Bei dem Wald direkt neben dem ehemaligen Kühlturm (hier ein Archivbild) handelt es sich um die sogenannte Bischoffsdeponie. Ende 2021 war es noch offen, jetzt steht fest: Der Wald soll verschwinden.

© Günther Goldstein

Wald auf Steag-Fläche: Lüner Stadtrat hat über seine Zukunft entschieden

rnSteag-Fläche

Was wird aus dem Wald über der Bischoffsdeponie auf dem nördlichen Steag-Gelände? Der künftige Eigentümer will ihn abholzen. Die GFL will ihn bewahren. Der Stadtrat hat jetzt entschieden.

Lünen

, 12.04.2022, 07:55 Uhr / Lesedauer: 2 min

Formal ist es eine Industriefläche, tatsächlich aber ein Wald: Seitdem das ehemalige Kohlekraftwerk Steag seine Deponie für giftige Rückstände aus der Rauchgasentschwefelung mit Erde abgedeckt hatte, begann auf der 1,8 Hektar großen Fläche im Norden des Kraftwerksgeländes ein Wald zu wachsen. Rund 40 Jahre ist das jetzt her. Seitdem haben vor allem Birken dort Wurzeln getrieben, wo mit Arsen, Quecksilber und anderen Verbindungen belastete Reststoffe lagern. Um diese Deponie gibt es Streit, seitdem Lünen über die Nutzung der Steag-Fläche diskutiert - zuletzt in der jüngsten Ratssitzung (7. April).

Wals genau ist eigentlich Wald?

Das Bundeswaldgesetz ist eindeutig: Wald im Sinne dieses Gesetzes ist „jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche“ - also auch die nach dem Erfinder des Entschwefelungsverfahrens benannte Deponie. So ist es im Paragraf 2 des Bundeswaldgesetzes nachzulesen. Paragraf 1 ist den Lüner Verteidigern der grünen Bischoffsdeponie aber noch wichtiger. Wald sei „wegen seiner Bedeutung für die Umwelt (...) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern“: ein Auftrag, dem die GFL und die Grünen im Lüner Rat nachkommen wollten.

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Die GFL hatte die Verwaltung beauftragen wollen, die Deponie-Fläche zu kaufen und so die Rettung des Waldes sicherzustellen. Das könnte teuer werden. Schließlich ist das Angebot an Industriefläche knapp, was den Preis nach den Gesetzen des Marktes hochtreibt - von dreistelligen Preisen pro Quadratmeter ist die Rede. Und im Haushalt der überschuldeten Stadt sind keine Mittel für Waldkauf vorgesehen. Das wissen die Antragssteller der GFL. Deshalb wollen sie, dass die Stadtverwaltung „hierfür geeignete Fördermittel von EU, Bund, Land und/oder anderen Institutionen“ besorgt. Am Geld dürfe es nicht scheitern. Denn der Mangel an Waldflächen sei in Lünen noch größer als der an Industrieflächen, sagte Andreas Dahlke von der Wählergemeinschaft.

Nur elf Prozent Waldanteil am Lüner Stadtgebiet

24,8 Prozent der NRW-Landesfläche waren Ende 2019 bewaldet. Das ist weniger als der Bundesdurchschnitt (knapp 30 Prozent). In Lünen liegt der Wert bei gerade einmal 11 Prozent. Umso größer sei der Stellenwert der wenigen Waldflächen für das Klima und den Artenschutz, sagte Dahlke. Für die GFL-Fraktion sei der „Erhalt der Waldfläche auf der Bischoffs-Deponie auch die richtige Antwort auf die Fragen der Klimagerechtigkeit mit Blick auf nachfolgende Generationen“, heißt es in dem Antrag der GFL.

WFG will Wald im Verhältnis 1:2 ersetzen

Die Wirtschaftsförderung des Kreises Unna will in den nächsten Wochen die 10,6 Hektar große Steag-Nordfläche von Hagedorn kaufen und sie komplett als das nutzen, was sie ursprünglich ist: eine seit mehr als 70 Jahren geprägte Industriefläche. Für den 1,8 Hektar großen Wald, der 15 Prozent des nördlichen Gesamtareals ausmacht, will die WFG an anderer Stelle Ersatz im Verhältnis 1:2 schaffen: ein Angebot, das laut GFL drei Haken hat.

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Erstens: „Wo sollen denn 3,6 Hektar Wald hin“, fragte Kunibert Kampmann. In Lünen fehle nun einmal Freifläche. Zweitens: Der positive Klimaeffekte für das Stadtgebiet falle weg, ergänzte Andreas Dahlke. Insbesondere das an die Steag-Fläche angrenzende Geist-Viertel profitiere vom Wald als einer Frischluftschneise im westlichen Stadtgebiet. Und drittens: „Aufforstungen sind wegen des Klimawandels längst nicht mehr so einfach wie noch vor zehn Jahren“, sagte er.

Mehrheit gegen Kauf der Waldfläche

Auch Tessa Schächter von den Grünen machte sich stark für einen Kauf des Waldes. Sie forderte ein „neues Denken“. Innovativ sei „vertikal wachsendes Gewerbe“: also Ansiedlungen, die sich weniger in der Fläche ausbreiten, sondern um einige Geschosse aufstocken.

Bei der Mehrheit im Rat stieß der Vorstoß zur Waldrettung nicht auf Gegenliebe. Insbesondere Christoph Tölle (CDU) widersprach dem höhen ökologischen Wert des Birkenwaldes. 17 Ratsmitglieder stimmten dafür, 30 dagegen.

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