Edith Nassau, geborene Gumbert, lebte nach der Flucht aus Lünen mit ihrer Familie in Argentinien.

© Tim Hoppe

Flucht vor den Nazis: Die Geschichte der jüdischen Familie Gumbert

rnVon Lünen nach Argentinien

Millionen jüdische Menschen sind während des zweiten Weltkrieges vor den Nationalsozialisten geflohen. Familie Gumbert aus Lünen gehörte zu ihnen. Ihre Flucht führte sie bis nach Südamerika.

von Udo Kath

Lünen

, 15.04.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Während die Nationalsozialisten in Deutschland von 1933 bis 1945 an der Macht waren, sind Millionen Menschen vor der Diktatur und dem Machtregime von Adolf Hitler geflohen. Unter ihnen war auch die jüdisch stämmige Familie Gumbert, die bis 1939 in der Langen Straße 53 in Lünen gewohnt hat. Am 13. Juni erhalten die verstorbenen Mitglieder der Familie ihre eigenen Gedenktafeln - sogenannte Stolpersteine. Sie erinnern an die Einzelschicksale unterschiedlichster Naziopfer. Der „Arbeitskreis Lüner Stolpersteine“ erzählt die Geschichte der Familie Gumbert.

Der 1886 in der Nähe von Kassel geborene Siegmund Gumbert war Kaufmann und führte von 1925 bis 1935 ein Konfektionsgeschäft in Lünen-Brambauer. Seit 1921 war er mit seiner 1887 geborenen Frau Helena verheiratet, im selben Jahr wurde ihre Tochter Edith in Dortmund geboren. Sie besuchte die Volksschule in Lünen von 1932 bis 1936, zwischendurch erhielt sie Schulverbot und die ersten jüdischen Geschäfte wurden geschlossen, auch zwischenzeitlich das ihres Vaters, den die Nazis auch „abholen wollten“.

Bereits 1933 gab es Fluchtpläne in der Familie

Der Vermieter des Geschäftes war kein Jude und ließ die Gestapo nicht ins Haus. Edith berichtete 2004 in einer Reportage der Journalistin Corinna Below: „Sie haben noch einmal Glück gehabt. Ich werde das nie vergessen, wie sie geschellt haben, geschellt und geschellt.“

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So fasste die Familie bereits 1933 den Entschluss, Deutschland zu verlassen und nach Palästina auszuwandern, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits durch Nationalsozialisten angefeindet wurde. Siegmund Gumbert verkaufte sein Geschäft und überwies 10.000 Mark nach Palästina.

Doch er ließ sich durch seinen Bruder überreden, noch in Deutschland zu bleiben. Daraufhin erwarb er 1934 ein Schuhgeschäft in Lünen, musste dieses aber auf Druck der Nationalsozialisten wieder verkaufen. Tochter Edith besuchte ab 1936 eine Gartenbauschule in Ahlem bei Hannover. Ab dem 14. Januar 1939 war der Wohnsitz der Familie in der Langen Straße 53 in Lünen.

Ausreise begann kurz vor Kriegsbeginn 1939

Am 11. August 1939 emigrierte die Familie nach Argentinien, unterstützt durch die jüdische Auswanderungshilfsorganisation, die Jewish Colonization Association (JCA). Die Reise begann ab dem Hamburger Hafen mit dem Schiff „Antonio Delfino“. Doch da am 1. September der Zweite Weltkrieg begann, wollte die Schifffahrtsgesellschaft die 150 Juden zurück nach Deutschland schicken. Deutsche Juden in Brasilien kamen ihnen zu Hilfe, sodass sie an Land gehen und weiter nach Argentinien reisen konnten.

Das Bild zeigt Edith Nassau (r.) mit ihren Geschwistern Felix und Gerda.

Das Bild zeigt Edith Nassau (r.) mit ihren Geschwistern Felix und Gerda. © Jonathan Glass

Dort arbeitete die Familie Gumbert zunächst in einer von der JCA neu gegründeten Siedlung in der Provinz Entre Rios. Auf Grund der schlechten Lebensbedingungen fing Edith Gumbert eine Beschäftigung in einem heimischen Haushalt in Buenos Aires an und leistete ihren Eltern somit finanzielle Unterstützung.

Buch über Edith Nassau und weitere Heimbewohner

Sie heiratete und hieß fortan Edith Nassau. Ihre Mutter starb 1946 und ihr Vater begann eine Arbeit bei der gemeinnützigen Wohlfahrtsorganisation „Asociación Filantropica Isrealita“ (AFI). 1965 starb er in dem jüdischen Altersheim „Hogar Hirsch“, das 1940 von der AFI gegründet wurde.

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Zuletzt lebte auch Edith Nassau in diesem Heim, in dem sie am 26. August 2015 ebenfalls starb. Über sie, dieses Heim, und weitere 48 Geschichten von Bewohnern hat die Journalistin Corinna Below ein Buch geschrieben und zudem einige Podcasts veröffentlicht. Am 13. Juni 2022 kommt sie für eine Veranstaltung des „Arbeitskreises Lüner Stolpersteine“ nach Lünen.

Was sind Stolpersteine?

  • Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig und gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
  • Die im Boden verlegten Steine sind Gedenktafeln und erinnern an die Menschen, die während des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben worden sind.
  • Die quadratischen Tafeln enthalten meist den Namen, das Geburts- sowie Todesdatum sowie das Schicksal, welches die Person erleiden musste.
  • In 28 europäischen Ländern wurden bereits knapp 100.000 Stolpersteine verlegt.
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