutachten neu erstellt werden oder umfangreicher ausfallen, mal fehlten Unterlagen, mal waren Finanzierungsfragen zu klären, mal führten Personalengpässe dazu, dass die Planung ruhte. Einzig eine neue Brücke über den Kanal wurde gebaut.

Die Kanalbrücke Dortmunder Straße wurde bereits 2008 durch einen Neubau mit zwei Spuren für jede Fahrtrichtung ersetzt. Doch die beiden Spuren in Richtung Lüner City werden erst nach dem Ausbau der Dortmunder Straße freigegeben.

Die Kanalbrücke Dortmunder Straße wurde bereits 2008 durch einen Neubau mit zwei Spuren für jede Fahrtrichtung ersetzt. Doch die beiden Spuren in Richtung Lüner City werden erst nach dem Ausbau der Dortmunder Straße freigegeben. © Günther Goldstein

Die Fahrzeuge stauten sich weiter. Der Stau, das hat Pendler Marcel Koch lernen müssen, ist einerseits verlässlich, weil es ihn täglich gibt. Andererseits aber auch unberechenbar, weil man nie genau weiß, wie schlimm es wirklich kommt. „Manchmal geht es schon auf der B 236 los“, weiß Koch. An Montagen hingegen sei die Verkehrsbelastung oft ein wenig geringer. Soweit Kochs Erfahrungen.

Jetzt, immerhin, gibt es die realistische Chance auf einen Baubeginn 2019. Davon geht Anne Höckber aus, Projektleiterin für Planung bei Straßen.NRW. Die Bauzeit werde voraussichtlich zwei Jahre betragen. 2,73 Kilometer ist der Abschnitt für den durchgehend vierspurigen Ausbau lang. Er beginnt, in Fahrtrichtung Lünen, am Knoten B 236n und endet vor der Bahnbrücke hinter der Kupferstraße.

Mehr Verkehr in die Kupferstraße leiten

Pendler Marcel Koch hofft, dass es nach dem Ausbau endlich schneller für ihn vorangeht. „Eine Entlastung vor allem in Fahrtrichtung Lünen“ erwartet auch Prof. Dr. Bert Leerkamp, Experte der Bergischen Universität Wuppertal. Er war von der Stadt Lünen und der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund beauftragt worden, die Verkehrssituation in Lünen zu analysieren. Viel werde davon abhängen, ob es gelinge, mehr Verkehr von der Dortmunder in die Kupferstraße zu leiten, sagte Leerkamp, als er seine Einschätzungen beim IHK-Wirtschaftsgespräch im Juni 2017 präsentierte. Denn hinter der Einmündung Kupferstraße bildet die Bahnbrücke den Flaschenhals, wo es auf der Dortmunder Straße für den Verkehr Richtung Innenstadt wieder einspurig wird.

Die Einmündung Dortmunder Straße/Kupferstraße: Hier wird es nach dem Ausbau darauf ankommen, möglichst viel Verkehr in die Kupferstraße abzuleiten. Denn die Dortmunder Straße wird kurz hinter der Einmündung wieder einspurig,

Die Einmündung Dortmunder Straße/Kupferstraße: Hier wird es nach dem Ausbau darauf ankommen, möglichst viel Verkehr in die Kupferstraße abzuleiten. Denn die Dortmunder Straße wird kurz hinter der Einmündung wieder einspurig, © Günther Goldstein

Im Februar 2018 fand im Lüner Rathaus für Betroffene und Behörden ein sogenannter Erörterungstermin zu den Ausbauplänen statt. Er war nichtöffentlich. Wie unsere Redaktion aus Teilnehmerkreisen erfuhr, wurde Kritik laut. Die Rechtsabbiegerspur von der Dortmunder Straße in die Kupferstraße sei auch nach dem Ausbau viel zu kurz, um genug Fahrzeuge abzuleiten. Nach Angaben der Stadt Lünen wurden die Pläne überarbeitet. Auf Anfrage erklärte die Pressestelle, die rechte Fahrspur (von zwei Spuren nach dem Ausbau) werde „direkt in die Kupferstraße geführt, um die Viktoriastraße zu entlasten.“

Laut Anne Höckber von Straßen.NRW ist darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hinsichtlich der Verlängerung der Rechtsabbiegerspur bleibe der Planfeststellungsbeschluss abzuwarten. Die Planfeststellungsbehörde entscheide, „ob und in welchem Umfang Forderungen und Wünschen entsprochen wird.“

Ziellinie in Arnsberg: 3. Quartal 2018

Planfeststellungsbehörde ist die Bezirksregierung Arnsberg. Deren Sprecher Christoph Söbbeler sagt: „Über Inhalte kann ich mich beim besten Willen noch nicht auslassen. Das bleibt dem eigentlichen Beschluss vorbehalten.“ Im Moment werde „korrekturgelesen und feingeschliffen“. Ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss aus Arnsberg ist für Straßen.NRW Voraussetzung, mit dem Ausbau der B 54 beginnen zu können. In der Bezirksregierung sei des 3. Quartal 2018 „Ziellinie für den Beschluss“, so Sprecher Söbbeler. Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss könnten den B 54-Ausbau noch aufhalten.

Pendler Marcel Koch graut vor der Bauphase. Dann, fürchtet er, wird alles noch viel schlimmer als jetzt. Aber danach, da könnte der Verkehr tatsächlich schneller fließen. Endlich.

  • Im Bundesverkehrswegeplan wird der Ausbau seit 2016 unter „vordringlicher Bedarf“ geführt.
  • Der Bund hat einen Kostenrahmen von 10,58 Millionen Euro genehmigt.